»Nie sollst du Nie sagen.« Oder wie könnte man es mit ähnlichen beflügelten Worten ausdrücken, was Eloy-Mastermind Frank Bornemann noch vor einigen Jahren sagte, als er angekündigt hatte, sich von der Bühne zurückzuziehen und auch keine CDs mehr zu veröffentlichen. Nun sind er und die Band wieder da, haben in den vergangenen zwei Jahren mit The Legacy Box und Visionary neue Scheiben auf den Markt gebracht, und sind jetzt wieder auf Tour, nachdem sie im letzten Jahr beim Burg Herzberg Festival so richtig abgeräumt hatten. Zur Freude der vielen Fans aus dem In- und Ausland, die sich alle gewünscht haben Eloy noch einmal erleben zu können. Binnen weniger Tage waren deshalb Anfang des Jahres die Konzerte ausverkauft. Dann der Schreck, als kurz vor Beginn die Tour aufgrund des Unfalls von Frank Bornemann verschoben werden musste. Zum Glück nur verschoben und nicht aufgehoben. Wie uns seine Frau aber leise im Backstage ins Ohr flüsterte, ist er noch nicht zu einhundert Prozent genesen, wovon auf der Bühne allerdings nichts zu merken war.
Ohne Vorprogramm geht es pünktlich um 20.00 Uhr sofort in die Vollen. Mein Blick auf die Set-Liste offenbart mir einen langen Abend mit allen meinen Lieblingsstücken und die Besetzung der Band, mit dem zurückgekehrten Hannes Folberth an den Tasten, ist absolut Top. Neu in der Formation, mit der Gibson Flying V in der Hand und den blonden Locken auf dem Kopf, ist Gitarrist Steve Mann aus Großbritannien. Er spielt jeden Ton in jedem Stück so perfekt, als wäre er bereits seit vierzig Jahren dabei und hätte nie etwas anderes gespielt.
"Child Migration" ist der Opener des Abends, den Bornemann mit Gesichtsmaske interpretiert. Laute Ahs und Ohs, sowie tosender Applaus kommt aus der Menge, und nicht nur der Chef der Band ist sichtlich berührt. Innerhalb weniger Minuten wird der Saal zum Hexenkessel, auch wegen der unglaublichen Hitze im Raum. Es dauert nicht sehr lange, bis alle schweißgebadet sind. Bereits nach den ersten drei Songs läuft den Musikern das Wasser über die Instrumente. Besonders zu leiden hat Drummer Bodo Schopf. Hinter seinem großen Set ist er kaum zu sehen, trommelt sich aber in jedem Stück die Seele aus dem Leib. Meine Befürchtung, er könnte bei den extrem schnellen Passagen das Tempo nicht halten, sind völlig unbegründet. Ich habe das Gefühl, er ist in der Form seines Lebens. Jeder Schlag sitzt präzise. Die Sticks rollen nur so während der Fill-In´s über die Toms und man sieht ihm dabei nicht die geringste Anstrengung an. Auch als ich mich nach dem Gig noch mit ihm unterhalte, ist er völlig entspannt, als hätte er überhaupt nichts Bedeutendes getan. Aber ihm gebührt die Ehre nicht alleine. Mit ebenso voller Konzentration bearbeitet Hannes Folberth seine sieben Keyboards. Meistens ackert er mit ausgestreckten Armen zwischen den Türmen, beobachtet dabei noch seinen PC und spielt dazu mit filigranen Fingern an den Reglern herum. Als er sich endlich seiner Jacke entledigt, ist die Anstrengung zu sehen; seine Adern in den Armen sind weit hervor getreten und kurz vor dem Platzen.
Ganz das Gegenteil, und mit Abstand der ruhigste Pol der Band, ist Bassist Klaus-Peter Matziol. Er hält sich fast immer in dunkelsten Bereich der Bühne auf, wird nie von Scheinwerfern angestrahlt, macht dabei sehr solide sein Spiel und verzieht keine Mine. Als würde er von der mitreißenden Musik überhaupt nicht in den Bann gezogen beobachtet er die Menge. Lediglich ab und zu kommuniziert er mit Drummer Bodo Schopf, um besondere Passagen abzustimmen.
Das Programm ist eine Zeitreise durch vierzig Jahre Bandgeschichte. Aus fast allen LPs und CDs wird mindestens ein Song gespielt, wobei die beiden "Ocean"-Alben, eins und zwei, die meiste Beachtung finden, und "Ocean" Teil eins fast vollständig gespielt wird. "Poseidon Creation", "Time To Turn", "The Sun Song" und "Ro Setau" sind dabei nur einige hervorzuhebende Highlights, für die Keyboarder Michael Gerlach den Klangteppich legt. Dadurch, dass er mit seinen Tasten in der hinteren Reihe steht, ist er leider kaum zu sehen. Ab und zu ist seine Stimme im Background zu hören, wenn die beiden Chorsängerinnen und die grandiose Solistin die Bühne verlassen haben. Für Gerlach ist der Gig im Postbahnhof ein Heimspiel. Vermutlich wissen nur die wenigsten, dass er in Berlin lebt und es liebt in kleineren Hallen zu spielen, um den direkten Draht zum Publikum zu haben.
