Enchant sind mir das erste Mal auf einem Yes-Tribut Sampler aufgefallen. Während die meisten der anderen darauf vertretenen Bands tief in die 70'er Jahre retardierten, nahmen sich Enchant "Changes" vor - vom unter Yes- Fans meist gehassten Album "90125". Schon diese Coverversion zeugte von der überragenden Musikalität aller Akteure, aber insbesondere von Douglas Otts virtuosem Gitarrenspiel. Dieser Mann ist das, was man getrost als Supergitarristen bezeichnen kann. Er ist schnell und hat unglaubliche Melodien drauf. Darüber hinaus ist er einer der Wenigen seiner Zunft, die man am Sound und am Spiel erkennen kann.

Zugegebenermaßen musste ich das Wörterbuch konsultieren, weil mir die Vokabel "Enchant" völlig unbekannt war. Im Deutschen bedeutet sie soviel wie bezaubernd oder entzückend. Nomen est omen! Eine treffendere Beschreibung für die Enchant-Musik als dieser Bandname wird wohl niemandem einfallen. Enchant bieten Progressive Rock der Spitzenklasse. Ausgefeilte Songstrukturen werden in einem modernen Gewand präsentiert. Aber ohne, dass die Musiker ihre Rock-Roots vergessen würden. Auch entsteht nie der Eindruck, dass sich die Band mit ihren Ambitionen selbst im Weg steht und deshalb das Songwriting vernachlässigt. Den von so mancher Progressiverockband zelebrierten musikalisch-handwerklichen Exhibitionismus sucht man bei Enchant, Rock sei Dank, vergebens. Douglas Otts meisterliche Gitarrenarbeit und Ted Leonards markante Stimme sind zwar eindeutig die Eckpfeiler der Arrangements, aber diese dienen alleine dazu, die Songs und die darin erzählten Geschichten zu performen.

Jetzt wurde das alles endlich als Liveaufnahme auf eine DVD gebacken. Enchant verwöhnen die Ohren und Augen mit 23 Songs. Die Auswahl repräsentiert alle Phasen und Stationen der Band. Doug Ott schreibt im Booklet, dass "Live at Last" die erste "wirkliche" Enchant-Show ist. Sie sei gar die bisher einzige Show, bei der die Band das umgesetzt hat, was sie tatsächlich immer schon wollte: so lange zu spielen: "until we were too tired to play anymore." Eine Szene macht die Band und damit auch die DVD besonders sympathisch: zu Beginn von "Seeds on Hate" - ja genau, der Track von der CD "Blink of an Eye", mit dem unglaublichen Gitarrensolo - entgleitet Douglas Ott die Gitarre. Da wurde nichts geschnitten und nichts overdubt. Die Akkorde bleiben schief, während Sänger Ted Leonard seinem Kumpel dabei hilft, die Axt wieder umzuschnallen. Gefilmt wurde in einer kleinen Halle auf einer nicht allzu großen Bühne. Das alles macht diesen Mitschnitt so unmittelbar; Enchant hochdosiert eben.

Die zweite DVD gibt Hintergrundinformationen zu Enchant. Abrufbar sind Einzelinterviews mit den Musikern und Interviews mit einigen Fans. Unter dem Menüpunkt "Group Interview" beantworten die Enchants verschiedene Fragen - unter anderem, wie sie auf den Bandnamen gekommen sind. Ihr werdet es nicht glauben, aber Herr Ott hat im Wörterbuch nachschlagen müssen, ebenso wie ich. Er allerdings, um überhaupt auf den Begriff zu kommen. Ja, das Wort Enchant macht durchaus Probleme. Bezaubernd, nicht wahr? Interessant sind die reingeschnittenen Studiosequenzen. Sie sind ein echter Leckerbissen für alle Musikfans.
Die noch angehängte Foto-Slide Show ist ganz nett, dafür aber auch nicht sonderlich lang.

Die Tontechnik hat Dolby Digital 2.0 zu bieten. Ich bin mir noch nicht sicher, ob für mich das Fehlen von Dolby 5.1 ein wirklicher Nachteil ist. Na ja, die Option darauf wäre aber doch schön gewesen. Jeder kann ja dann den von ihm bevorzugten Modus einstellen.

Im Booklet sind dazu noch ein paar nette Bilder abgedruckt. Wenigstens ist überhaupt eins beigefügt. Kann man leider nicht von allen DVDs behaupten.

Alle Musikbegeisterten sollten sich entzücken und bezaubern lassen. Die paar Euro sind gut investiertes Geld. Spielt die DVD euren Kumpels vor und sie werden von eurem Musiksachverstand und Enchant entzückt sein.