Neil Diamond / Hot August Night/NYC
Hot August Night/NYC Spielzeit: 78:14 (CD1), 51:40 (CD 2)
Medium: Do-CD
Label: Columbia (Sony Music), 2009
Stil: Pop, Singer/Songwriter

Review vom 20.09.2009


Jürgen Hauß
Wer - wie ich - mit der Musik von Neil Diamond aufgewachsen ist und sie seinerzeit gemocht hat, kann diese Sympathie auch jetzt - selbst wenn sich der Musikgeschmack seitdem deutlich gewandelt hat und eher Richtung Blues und Blues Rock tendiert - nicht verleugnen. Zu viele positive Erinnerungen sind mit dieser Musik verbunden, als dass man sie heutzutage einfach ignorieren oder gar abqualifizieren könnte.
Wer einst seine "Sweet Caroline" "Forever In Blue Jeans" erleben wollte, wer ein "Beautiful Noise" vernommen hatte, selbst wenn er von ihr zur Rede gestellt worden war mit den Worten "You Don't Bring Me Flowers", der dennoch die Aufforderung von seiner "Kentucky Woman" bekam "Play Me" und "Love Me On The Rocks", was er nur mit den Worten beantworten konnte "Girl, You'll Be A Woman Soon", der konnte am nächsten Morgen nur ein "Thank The Lord For The Night Time" seufzen und sich nach einer "Crunchy Granola Suite" aufmachen, um "America" zu erobern, auch wenn seine "Cherry Cherry" ihm hinterher rief "Don't Go There". Er aber war ein "Solitary Man", der mit den Worten "I Am … I Said" aufbrach, auf den "Brooklyn Roads" das "Street Life" zu erleben und "Brother Love's Traveling Salvation Show" aufzusuchen, wo er mit den Worten "Hello Again" begrüßt wurde. Das Ganze endete regelmäßig in einer "Longfellow Serenade".
Diese kurze Story, ersonnen aus den Titeln von 20 der größten Hits von Neil Diamond, zeigt nur ausschnittweise, über welch einen umfangreichen Backkatalog Neil Diamond nach einer über 40jährigen Karriere verfügt. Viele seiner Lieder sind Standards, die nach wie vor regelmäßig im Radio gespielt werden (und ihm sicherlich bis heute ein auskömmliches Einkommen garantieren).
Zudem hat Neil Diamond viele seiner Kompositionen anderen Künstlern überlassen. Angefangen von den Monkees, die mit "I'm A Believer" sowie "A Little Bit Me, A Little Bit You" im Jahr 1966 Million-Seller erzielten, oder "Kentucky Woman" aus dem Jahr 1967, das im Folgejahr von Deep Purple eingespielt wurde, bis hin zu "Red Red Wine", das im Jahr 1983 in der Version von UB 40 erfolgreich war, gibt es unzählige Songs von Neil Diamond, die anderen Künstlern als Original- oder als Coverversion einen Erfolg bescherten. Demgegenüber hat er nur wenige Fremdkompositionen übernommen "He Ain't Heavy, He's My Brother" von den Hollies ist so eine Ausnahme.
Zugegeben Neil Diamond ist sicherlich nicht jedermanns Sache und möglicherweise nichts für den 'typischen' RockTimes-Leser, aber immerhin wird der Stil seiner Musik, wenn man sie in den diversen Media-Playern abspielt, vielfach auch als 'Rock' beschrieben. Diese Einschätzung mag für einzelne Songs gelten; umfassend vermag ich sie nicht zu teilen. Fakt aber ist, dass Neil Diamond jenseits aller Versuche, ihn in irgendeine Schublade zu pressen, nicht nur nach meinem Geschmack über viele Jahrzehnte hinweg einfach tolle Musik gemacht hat und auch immer noch macht. Mehr als 125 Mio. verkaufte Alben und unzählige Goldene sowie Platin-Schallplatten kommen nicht von ungefähr!
Seine größten Erfolge hatte er zweifellos Ende der 60er bis Mitte der 70er Jahre. Nach ein paar letzten Hits Anfang der Achtziger wurde es hittechnisch gesehen ruhiger um ihn, bis er vor vier Jahren mit "12 Songs" ein geradezu sensationelles und kaum erwartetes Comeback feierte, das er durch das Folgealbum "Home Before Dark" im Jahr 2008 bestätigte. Es ist wie mit altem Cognac Mit zunehmendem Alter wird er immer besser.
67 Jahre alt war Neil im vergangenen Jahr, als er die auf der vorliegenden Doppel-CD dokumentierte Welttournee absolvierte, und damit in einem Alter, in dem man selbst nach Auffassung unserer Bundesregierung das Rentenalter erreicht. Aber vom Rentner-Dasein will Neil Diamond nichts wissen. In einem sehr späten Teil seines hier dokumentierten Konzerts, im Vorspann zu "Man Of God", in dem er mit launigen Worten zudem seine Beziehung zu seiner Band erläutert, mit der er bereits seit dreißig Jahren zusammenspielt, erklärt er, wieso er in diesem Alter nicht bereits insbesondere den Tour-Stress aufgibt und zu Hause bleibt Er sieht sich auf einer Mission, auf einer Art spirituellen Reise quasi als Bote Gottes, der seine Botschaft unter das Volk bringen will. Mag man auch dieser Religiosität vielleicht nichts abgewinnen können Es sind einfach allesamt schöne Lieder - die alten wie die neuen. Und das Konzert zeigt, dass Neil Diamond vielen jüngeren Sängern heute noch etwas vormachen kann.
Und das wird mit dem vorliegenden Album durchgängig deutlich Nachdem Neil Diamond routiniert zu Beginn des Konzerts sieben Songs aus seinem schier unerschöpflichen Fundus zum Besten gegeben hat (zum Track-Listing s.u.), leitet er mit den Worten »Das war früher, jetzt kommt das Heute« zu einem aus drei Liedern bestehenden Block mit Titeln seines aktuellen Albums über. Sie zeigen eindrucksvoll seine Entwicklung bis hin zum Gospelgesang.
Neil Diamond spannt mit diesem Album mehrfach einen Bogen von seiner erfolgreichsten Phase bis in die heutige Zeit. Es enthält zum einen nahezu alle seiner größten Hits (persönliche Vorlieben werden sicherlich den einen oder anderen Song vermissen lassen), zum anderen präsentiert er immerhin fünf Songs seiner letzten beiden Alben. Mit dem Albumtitel "Hot August Night/NYC" knüpft er bewusst an den Riesenerfolg seines praktisch gleichnamigen Albums aus dem Jahr 1972 (im Jahr 1987 gab es allerdings bereits eine 'Wiederholung' mit "Hot August Night, Vol. II), das er mehrfach zitiert. Während die erste 'Heiße-August-Nacht' seinerzeit in dem von Neil Diamond nicht geliebten Los Angeles aufgenommen wurde (wo er damals trotz seiner Abneigung gegen den Ort ein immerhin zehntägiges Gastspiel gab), waren dieses Mal vier Konzerte im New Yorker Madison Square Garden Basis für das vorliegende Album.
Für Neil quasi ein Heimspiel Auch wenn er seit vielen Jahren an der Westküste Amerikas lebt, gilt seine Liebe seiner Heimatstadt New York. 20.000 Konzertbesucher liegen ihm zu Füßen, die meisten Lieder werden bereits beim Anspielen der ersten Töne erkannt und jeder noch so kleine Hinweis auf 'The Big Apple' wird bejubelt. Besonders deutlich wird diese innige Beziehung, wenn man seinen diesbezüglichen Hommagen zuhört, nämlich den als Track 13 und 14 festgehaltenen Songs "Brooklyn Roads" und - mehr noch - "I Am...I Said". Gänsehaut-Feeling pur angesichts der deutlich vernehmbaren Melancholie!
Die erste CD endet mit einem Feuerwerk an (alten) Hits "Solitary Man", "Kentucky Woman", "Forever In Blue Jeans" und schließlich "Sweet Caroline" Neil Diamond hat sein Publikum voll im Griff, dieses singt aus voller Kehle mit (teilweise klingt es allerdings wie 'Hölle, Hölle, Hölle'!) und 'zwingt' den Protagonisten, den Song ein ums andere Mal zu verlängern, was - im Vergleich zum Original - zu einer fast verdoppelten Spielzeit führt.
Die zweite CD enthält wieder weit überwiegend älteres Material; lediglich zwei Titel entstammen dem 2005er Comeback-Album. Nicht ganz passend finde ich, dass man dem Album, das ja den Auftritt in New York im Titel trägt, am Ende der zweiten CD, als das Konzert traditionsgemäß mit "Brother Love's Traveling Salvation Show" sein Ende gefunden hat, noch drei Aufnahmen aus drei anderen Auftritten der Welttournee angehängt hat. Der einzige Grund, den ich dafür sehe, war möglicherweise, auch diese CD auf eine heute akzeptable Spieldauer zu bringen; zieht man von deren Laufzeit die zwölf Minuten ab, die die drei zusätzlichen Titel benötigen, kommt man auf eine Spieldauer von unter 40 Minuten! Hätte man das New Yorker Konzert - wenn es nicht ohnehin noch andere Songs davon gegeben hat - gleichmäßiger auf die beiden CDs verteilt, wäre die Ergänzung auch aus optischer Sicht nicht nötig gewesen.
Technisch und klanglich ist die CD auf allerhöchstem Niveau. Instrumente und Gesang sind perfekt aufeinander abgemischt, und auch das Publikum ist angemessen zu hören; man hat das Gefühl, das Konzert unmittelbar zu erleben. Natürlich gibt es "Hot August Night/NYC" auch auf DVD. Aber da Musik für mich in erster Linie etwas für die Ohren und weniger für die Augen ist, habe ich mich ganz bewusst für die CD-Ausgabe entschieden, um mich voll und ganz auf die Musik konzentrieren zu können (zugegeben insbesondere die Dynamik bei "Cherry Cherry" mit den wahrzunehmenden Soli der einzelnen Bandmitglieder wecken mein optisches Interesse). Bemerkenswert ist allerdings, dass auf der DVD die drei zusätzlichen Musikaufnahmen nicht enthalten sind!
Neil Diamond wird eigentlich als Solokünstler dargestellt und wahrgenommen. Angesichts der Tatsache, dass er mit vielen Musikern seiner Band seit mehr als dreißig Jahren zusammen spielt, halte ich es für mehr als angemessen, zumindest das Line-up seiner Band aufzuführen, die live insbesondere durch Bläser und Streicher weiter ergänzt wird.
Line-up:
Neil Diamond (vocals, guitar)
Doug Rhone (guitar)
Hadley Hockensmith (guitar)
Tom Hensley (keyboards)
Alan Lindgren (keyboards)
Reinie Press (bass)
Ron Tutt (drums)
King Errisson (percussion)
Linda Press (vocals)
Maxine Waters (vocals)
Julia Waters (vocals)
Don Markese (woodwind & alto sax)
Arturo Velasco (trombone)
John Fumo (trumpet)
Larry Klimas (saxophone)
Tracklist
CD 1:
01:Holly Holy (4:17)
02:Street Life (3:07)
03:Beautiful Noise (3:56)
04:Love On The Rocks (3:40)
05:Play Me (4:51)
06:Cherry Cherry (7:23)
07:Thank You Lord For The Night Time (3:21)
08:Home Before Dark (5:28)
09:Don't Go There (4:11)
10:Pretty Amazing Grace (3:34)
11:Crunchy Granola Suite (5:15)
12:Done Too Soon (2:49
13:Brookly Roads (6:22)
14:I Am...I Said (4:25)
15:Solitary Man (3:18)
16:Kentucky Woman (2:11)
17:Forever In Blue Jeans (3:31)
18:Sweet Caroline (6:31)
CD 2:
01:You Don't Bring Me Flowers (4:54)
02:Song Sung Blue (3:12)
03:I'm A Believer (3:32)
04:Man Of God (5:51)
05:Hell Yeah (7:07)
06:Cracklin' Rosie (3:10)
07:America (4:22)
08:Brother Love's Traveling Salvation Show (7:32)
09:Lady-Oh (4:07)
10:If You Know What I Mean (3:57)
11:Glory Road (3:52)
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