Embercrow / Blacklight Wanderers
Blacklight Wanderers Spielzeit: 51:17
Medium: CD
Label: InnerSun Records, 2013
Stil: Atmospheric Rock (Gothic, Metal)

Review vom 04.12.2013


Steve Braun
Ist es ein Fluch oder Segen, wenn man sich in ein Genre begibt, das einen bis dato bestenfalls am Rande berührt hat? Keine Ahnung, aber zumindest ist man nicht voreingenommen. Die Rede ist vom Gothic Rock bzw. -Metal, dem man gerne nachsagt, derzeit viel zu oft im abgestandenen Trüben zu fischen. (Ich bin froh, dies nicht letztinstanzlich beurteilen zu können!) Lake Of Tears und (vor allem) Paradise Lost fand ich jedenfalls stets sehr inspirierend und da Embercrow hörbar von diesen beiden Veteranen des Genres beeinflusst worden sind, »basst des scho«.
Embercrow wurde vor neun Jahren in Hamburg gegründet. Nach der 2009 erschienenen EP "Trails To The Sun" und der Online-Single "Aeonseeker" von 2011 stellt "Blacklight Wanderers" das erste 'richtige' Album dar. Für die Aufnahmen wurde mit Stoff ein neuer Bassist gewonnen. Bleibt zu wünschen, dass sich diese CD als eine weitere Zündstufe für die hoffnungsvolle Karriere des Quartetts entpuppen kann.
Das reichlich kryptische Attribut 'gothic' gefällt mir bei der Charakterisierung der Musik Embercrows nicht so recht - 'atmospheric' trifft es für meinen Geschmack sehr viel besser. Die Hanseaten präsentieren mit ihrem Full-Lenght-Debüt einen unglaublich stimmungsvollen, extrem dicht gewobenen Sound, zumeist düster und bedrohlich, gerne auch mal mit bösartigen Growls unterstrichen oder in Moll ausgelegt. Stilistisch lässt man sich dabei überhaupt nicht festlegen: Moderne Elemente des Alternative Rock werden mit schwerblütigem Doom üppig angereichert, Schwermetallisches schimmert an allen Ecken und Ende durch, unterbrochen von so mancher eingängig-melodischen Melodielinie, sogar vor breitfächrig-progressiven Konstruktionen schreckt man nicht zurück.
Gitarre/Bass/Schlagzeug bilden die Basis, wobei Sänger Simon die Gitarrenparts munter zu mächtigen Klangwänden schichtet, zumeist ziemlich angefuzzt sägend. (Klingt manchmal so als wäre Dr. Van Helsing ausnahmsweise mal mit der Kettensäge auf Vampirjagd.) Die Rhythmusfraktion stützt diese Wände ziemlich kraftvoll ab, während die Synthesizer vorwiegend für das Setzen von musikalischen Farbtupfern genutzt werden.
Simons Stimme wird - den Texten gemäß - recht variabel eingesetzt und gefällt in all ihren Facetten, selbst in den Growls. Embercrow setzen sich mit dem ewigen Kreislauf von Leben und Tod sowie der Rolle des Menschen darin auseinander. Dass diese manchmal eine eher unglückliche darstellt, lässt sich unschwer aus den teilweise ziemlich depressiven Instrumentierungen ablesen.
An potenziellen Anspieltipps mangelt es "Blacklight Wanderers" nun wirklich nicht. Das donnernde
"In Search Of The Sun" erinnert frappierend an die ganz frühen Black Sabbath - hier allerdings nicht billig abgekupfert, sondern in völlig eigener Sache interpretiert!! Das folgende "The Eye Haunting Me" ist dramaturgisch überaus spannungsgeladen arrangiert - in den stillen wie den harten Passagen gleichermaßen packend. Richtig stark ist das doomige "In The End", das gegen Ende immer langsamer wird, um dann in Pjotr Iljitsch Tschaikowskys Adagio in C-Moll "Das Begräbnis der Puppe" (man dürfte es von Staatsbegräbnissen der ehemals sozialistischen Nachbarschaft kennen) überzugehen. Das ist schon ziemlich 'großes Kino'... "Isle Of Origins" setzt bei "The Eye..." an, setzt die Kontraste allerdings einen Tick extremer, was durch gekonntes 'Grunzen' noch akzentuiert wird.
Nach diesem starken 'Viererpack' hat Embercrow erstmal leichte Schwierigkeiten, den Spannungsbogen von "Blacklight Wanderers" auf dieser hohen Intensität zu halten. Aber spätestens mit dem atmosphärischen "A Cheerless Companion" sind die Jungs wieder im Spiel. Hier gefällt vor allem die offene Weite, in die man den Song, etwa ab der Hälfte der Spielzeit, treiben lässt. "The Eternal Dialogue" besticht durch den Dialog zwischen Clear Vocals und Growls. Das mit acht Minuten längste Stück, das abschließende "Return To The Outer Realms", spielt erneut mit sehr abwechslungsreichen, unterschiedlichen Stimmungen. Die Synthesizerfanfaren im Outro sind dagegen sicherlich Geschmackssache...
Wahrlich keine schlechte Musik zu dieser Jahreszeit! Wer gerne trübsalblasend im nass-kalten Novembernebel auf Friedhöfen rumschleicht, kommt mit "Blacklight Wanderers" voll auf seine Kosten. [Womit mal wieder fünf Euro fürs abgedroschene Klischee-Schweinderl fällig wären ;-)]
Nein, wirklich! Embercrow sind eine angenehme Neuentdeckung. Die vier Hamburger zeigen sich hier völlig unbeeindruckt vom allgegenwärtigen Schubladendenken und können mit ihren Kompositionen wie Arrangements gleichermaßen gefallen. Es wird dringend angeraten, mal ein oder zwei Ohren zu riskieren!
Line-up:
Simon (vocals, guitars)
Marcos (keyboards)
Stoff (bass, rhythm guitars)
Robert (drums)
Jakob Gozdzielewsko (backing vocals - #5,7)
Tracklist
01:Sharing Wounds (4:44)
02:In Search Of The Sun (6:28)
03:The Eye Haunting Me (4:04)
04:In The End (3:39)
05:Isle Of Origins (5:59)
06:Plainsong [Bonustrack] (5:03)
07:Vagrant Moon (4:05)
08:A Cheerless Companion (4:53)
09:The Eternal Dialogue (4:28)
10:Return To The Outer Realms (7:54)
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