ELF Project / Mirage
Mirage Spielzeit: 42:14
Medium: CD
Label: 10T Records, 2009
Stil: Prog Rock

Review vom 28.08.2009


Jürgen Hauß
Nachdem ich mich im vergangenen Jahr aufgrund zweier für RockTimes angefertigter entsprechender Reviews wieder vermehrt dem Musikstil Prog Rock gewidmet hatte, 'musste' ich das Angebot, die vorliegende CD zu besprechen, einfach annehmen. Nicht nur, weil auch diese als Prog Rock angepriesen wurde, sondern vielmehr wegen der Titelgleichheit zu der von mir bereits besprochenen Camel-CD. Sollte es sich hier um ein Cover-Album handeln? Um diese Frage vorweg zu beantworten: Mitnichten!
Da mir die Protagonisten der vorliegenden Scheibe überhaupt nicht bekannt waren und der beigefügte 'Waschzettel' auch nicht allzu viel Informationen enthielt, versuchte ich zunächst unter dem Bandnamen zu 'googlen' und gelangte auf diesem Weg überraschenderweise zunächst auf die Website von Project e.l.f. (man beachte die Umstellung). Hier wird eine gleichnamige CD vorgestellt, verbunden mit dem Hinweis, dass diese CD »Extremely Low Frequencies« enthalte, was durch die angebotenen Hörbeispiele rein elektronischer Musik ansatzweise auch bestätigt wird. Zudem erfolgt der Hinweis, dass das Project e.l.f. nach dem gleichnamigen US-amerikanischen Regierungsprogramm nach dem »Kalten Krieg« benannt worden sei. Hierbei handelte es sich um ein Programm der US-amerikanischen Navy, um über Extremely Low Frequencies mit U-Booten kommunizieren zu können.
Der vorliegende Review soll sich jedoch nicht mit diesem Thema sondern mit der Musik beschäftigen. Allerdings halte ich - mangels diesbezüglicher Informationen - die Vermutung, dass auch dieses ELF Project nach dem dargestellten Programm benannt worden ist, für wahrscheinlicher als ein Bezug zu gleichnamigen sozialen Projekten in Amerika bzw. einem Anti-Rauchen-Projekt an Schulen in der deutschsprachigen Schweiz Ende des vorigen Jahrtausends, die mir ebenfalls von Google unter diesem Begriff nachgewiesen wurden.
Project ELF ist in erster Linie das Projekt des Multi-Instrumentalisten Carl Schultz, der mit einer Reihe von Gastmusikern die unterschiedlichsten Titel eingespielt hat. In der Tat gehen die Informationen auseinander, ob "Mirage" im vorbeschriebenen Sinne das Werk eines Einzelmusikers oder aber einer Band ist, und - wenn letzteres der Fall sein sollte - aus welchen festen Mitgliedern diese Band besteht. Selbst auf der Website der Plattenfirma 10T Records wird unter einem Foto angegeben, dass ELF Project aus Dave Wayne, Israel Stark und Carl Schultz bestehe, während Israel Stark in der anschließenden Biografie lediglich als Gastmusiker genannt wird - wie auch zwei weitere Mitspieler, nicht aber Dave Wayne, der auch nicht auf der CD aufgeführt ist. Auch in verschiedenen bislang verfügbaren Veröffentlichungen gibt es unterschiedliche Darstellungen über die mitspielenden Musiker. Sei's drum: Entscheidend ist, was bei dem ELF Project rauskommt, und das lässt sich durchaus hören.
Und es geht sofort durchaus progrockig los. Eingeleitet von - offenbar rückwärts eingespielten - Soundschnipseln, erklingen harte Beats, bevor ein Vocoder-verfremdeter Gesang einsetzt, der stark an Moody Blues erinnert. Ähnlich produziert sind die nachfolgenden Titel "The Road Of Chance" und "Serene". Die Songs sind in erster Linie deutlich getrieben vom Bass und den Drums. Oftmals übernimmt der Bass die Melodieführung, während die Solo-Gitarre die Ausnahme bleibt. Dies ist wohl damit erklärlich, dass der Hauptprotagonist des ELF Project, Carl Schultz, der - einzige - Bassist auf der Scheibe ist. Dennoch wird schnell klar, dass auch im weiteren Verlauf mit Extremely Low Frequencies nicht zu rechnen ist.
Fast atemberaubend das Tempo der Bass-Linie in "Jackhammer", ergänzt durch vom Mellotron erzeugte Klangteppiche. Eine später noch mehrfach im Hintergrund zu hörende Lautsprecherdurchsage (Bahnhof/Flughafen?), abgelöst durch harte Drums, läutet "The Go Between", ebenfalls ein Song mit hohem Tempo, ein. Auch hier rotiert der Bass, wenn auch nicht unbedingt im Vordergrund, Carl Schultz präsentiert zudem etliche Solo-Einlagen auf diversen Tasteninstrumenten.