Besondere optische Höhepunkte, wie Laser oder undurchdringliche Nebelschwaden bleiben in der Kiste verpackt. Die Band konzentriert sich nur auf ihre Musik und möchte das Publikum nicht durch unnötigen Firlefanz ablenken. Die rund eintausend Besucher im Saal danken es mit frenetischem Applaus und Sprechchören, die immer weitere Stücke fordern. Frank Bornemann muss die Fans zur Geduld aufrufen, man könne ja nicht alles gleichzeitig spielen. Er sieht sehr glücklich darüber aus, dass ihm und der Band so viel entgegen gebracht wird. Manchmal wirkt er bei seinen Danksagungen eher schüchtern, wendet sich dabei oft vom Mikrofon ab, und sucht den Blickkontakt nach hinten. Es scheint ihn peinlich zu berühren, dass die Menschen ihm zujubeln. Dass er nie der große Redner war, weiß jeder, deshalb hält er sich mit langen Erklärungen zurück und greift lieber zu seiner Gibson Les Paul, um die typischen Eloy Klangfarben zu spielen. Trotz seiner, oder vielleicht gerade wegen seiner Zurückhaltung strahlt der Mann etwas Besonderes aus. Er hat Charakter und Charisma, ohne überheblich zu sein. Ganz im Gegenteil, er scheint einer der bodenständigsten Musiker überhaupt zu sein und möchte mit seiner Kunst die Menschen erfreuen und zum Nachdenken anregen. Es ist ihm auch heute wieder gelungen.
Fast zwei Stunden sind inzwischen vergangen, die mir wie im Fluge vorkamen. "The Tides Return Forever" vom gleichnamigen, wieder neu aufgelegten Album läutet langsam das Ende des Hauptprogramms ein, bevor wieder einer meiner Lieblingssongs zelebriert wird. "Ro Setau", und ich bin erneut gespannt, wie perfekt Drummer Bodo Schopf die schnellen Parts meistert. Er macht es mit Links und der Damenchor singt den Backgrund dabei mit völliger Hingabe. Mit "Mystery" verabschiedet sich die Band zu einer kurzen Verschnaufpause. Würden die Besucher in der Halle nicht ohnehin stehen, gäbe es jetzt garantiert Standing Ovations während der erste Zugabenblock, bestehend aus "Decay Of Logos" und "Atlantis Agony" gespielt wird. Wieder wird die Darbietung mit tosendem Applaus belohnt und kaum eine Minute von der Bühne verschwunden, erscheinen Eloy erneut um noch einen draufzulegen. "The Bells Of Notre Dame" heißt das letzte Stück mit der kompletten Band. Danach gehört die Bühne alleine Frank Bornemann und den beiden Backgroundsängerinnen. Nur mit leiser Gitarre und den drei Stimmen verabschieden sie sich mit "Thoughts".
Ein berauschender Abend ist wie immer viel zu schnell vorbei, obwohl die Band fast drei Stunden gespielt hat. Das Programm war sehr gut gewählt, hatte für jeden Fan das Richtige dabei und ließ keine Wünsche offen. Alle Musiker, sowie die Sängerinnen sind Extraklasse. Zu keiner Zeit kam nur im Geringsten das Gefühl auf, dass hier eine 70er Jahre Krautrock-Band spielt, die es noch einmal wissen will, weil es gerade trendy ist, alte Schubladen aufzuziehen. Eloy sind fit und können noch weitere zehn Jahre auf der Bühne stehen. Selbst nach der schweißtreibenden Arbeit hat sich die Band sehr viel Zeit genommen, um am Merchandise Counter jedem Fan Rede und Antwort zu stehen und hat dabei wirklich alle Autogramm- und Fotowünsche erfüllt und derer waren es sehr viele. Wie am Stimmengewirr zu hören war, sind sogar viele Fans aus dem weit entfernten Ausland extra für das Konzert nach Berlin angereist.
Also, »Nie sollst du Nie sagen«, Herr Bornemann.
Anm. d. Red.: Das angekündigte Interview mit Frank Bornemann wurde aus Termingründen verschoben und wird noch in diesem Herbst nachgeholt.
Line-up:
Frank Bornemann (vocals, guitar)
Steve Mann (guitar)
Klaus-Peter Matziol (bass)
Bodo Schopf (drums)
Michael Gerlach (keyboards)
Hannes Folberth (keyboards)
Anke (backing vocals)
Tina (backing vocals)
Alex (backing vocals)
Setlist
Child Migration
Paralized Civilisation
Mysterious Monolith
Age Of Insanity
The Apocalypse
Silhouette
Poseidons Creation
Time To Turn
The Sun Song
Illuminations
Follow The Light
Awakening Of …..
The Tides Return Forever
Ro Setau
Mystery
Encore 1:
Decay Of Logos
Atlantis Agony
Encore 2:
The Bells Of Notre Dame
Thoughts
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