Es begab sich jedoch in den Tagen des Jahres 1971 anno domini, dass drei Jünglinge sich aufmachten, ihr Glück in einem weit entfernten Lande zu finden. Indien war das Ziel jener Mannen, welche, angetan in den bunten Gewanden der Jugend, loszogen, die Königreiche der Maharadschas zu bereisen. Jedoch, welch ein Jammer - die Leere des Dukatenbeutels stand dem Vorhaben im Wege. Die Drei aber, zwar arm an Gelde, waren durchaus helle im Kopfe und so studierten sie das Spiel der Lauteninstrumente und Flöten und übten sich gar wohl im Intonieren deutschen Liedguts. Wohin sie auf ihrer Reise auch kamen, sie erfreuten jung und alt, Mann, Weib und Kindsvolk mit ihrer Musica. Manch ein Heller fand den Weg in das Säckel der wandernden Troubadoure und so kamen sie nach entbehrlichen Abenteuern wirklich an ihrem Ziele an - Indien lag vor ihnen. Und die Lieder ihrer nunmehr entfernten Heimat waren in ihren Fingern ebenso verwurzelt wie in ihren Herzen. Und wenn sie nicht gestorben sind, so musizieren sie noch heute.
Richtig gelesen: Die Geschichte einer der einflussreichsten Bands des deutschen Folkrevival begann tatsächlich wie ein Märchen und mit einem Trip in die Welt von '1001 Nacht' und dem 'Dschungelbuch'. Der Rest ist Legende: Nach ihrer Rückkehr in deutsche Lande hatten Ulrich Freise, Hartmut Hoffmann und Thomas Ziebarth so viel Gefallen an den traditionellen Liedern und Tanzweisen gefunden, dass sie noch einige Mitstreiter um sich scharten, um fortan als Elster Silberflug Konzertsäle und Festivals durcheinander zu bringen. Damit waren sie neben Liederjan und Fiedel Michel die wichtigsten Vertreter einer jungen Folkbewegung in Deutschland. Diese war hierzulande überfällig - in Amerika hatten Bob Dylan, Joan Baez und Judy Collins es schon längst vorgemacht und auch in England lauschte ein jugendliches Publikum Barden und Troubadeusen wie Martin Carthy, Tim Hart und Maddy Prior. Dass diese Entwicklung in teutonischen Landen zunächst gehemmt war, lag schlichtweg am Missbrauch der eigenen Tradition in den dunkelsten Kapiteln unserer Geschichte. Zumindest innerhalb der Jugendkultur waren Volkslieder verpönt und spielten keine Rolle. Man stürzte sich lieber auf irische Folklore oder angloamerikanische Liedtraditionen. Zugleich regte das Vorbild von der grünen und anderen Inseln viele junge Musiker hierzulande an, sich doch auch mal mit dem eigenen Volksliedrepertoire auseinanderzusetzen. Dabei stieß man auf einen Schatz, der nun gar nichts mit Deutschtümelei zu tun hatte, sondern von herzerfrischender Authentizität sprühte. Sozialkritik, Antimilitarismus und Sehnsucht nach Frieden waren nämlich durchaus keine Fremdwörter in der brauchtümlichen Musik.
Sicher war die Deutschfolkszene, verglichen mit jener des Krautrocks, nur eine kleine Bewegung, aber doch eine ungemein wichtige und lebendige.
Elster Silberflug spielten auf nahezu allen bedeutsamen Festivals und hatten von Anfang an eine treue Fangemeinde. 1974 erschien das erste Album "Ich fahr' dahin", zwei Jahre später folgte "Komm in meinen Rosengarten". Beide gelten als klassische Werke des deutschen Folk Revivals und die LPs sind seit Jahren gesuchte Sammlerobjekte. Eine Veröffentlichung auf CD erfolgte erst jetzt, in einem anderen Jahrtausend.
Woran das lag, mag Gegenstand von Spekulationen bleiben. In den Siebzigern verlief die Geschichte der 'Elstern' wie die vieler anderer Kollegen aus der Folkszene: Mit dem Abebben des Folkrevivals verschwanden sie, wie viele andere auch, von der Bildfläche.
Allerdings reformierte die Gruppe sich bereits 1988 wieder, wandte sich mehr mittelalterlichen Klängen als dem Volkslied der Romantik zu und ist bis heute aktiv. Die Mittelalterszene boomt und bietet musikalisch manchem Altfolkie eine befriedigende Heimstatt.