Kaum Unterschiede sind bei der nachfolgenden Nummer "Witchcraft" wahrzunehmen - mit der Ausnahme, dass es sich hierbei um einen Instrumental-Track handelt. Am besten gefällt mir "Shine A Light", das sich allein durch den Einsatz einer elektrischen Sitar schon von der Instrumentierung her von den anderen Songs abhebt. Leicht schluchzend wird hiermit das Intro, das sich im weiteren Verlaufe wiederholt, dargeboten. Ansonsten ist die Nummer sehr auf Mainstream gebürstet und insgesamt - wie auch sämtliche vorangegangene Stücke - sehr eingängig. Allerdings komme ich ums Verrecken nicht drauf, an welchen Song - den ich im Geiste Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts einordnen würde - mich "Shine A Light" erinnert, selbst nach mehrmaligem Anhören nicht; es ist zum Verrücktwerden.
Den Abschluss bildet das zehnminütige "Whisper The Memory Of Old", von mir frei übersetzt mit: 'Ich denk', ich steh' im Wald', denn in erster Linie strömen Grillengezirpe und Vogelgezwitscher auf mich ein. Der Song ist eher der meditativen Ecke zuzuordnen und auf NewAge-Labeln wie Windham Hill Records zu erwarten als von Prog-Rockern. Und wenn man denkt, er geht zu Ende, braust auch noch Meeresrauschen auf. Diese elektronisch erzeugten Klangeffekte werden unterstützt durch den Einsatz zahlreicher Percussionsinstrumente wie z.B. den Chimes.
Wer jetzt bei Lektüre der Setlist feststellt, dass ich zwei Tracks bislang überhaupt nicht angesprochen habe, liegt richtig. Mit "Norwegian Wood" sowie "Carolan's Welcome", übrigens den beiden einzigen nicht von Carl Schultz komponierten Stücken auf dieser CD, kann ich - jedenfalls auf dieser Scheibe - überhaupt nichts anfangen. "Norwegian Wood" ist zwar eine recht gut gelungene Kopie des Beatles-Klassikers - auch hier kommt entsprechend dem Original wiederum die elektrische Sitar zum Einsatz; vielleicht erinnert mich "Shine A Light" (s.o.) von daher an diesen Song. Demgegenüber handelt es sich bei "Carolan's Welcome" um ein solistisch von dem 'Gastmusiker' Israel Stark auf einer klassischen Gitarre vorgetragenes Musikstück, das auf einen irischen Harfenspieler aus dem achtzehnten Jahrhundert zurückgeht und auch genau so klingt. Zumindest dieser Titel passt in keinster Weise zu dem übrigen Material. Weiß der Henker, wieso diese Nummer mit auf "Mirage" gepresst wurde, möglicherweise, um wenigstens eine Laufzeit von über 40 Minuten zu erreichen. Aber auch "Norwegian Wood" stellt für mich einen Fremdkörper auf "Mirage" dar.
Wer jetzt aufgrund - oder auch trotz - dieses Reviews Interesse gefunden hat an der Musik des ELF Project, kann sich die Songs auf der Homepage der Plattenfirma anhören, übrigens jeweils in voller Länge und nicht wie üblich in dreißigsekündigen Schnittchen; ein lobenswertes und zur Nachahmung empfohlenes Angebot. Weniger positiv ist das nur vierseitige Booklet der CD zu bewerten. Der hier verfügbare Platz reicht zwar aus, um die Texte aller Songs darzustellen; dies aber um den Preis, dass sie - jedenfalls von Personen meiner Generation - nur mit Hilfe einer sehr guten Lesebrille entziffert werden können.
Gesamtbewertung? Nun ja, überwiegend handelt es sich um eingängige Songs, die durchaus ihre Wurzeln in den sechziger/siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erkennen lassen. Das Ganze ist gut produziert, was auch die lange Produktionszeit von über einem Jahr erklärt. Die aber den Prog Rock kennzeichnenden, vielfältigen musikalischen Wendungen fehlen hier jedoch überwiegend. Überraschungen sind kaum zu vernehmen, und auch die oftmals sehr kurzen Spielzeiten sprechen gegen eine derartige Eingruppierung. Von daher wäre die Schublade Pop wohl eher zutreffend, was ja nicht zwingend negativ zu verstehen ist. Nein, mir gefällt "Mirage" - von den dargestellten Ausnahmen abgesehen - durchaus.
Line-up:
Carl Schultz (vocals, bass, keyboards, guitars, electric sitar, theremin, production)
Michael Mumblo (drums and assorted percussion)
Mike Cappadozy (electric guitar)
Jared Kalman (drums - #4,6)
Jack Nemier (guitar - 34,6)
Israel Starck (solo guitar - #1,3, classical guitar - #8, electric guitars - #3,10)
David Wetra (melltron - #4)
Darcy Morrison (flute - #9)
Tracklist
01:Lessons (4:34)
02:The Road Of Change (4:05)
03:Seren (5:02)
04:Jackhammer (2:38) 05:The Go Between (4:38)
06:Witchcraft (2:22)
07:Norwegian Wood (2:03)
08:Carolan's Welcome (3:23)
09:Shine A Light (3:21)
10:Whisper The Memory Of Old (10:08)
Externe Links: