Chris Evans/David Hanselmann
Stonehenge - From Then Till Now
Stonehenge - From Then Till Now Spielzeit: 62:38
Medium: CD
Label: Warner Music, 2013
Stil: Prog Rock

Review vom 11.08.2013


Steve Braun
Wenn ein allgemein als Kultalbum gewertetes Meisterwerk von seinen Machern komplett neu überarbeitet wird, ist die Gefahr für diese ziemlich groß, sich auf extrem dünnes Eis zu bewegen. Alan Parsons gelang dies 1987 mit der Neuauflage von "Tales Of Mystery And Imagination" ganz zauberhaft - abschreckende Beispiele scheinen allerdings zu überwiegen...
Mit "Stonehenge" wird nun ein ultra-rares Kultalbum - 1980 als LP erschienen - neu aufgelegt, das seit Jahrzehnten von den Fans heiß begehrt gesucht wird. Natürlich hätte man die Tonspuren 'einfach' remastern und damit auf ein zeitgemäßes Niveau heben können - den Hardcore-Fans hätte dies sicherlich genügt. Aber offensichtlich hat sich hier für Chris Evans und David Hanselmann ein Arbeitsprozess entwickelt, der zwei Jahre andauern sollte und vier neue wie zwei überarbeitete Songs zeitigte.
Ob sich die 'Neulinge' gut ins Gesamtkonzept einfügen, darüber wird derzeit in Fankreisen gestritten. Meine unmaßgebliche Meinung hierzu: Sie passen sich nahtlos ein und erweitern, ja bereichern diese Kultplatte ganz erheblich, wie für mich nicht nur das episch-intensive "Guinevere" und das fast schon sakrale "The Isle Of Glass" und zahlreiche, in der Klassik angelegte Bonmots beweisen.
Thematisch dreht es sich ganz sicher nicht nur um das namensspendende, jungzeitliche Weltkulturerbe. "Stonehenge - From Then Till Now" spiegelt vielmehr die Geschichte eines ganzen Landstriches wider. Der nahezu ebenso bekannte Steinkreis von Avebury und das geschichtsträchtige Glastonbury bilden die beiden anderen Schenkel dieses mystischen Dreiecks. Der Plot bedient sich zudem ganz tief in der Artus-Sage und trifft damit noch heute (vielleicht sogar noch stärker als zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung?) den Nerv eines esoterischen Zeitgeistes.
Zunächst sei hier einmal von meiner Seite angemerkt, dass es mir widerstrebt, dieses Epos zu 'zerpflücken'. "Stonehenge - From Then Till Now" ist genau so eine Platte, in die man - am liebsten mit einem Kopfhörer bewaffnet - eintauchen und versinken möchte. Wie so oft bei einem Konzeptalbum stellt sich weniger die Frage nach der Qualität der einzelnen Versatzstücke, sondern der des großen Ganzen.
Bei der Trackliste wurde etwas gewürfelt, was den Charakter nicht erheblich verändert hat. Mal mutig spekuliert und interpretiert macht es sogar Sinn, den Eröffnungstitel der B-Seite an den Anfang zu stellen und dem Abschluss - gemeint ist in beiden Fällen die Original-LP - noch zwei Songs hinzuzufügen. "Genesis" ist thematisch als Einleitung sicherlich keine schlechte Wahl. Dem "Epilog" wird hingegen mit "Layamon's Prophecy" (ein englischer Dichter des frühen 13. Jahrhunderts) und einer neuen Version des "Stonehenge Theme" zwei Titel angefügt. Die mögliche Botschaft: Die Geschichte geht immer weiter... (was natürlich meine ganz persönliche Interpretation darstellt!!).
Um ein munteres Name Dropping kommt man leider nicht umhin, wenn man die musikalischen Einflüsse, die hörbaren 'Fingerprints' charakterisieren will. Bereits die ersten drei Songs geben - sowohl musikalisch wie gesanglich - die Richtung vor: "Sunrise" - klare (glasklarer geht es wohl kaum) Yes-Diktion, "Salisbury Plain" - ein Spiegel Alan Parsons allerbester Tage, "The Stones Of Avebury" - feinstes Barclay James Harvest-Geschrammel. Schon bei diesen drei Stücken beweist David Hanselmann die unglaubliche Wandlungsfähigkeit seiner Stimme. Hier wird überdeutlich, warum der heute 61-Jährige ein ganz heißer Kandidat auf Peter Gabriels Posten bei Genesis war. In den neuen Songs präsentiert sich der Gesang des Schwaben vielleicht nicht mehr in der Brillanz junger Tage, dafür angenehm gereift und sonor. Gerade in den neuen Werken wird ausgiebig mit Chören gearbeitet - hier ragt vor allem Beate Kynast heraus, deren fast ins Gälische ragende Phrasierungen neue Glanzpunkte setzen können. Sehr schön auch die Gregorianischen Gesänge im neu bearbeiteten "Epilogue". Im Gegensatz zu den 'organischen' Chören stehen die eher mellotron-artigen Klänge in den älteren Stücken.
Nicht nur im überaus stimmungsvollen "Silbury Hill" sind sehr folkig inspirierte Geigenklänge zu hören, was für meinen Geschmack hervorragend passt.
Richtig packend sind die Bearbeitungen von "Glastonbury" und "Cadbury Castle". Ersterer hätte einen Ehrenplatz auf Parsons "I Robot" verdient - letzterer entwickelt im zweiten Teil gar ins Krautrockige schielende Ansätze.
Als ganz besonderes Schmankerl muss man "Layamon's Prophecy" unter den 'Neuzugängen' werten, das in Struktur wie Orchestrierung fast schon an ein Epic Metal-Masterpiece erinnert. Sehr stark in diesem Zusammenhang auch "Lancelot + Guinevere", das sich an Elementen aus der Modernen Klassik gütlich hält.
Chris Evans und David Hanselmann, die in der Vergangenheit eher durch ihr Wirken in der deutschen Schlagerszene Aufsehen (oder auch nicht) erregten, präsentieren ihr "Stonehenge"-Album in einer atemberaubenden Neuauflage, die das Zeug zum Klassiker hat.
Eine Anregung an die beiden Künstler und das Label: Wie wäre es mit einer DeLuxe-Edition mit den (unbearbeiteten) Originalaufnahmen als Bonus-CD? Das würde dann viele Fans wirklich restlos glücklich machen...
Line-up:
David Hanselmann (vocals)
Christopher Evans (keyboards, plastic wind harp, East/West Symphonic, choirs, arrangements)

