Nein, ein Review über das Electric Light Orchestra zu schreiben, ist alles andere als alltäglich. Der Single "Roll Over Beethoven" und dem Album "Eldorado" konnte der Freund progressiver Töne durchaus etwas abgewinnen. Ansonsten sorgten Veröffentlichungen ELOs seinerzeit eher für ein griesgrämiges Zucken der Gesichts- und Gesäßmuskulatur.
Aber heute - knapp dreißig Jahre später - durchzuckt den Ergrauenden bei all der damals als 'Schrott' klassifizierten Mucke der Siebziger ein wohliger Schauer: Bachman Turner Overdrive, Slade, Suzi Quattro, The Sweet... mit etwas zeitlichem Abstand ist das einfach nur affengeile Party-Mucke! Und das ELO kann sich da - zumindest teilweise - einreihen.
Als Jeff Lynne 1970 das Electric Light Orchestra gründete, hatten sich die Beatles gerade aufgelöst. Lynne war gleichermaßen von Beethoven, Pucchini und Verdi beeindruckt, wie von den Pilzköpfen. Die Idee war, eingängige Pop-Melodien mit orchestralem Sound zu verbinden. Gemeinsam mit seinen Bandkollegen von The Move, Roy Wood und Bev Bevan, gründete er das Electric Light Orchestra - im folgenden nur noch ELO genannt. In ihrer britischen Heimat war die Band allerdings anfangs nicht sehr wohl gelitten. Erfolge feierte man zunächst vor allem in Deutschland und den USA. Erst mit dem 1976er "A New World Record" knackte man die Top Ten auf der Insel.
Ein Liebling der Kritiker war die Band ebenfalls nicht - Rolling Stone wie Musik Express und Sounds verrissen nahezu jedes Album. Dafür war die Anhängerschaft - gerade hierzulande - extrem 'anhänglich'.
"Flashback" ist eine auch optisch wohl gelungene Werkschau, die sehr schön den Wandel ELOs im Laufe von sechzehn Jahren zeigt.
Das Debüt-Album ("Same", 1971) - auf "Flashback" u. a. mit "10538 Overture" und "Mr. Radio" repräsentiert - fällt durch einen noch ungeschliffenen orchestralen Sound auf, was in der Retrospektive sehr sympathisch rüberkommt. Irgendwie klingt das, als ob man das "Sgt. Pepper..."-Album der Beatles mit Beethoven und Bach kreuzen wollte, was auch durchaus von Lynne beabsichtigt war [siehe oben].
Während der Aufnahmen zu "ELO II" (1973), das ursprünglich "The Lost Planet" heißen sollte, verließ Lynnes wichtigster Partner, Roy Wood, wegen musikalischer Differenzen die Band. Fortan war dieser Alleinherrscher, während jener die kurzlebige, beachtenswerte Band Wizzard gründete.
Es folgte eine größere Umbesetzung des ELOs, das fortan über drei Streicher im festen Line-up verfügte. "Roll Over Beethoven" - bis heute die Erkennungsmelodie der Band - und "Mama" zeigen eine deutliche Reifung im Arrangement. Leider hat man den stärksten Song des Albums, das zwölfminütige "Kuiama", nicht auf "Flashback" gepackt. Überhaupt war kein Song unter sieben Minuten ausgefallen, was sich wenig später ändern sollte.
"On The Third Day" erschien noch im gleichen Jahr und die Songs wurden kompakter und 'poppiger'. "Showdown" zeigt dies auf "Flashback" am deutlichsten. Eine echte Perle ist das ungestüm-rockige "Ma-Ma-Ma Belle", das einen gewissen Marc Bolan an der zweiten Gitarre präsentiert.
Mit "Eldorado - A Symphony By The Electric Light Orchestra" folgte ein viel beachtetes Konzeptalbum. Jeff Lynne brachte dieses Mal, anstatt vieler Overdubs bei den Streichern, ein angemietetes Orchester. Das Design des Front-Covers stammte übrigens von Sharon Arden, die der Welt heute unter dem Familiennamen Osbourne gewaltig auf die Nüsse geht. Mit fünf Songs, darunter der Hit "Can't Get It Out Of My Head", ist "Eldorado" auf "Flashback" bestens vertreten.
"Face The Music", in den seinerzeit schwer angesagten Münchner Musicland Studios ( Queen u.a .) aufgenommen, zog nach dem etwas anspruchsvolleren "Eldorado" wieder deutlich in Richtung Hitparade. Auf "Flashback" finden sich die Singles "Evil Woman" und "Strange Magic" sowie "One Summer Dream", allesamt eingängige Popmelodien. Die Streicher heben sich allerdings wohltuend vom damals populären synthetischen 'Gekleister' der Keyboard-Samples ab.
Das 1976er "A New World Record", mehrfach mit Platin dekoriert, bedeutete den endgültigen kommerziellen Durchbruch ELOs. "Tightrope" schloss zwar noch einmal an "ELO I"- und "Eldorado"-Traditionen an, aber der Großteil der Songs war hitparaden-kompatibel ausgelegt. Ob die Schmuseballade "Telephone Line" oder der Superhit "Living Thing" - das ELO schien seinen Markenkern vergessen zu haben. Die Pop-Melodien wurden immer klebrig-süßer und die Streicher - wenn auch 'echt' - schmierten auch noch den letzten Rest von progressivem Anspruch zu. Wenigstens war mit "Rockaria" noch einmal ein feister Rock'n'Roller im "Roll Over Beethoven"-Stil dabei.
Dieser Trend setzte sich mit "Out Of Blue", dem noch erfolgreicheren Nachfolger, fort. Zudem kam jetzt noch der exzessive Einsatz der Talkbox dazu. Das Doppel-Vinyl beinhaltete aber auf Seite drei das "Concerto For A Rainy Day", das sich noch einmal äußerst positiv abheben konnte. Die Inspiration zu diesem Vierteiler holte sich Jeff Lynne seinerzeit in einem Schweizer Châlet. Leider ist von diesem Zyklus nur "Mr. Blue Sky" auf "Flashback" zu finden. Stattdessen bekommt man wieder die Hitparadeneinschläge wie "It's Over" oder "Sweet Talking Woman". Sehr schön ist allerdings, dass man die sphärische Instrumentalnummer "The Whale" in das Box-Set aufgenommen hat.
Mit dem erfolgreichsten Album der Bandgeschichte erfolgte paradoxerweise der Absturz. "Discovery" übersetzten wir seinerzeit mit 'very Disco'... Zwar wusste "Don't Bring Me Down" mit einem stampfenden Rhythmus und überzeugenden Hooks positiv aufzufallen, doch der Rest war flüssig - überflüssig. Ähnlich belanglos präsentierten sich die folgenden Alben. "Time" war erneut ein Konzeptalbum und ein erschütternder Kontrast zu "Eldorado" sechs Jahre zuvor. Aber die Dinger verkauften sich nach wie vor wie geschnitten' Brot. "Hold On Tight" und "Twilight" drehten sich nach wie vor bestens in deutschen Edel-Discos.
Das es aber noch schlimmer, sehr viel schlimmer gehen kann, bewiesen die beiden letzten Alben, die nun zur Pop-Einheitsbrühe noch elektronisches Gesülze servierten. "Calling America" und "So Serious" waren schlichtweg eine Katastrophe. Und wenn ELO dann noch einmal den guten, alten Rock'n'Roll bemühten, wie bei "Rock'n'Roll Is King" klang es einfach nur noch abgeschmackt. Es war 1986 höchste Zeit aufzuhören. Hier endet auch diese Werkschau. Das 2001er "Zoom" - von Kritikern stets als Jeff Lynne-Soloalbum betrachtet - wird ausgeblendet.
Was bleibt von "Flashback" haften? Zunächst einmal die Tatsache, dass diese Box gar nicht so neu ist, sondern nach 2000 und 2007 nun bereits zum dritten Mal herausgebracht wird. Optisch SEHR schön aufgemacht ist das Teil ein echter 'Hingucker'. Eine Retrospektive kann man selbstredend nicht nach Schulnoten bewerten. Hier stellt sich eher die Frage, ob die Schaffensphasen kompetent abgedeckt werden, was eindeutig mit JA beantwortet werden kann. Von daher kann man Interessierten das Prädikat 'kaufenswert' zurufen.
CD 1 wird sich im Hause Braun wegen der enthaltenen Songperlen sicherlich noch des Öfteren drehen - der Rest, und hierbei insbesondere CD 3, wird verstauben.
Line-up:
Jeff Lynne (vocals, guitar, piano)
Bev Bevan (drums)
Roy Wood (vocals, guitar) [1970-1971]
Colin Walker (cello) [1972-1973]
Mike de Albuquerque (bass) [1972-1974]
Michael Edwards (cello [1972-1975]
Hugh McDowell (cello, bass) [1972-1979]
Richard Tandy (keyboards) [1972-1986]
Mik Kaminski (violine, keyboards) [1973-1986]
Kelly Groucutt (bass) [1974-1983]
Louis Clark (keyboards, piano) [1974-1986]
Melvyn Gale (cello) [1975-1979]
Tracklist |
CD 1:
01:10538 Overture
02:Showdown
03:Ma-Ma-Ma Belle
04:Mr. Radio
05:Roll Over Beethoven
06:Mama (new edit)
07:One Summer Dream
08:Illusions in G Major
09:Strange Magic
10:Eldorado Overture
11:Can't Get It Out Of My Head
12:Eldorado
13:Eldorado - Finale
14:Do Ya (unedited alternative mix)
15:Mister Kingdom
16:Grieg's Piano Concerto In A Minor
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CD 2:
01:Tightrope
02:Evil Woman
03:Livin' Thing
04:Mr. Blue Sky
05:Mission (alternative mix)
06:Turn To Stone
07:Telephone Line
08:Rockaria!
09:Starlight
10:It's Over
11:The Whale
12:Sweet Talkin' Woman
13:Big Wheels
14:Shangri-La
15:Nightrider
16:Tears In Your Life
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CD 3:
01:Don't Bring Me Down
02:The Diary Of Horace Wimp
03:Twilight
04:Secret Messages
05:Take Me On And On
06:Shine A Little Love
07:Rock And Roll Is King
08:Last Train To London
09:Confusion
10:Getting To The Point
11:Hold On Tight
12:So Serious
13:Calling America
14:Four Little Diamonds
15:Great Balls Of Fire (live)
16:Xanadu (new version)
17:Indian Queen (demo)
18:Love Changes All
19:After All
20:Helpless
21:Who's That
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Externe Links:
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