Umso schöner, dass das Frühwerk von Elster Silberflug nun komprimiert auf einer CD vorliegt und somit eine Rückschau in die frühen Tage dieser stets regen und gleichermaßen einflussreichen Combo ermöglicht. Das Repertoire ist dem zu Zeiten der Romantik gesammelten Volksliedschatz verpflichtet und bietet eine muntere Mischung von Tanz- und Liebesliedern, traurigen Balladen und erfrischenden Tänzen. Die Interpretation ist ungekünstelt, dem Volksliedcharakter entsprechend und setzt auf Natürlichkeit als künstlerisches Grundelement. Genau dies macht auch die Stärke dieser Aufnahmen aus. Hier wurde keine Sehnsucht nach früheren Zeiten heraufbeschworen, sondern gezeigt, dass die Inhalte der Lieder auch in der Neuzeit ihre Bedeutung und Berechtigung haben. Und das funktioniert immer noch, rund 40 Jahre nach der Erstveröffentlichung der Aufnahmen.
Die Themen der Lieder sind schlicht zeitlos und die besungenen Motive finden sich in allen Epochen und Genres von Dichtung und Musik. Was unterscheidet das "Klein wild Vögelein" auf seinem kleinen Ästchen schon von Leonard Cohens "Bird On A Wire" und die Story um den Superhit "Lola" der Kinks ist letztlich auch nur eine transsexuelle Variante der geschilderten Erlebnisse in "Zum Tanze da geht ein Mädel mit güldenem Band". Es gibt nichts Neues unter der Sonne, die Erde dreht sich seit Menschengedenken um die ewig gleichen Fragen - nur die Verpackung ändert sich.
Die Arrangements von Elster Silberflug sind dem folkloristischen Charakter der Vorlagen verpflichtet, ohne sich jedoch im bloßen Rekonstruieren alter Spielformen zu erschöpfen. Instrumentale Finesse zeigt sich vor allem in den beschwingten Tanznummern, ist aber auch bei der Umsetzung der Lieder allgegenwärtig. Gesanglich überzeugen vor allem die mehrstimmigen Passagen, im sehr harmonischen Zusammenklang der weiblichen mit den männlichen Stimmen.
Barbara Große legt genau das richtige Maß an Emotionalität in ihre Vokalpartien und vermittelt die den Stücken zugrunde liegenden Gefühle sehr überzeugend. Flöten und Saiteninstrumente umgarnen die Gesangsparts mal melancholisch, mal mitreißend.
Alles in allem ein längst überfälliges Re-Release dieses wichtigen Kapitels bundesdeutscher Musikgeschichte. Mag uns die vorliegende CD in den Tagen der Post-Punk-Ära zunächst auch etwas brav erscheinen, wird die Musik ihre ganze Schönheit bei mehrmaligem Hinhören durchaus noch heute entfalten. Sollten aber manche Bekannte etwas bedröppelt dreingucken, wenn man im Alltag nicht mehr "Highway to Hell" sondern "Widele Wedele" vor sich hinsingt, gibt's nur eins: Klampfe rausholen und zum Mitsingen auffordern. Das war der Geist des Folk Revival - und vielleicht feiert er mit dieser und ähnlichen Veröffentlichungen fröhliche Urständ'. Es wäre zu hoffen.
Line-up:
Barbara Grosse (Gesang, Perkussion)
Ulrich Freise (Gitarre, Bouzouki, Flöten, Gesang
Hartmut Hoffmann (Gitarre, Mandoline, Flöten, Gesang)
Thomas Ziebarth (Gesang, Gitarre, Flöten)
Lutz Berger (Geige)
Diethard Hess (Bassgitarren, Flöten)
Tracklist |
Ich Fahr Dahin:
01:Zum Tanze da geht ein Mädel
02:Klein wild Vögelein
03:Ich fahr dahin
04:Sag, was hilft alle Welt
05:Junges Mädchen saß am Strande
06:Mandolinentanz
07:Heut scheid' ich
08:Wacker Mädchen
09:Laube Lindlein Laube
10:Großmutter Schlangenköchin
11:Lied vom Kräutelein
12:Ein Maidlein zu dem Brunnen ging
13:Schwartenhals
Komm in meinen Rosengarten:
14:Grüß Gott, dich schöner Maien
15:Widele, wedele
16:Ach Elslein, liebes Elslein
17:Rondeau
18:Es gingen drei Gesellen
19:Rosengarten
20:Der Minnebote
21:Windeshall
22:Lichtumflossen sinke nieder
23:Feuerlein-Tanz
24:Nächtens war ich trunken
25:Drei Laub auf einer Linden
26:Laubblätter tanzen
27:Rheinländer
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