"Liebe Freunde des gepflegten Wums!"
Mit dieser Begrüßung wird dem Rezensenten Appetit auf mehr gemacht - und ich musste erst einmal grinsen: Was mich da wohl erwarten wird, wenn ich meine tinnitusgeplagten Lauscher von einer derart angekündigten "Rockwumme" bearbeiten lasse?
Dies schon mal vorweg: "Monster Soul" hat mich wirklich überrollt wie ein Frühlingsgewitter!
Das Debüt der Band Electric Lizard bietet Spaßrock pur und belebt sofort die alterschwachen Knochen.
Das Teil in den Player gelegt und mich hält jetzt nichts mehr auf meinem Stuhl: Ich fange an, wie ein Känguru durch das heimische Wohnzimmer zu hüpfen und die "Elektrischen Eidechsen" bei dem Song "Pirates" mit einem lautstark gebrülltem "He He He" gekonnt zu unterstützen.
Peinlich: Das Eichörnchen da draußen schaut mich verständnislos an, klaubt im Hochgeschwindigkeitstempo sein Futter zusammen, flieht gehetzt den Baumstamm hinauf und ward von da an nicht mehr gesehen.
Naja - meine gesanglichen und artistischen Darbietungen haben dem Tierchen wohl überhaupt nicht gefallen. Sorry, ein gewisser Küblböck hätte das natürlich wesentlich besser hinbekommen als ich.
Zitat Promobeilage: "Jetzt ist aber wirklich Sense mit weltschmerzhafter Triefäugigkeit und vornehmer Zurückhaltung - das Leben ist ein Abenteuer..." und genau das vermitteln uns die drei Berliner Jungs in einer derart schnodderigen Art und Weise, dass man ihnen diese Message sofort abnimmt.
Die Lyrics hat sich Songwriter, Sänger und Bassist Sebastian Gaebel (Zitat Promobeilage:)"direkt aus dem Herzen gerissen" und erzählen solch raue und sinnige Geschichten über Affengeschlechtskrankheiten, entflohene Piraten und hedonistische Eskapaden, über die Parallelen zwischen Kannibalismus und körperlicher Liebe und über die Pflicht, hirnrissige Gesetze zu umgehen, weil man andernfalls paranoid wird.
Der Leser sieht also, alles Themen, welche die Welt berühren und massiv in ihren Grundfesten erschüttern lassen.
Irgendwelchen Trends zeigen Jacob, Olli und Sebastian den Mittelfinger: Da werden Stonerrock-Einflüsse mit Ska- und Afro-Rythmen vermixt, Hard'n Heavy-Anleihen eingeflochten und gelegentlich gibt's sogar noch etwas Akustisches auf die Ohren.
Der Opener "Laws" zum Beispiel würde auf jeder anständigen Stonerrockscheibe ungehindert durchgehen, "Muhammad Ali" wird in bester Rap-Manier dahingerotzt, "Stripping In Tokyo" ist ein feiner, nach vorn treibender Hard Rock-Kracher, "Hell" hat leichte New-Metal-Anstriche, ohne dass diese dabei übertrieben werden. Dann das akustische "Center Of The Universe", welches fast aus der Feder von Paul McCartney stammen könnte - Puristen werden wohl etwas verwirrt den Kopf schütteln, bei einer dermaßen reichen Stilmix-Vielfalt. In eine Schubladen passen Electric Lizard nun mal nicht. Pfeif drauf, es wird amtlich gerockt, mit viel Spaß an der Sache.
Mir hat es besonders der letzte Song "You've Got What You Wanted" angetan. Fast vier Minuten Spannung und Abwechslung vom Feinsten, mit tollen Hooklines versehen geht dieser Track ab wie Schmidt's Katze und knallt sofort ins Ohr. Auch hier ist man wieder geneigt, leichte Vergleiche zu ziehen - diesmal mit den Rolling Stones zu ihren Glanzzeiten: Ein Mick Jagger-ähnlicher Gesang, gewürzt mit Gitarrenriffs, die einem Keith Richards alle Ehre machen. Ein absoluter Knaller!
Ich kann mir jedenfalls vorstellen, dass die Band live eine volle Granate ist. Konzertberichte, die ich bereits gelesen habe, bestätigen meine positive Meinung. Deshalb rate ich jedem der die Möglichkeit hat, die Band anzusehen: Hingehen! Ihr werdet es bestimmt nicht bereuen.
"Monster Soul" ist eine Kaufempfehlung für alle, die den Rock'n Roll nicht so ganz bierernst nehmen und einfach nur Spaß am Musikhören haben. Leute - stellt die Lauscher auf! Hier kommen Electric Lizard und pusten Euch die trüben Gedanken aus den Köpfen!
Lange hab ich nicht mehr so viel Spaß beim Schreiben eines Reviews gehabt, wie bei diesem.
Spielzeit: 42:03, Medium: CD, Pussy Empire Recordings, 2004
1:Laws (2:45) 2:Hummingbird (3:12) 3:Muhammad Ali (3:33) 4:The Eye (4:50) 5:Monkey Itch (3:52) 6:Stripping In Tokyo (2:35) 7:Pirates (3:22) 8:Clayborne (3:48) 9:Center Of The Universe (1:45) 10:Hell (3:16) 11:No Saint (5:00) 12:You've Got What You Wanted (3:58)
Ilka Czernohorsky, 14.04.2004
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