Additional Musicians:
Jürgen Schroeder (all acoustic guitars, electric guitar - #2,7)
Roy Louis (guitar synthesizer, electric guitar)
Tissy Thiers (bass)
Dicky Tarrach (drums, percussion)
Reinhard Besser (guitar synthesizer, electric guitar - #9,10)
Ludwig Rehberg (EMS vocoder, aeols harp)
Gunter Mende (military drums - #10)
Beate Kynast (backing vocals/choir - #7, vocal solo - #8)
Larry Mathews (irish fiddle)
Axel Jankowski (saxophones - #3)
Frank Dapper (drums - #12,13)
Torsten Bader (synthi bass - #13)
Christophoros Evangesti & Ferrolati Scolastica (choir)
Tracklist
01:Genesis (4:54)
02:Sunrise - Stonehenge Theme (6:24)
03:Salisbury Plain (6:43)
04:The Stones Of Avebury (3:33)
05:Earthmagic (2:19)
06:Silbury Hill (6:30)
07:Guinevere [new song] (4:09)
08:The Isle Of Glass - Hildegard von Bingen [new song] (2:38)
09:Glastonbury - Temple Of The Stars (6:21)
10:Cadbury Castle - King Arthur's Camelot (4:25)
11:Lancelot + Guinevere - Arthur's Battle [new song] (3:13)
12:Epilogue (4:16)
13:Layamon's Prophecy [new version] (3:38)
14:Stonehenge Theme [new version] (3:15)
Externe Links: