Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis das große Schlachten nach dem tragischen Ableben des besten Metal-Shouters der Welt weitergehen würde. Egal, ob es sich um
Heaven And Hell'sche DVDs von einem Auftritt in einem ansonsten recht unbedeutenden Ort im Norden Deutschlands handelt oder die
DIO-Sets aus Donington,
Wendy Dio hat ja schon mehr als nur einmal ihr Einverständnis zur Verwertung älteren oder neueren Materials gegeben. Nun geht Niji Entertainment, was soviel wie
Wendy herself ist, sogar richtig weit zurück, zurück in Zeiten vor
DIO,
Black Sabbath,
Rainbow und sogar vor
Elf, wo
Dio bekanntermaßen in Prä-Weltruhm-Zeiten am Mikro stand.
The Elves nannte sich also
Ronnies Band, entstanden aus
The Electric Elves und wahrlich nicht die letzte Combo, in der
RJD singen oder Bass spielen sollte. Alle vorliegenden Aufnahmen stammen von 1971, also der
Elves-Ära, und wurden vom alten Weggefährten und früheren Produzenten
Dios,
Wyn Davis zwischengenommen und soundtechnisch etwas gepimpt. Dabei müssen für den Kaufinteressenten zwei Dinge von Anfang an klar sein: Es gibt keinen Metal zu hören und der Sound mutet halt etwas altbacken an. Die älteren Leser unter uns werden sich noch genau erinnern, wie ab und zu mal Langrillen auf den Markt kamen und ein Session-Feeling vermitteln konnten, das Ignoranten als Klangbrei verunglimpften. Wem jetzt das Licht angeht, dem kann beruhigend versichert werden, dass es weiß Gott nicht der Sound eines unter dem Hippie-Rock der Freundin versteckten Mikros bei einer Live-Show ist. Aber es scheint halt ein en bloc-Produkt aus dem Studio zu sein. Nicht zu vergessen die Live-Einspielungen gegen Ende der etwas mehr als 50 Minuten Zeitdokument.
Zurück zum oben angesprochenen fehlenden Metal:
The Elves haben verrockten Blues-Boogie-Honky Tonk gespielt und nicht viel mehr - und genau das gibt es auf dieser Scheibe. Eine Scheibe, die man getrost in drei Parts unterteilen kann: Zu Beginn spielen die Herren
Dio,
Feinstein,
Driscoll und
Thaler oder
Soule (s. u.) eben einige bluesig-rockige Boogie-Nummern wie "You Shook Me" oder "Buckingham Blues" und machen dann bei z. B. "Smile For Me Lady" oder "You Felt The Same Way" eine eher balladenhafte Schublade auf, nehmen das Tempo raus und lassen u. a. auch
Dios Sangesqualitäten voll zum Tragen kommen. Sehr schön kann man sich bei letztgenanntem Song das Piano in der Ecke des Studios vorstellen. Leider ist aber das Promo-Material so dürftig, dass es mir unerschlossen bleibt, ob denn
Doug Thaler, der die Band eigentlich offiziell schon 1970 verlassen hatte, oder der ihn ersetzende
Mickey Lee Soule für diese Tastenarbeit verantwortlich ist.
Nach "Simple Man", nicht zu verwechseln mit einem gleichnamigen Song einer durch einen tragischen Flugzeugabsturz dezimierten
Südstaaten-Band, wird im letzten Drittel volle Kanne gejammt. "Drown Me In The River" ist echt eine coole, damals durchaus zeitgemäße Nummer mit Passagen, die ins Endlose abzudriften drohen - sehr schön mitreißend und voller durchdringender Spielfreude. "Cold Ramona" vermittelt ein so richtig schönes Happy-Go-Lucky-Feeling mit flottem Piano und mehrstimmigem Gesang. "Little Queenie" versprüht als letzter Song Erinnerungen an das alte Live-Feeling, wieder mit dem zuerst etwas dominanten Boogie-Piano, das man früher durch ausgedehnte Sessions auf den Bühnen vermittelt bekommen hat. Und genau in diesem Stil geht der Track dann in ein die Scheibe beschließendes und munteres "Johnny B. Goode" über, nicht ohne das finale
»Thank you, we appreciate you coming out this evening!« des Meisters.
Niji hat die Veröffentlichung mit aufwändigem Hologramm-Cover und sammelwürdigen Inhalten angekündigt. Diese Aussage kann ich nicht überprüfen, da mir nur der bereits angesprochene Promo-Silberling im Pappschuber vorliegt, dessen Coverbild wohl auch noch nicht einmal die endgültige Version darstellt. Trotzdem, Kaufempfehlung? Für den Metal-Fan - eher nicht. Für den 'übriggebliebenen' Fan originärer Rock'n'Blues'n'Boogie-Musik mit Nostalgie-Feeling - durchaus. Als Zeitdokument einer Phase aus dem Schaffen eines der fähigsten Sängers unserer Zeitrechnung - unbedingt. Für den Jünger des großartigsten Rock-Sängers/Metal-Shouters - absolut.