Engelhai kommen aus Hannover und spielen deutschsprachigen Rock. Und Rock ist auch die musikalische Heimat des Vierers. Mit "Schuldigung, dass wir stör'n" bietet die Band ihre Eigenproduktion an. Mir kommt es ein wenig vor, als wenn wir die Zeit um über 20 Jahre zurück gedreht haben. Erinnern wir uns, dass es damals neben der Neuen Deutschen Welle auch eine ganze Reihe an wirklich guten Bands gab, die uns musikalisch überzeugten und dazu mit sozialkritischen Texten zum Nachdenken brachten.
Hätte damals die Gefahr bestanden, im Sog der viel zu vielen Veröffentlichungen auf diesem Gebiet unterzugehen, ist der Zeitpunkt für Engelhai gar nicht so schlecht gewählt.
Für die Musik zeichnen sich Gitarrist Harry Brandes und Sänger Daniel Schulz verantwortlich. Die Lyrics liegen zum größten Teil bei Daniel alleine. Die Musiker wurden allesamt von verschiedenen Interpreten aus dem Rock-Business beeinflusst. So lässt sich das nicht auf einzelne Charaktere fokussieren, sondern das Spektrum reicht nach Angaben des Leadsängers von Jimi Hendrix bis zum Flamenco-Experten Cameron De La Isla.
Die Scheibe eingelegt, bekommt man von Engelhai powervollen Hard Rock, der sich weitestgehend im Midtempo befindet, geboten. Schon der Eröffnungssong "Schuldigung, dass wir stör'n" lässt erahnen, worum es der Band geht. Die textlichen Aussagen sind ehrlich und trotzdem will die Formation ausschließlich Spaß haben.
Ausgegebenes Ziel: »Touren, touren und nochmals touren«, so Daniel Schulz auf Anfrage.
"Alles was ich will" zeigt, wie sehr es ums Rocken geht. Keine zu komplizierten Gitarrenriffs und ein Gekonntes in den Mittelpunktrücken der Texte.
Aktuelle Themen, die sich mit Hartz IV geradezu aufdrängen, werden in "Die wahren Asis" natürlich an die Herren Politiker gerichtet, jedoch geht es auch darum, persönliche und realistische Schicksale der ehrlichen und schaffenden Bevölkerung zu offenbaren. Dabei werden auch keine Gerechtigkeitslücken im gesamtweltlichen Erscheinungsbild ausgelassen. Alles nicht neu, aber aktueller denn je. Die Fans neigen wieder mehr dazu, sich mit den aktuellen Problemen auseinander zusetzen und das alleine rechtfertigt natürlich, dass dieses Schema durch Engelhai erneut aufgegriffen wird.
Ist es nicht so, dass sich leider im östlichen Teil der Bundesrepublik kaum noch zu beherrschende Probleme in den letzten Jahren etabliert haben? Da werden dann von Engelhai Originalaufnahmen der revolutionären Montagsdemos aus dem Jahr 1989 in Leipzig verwendet. Man spricht von Illusionen, die sich aus vermeintlicher Lebenslust, Hoffnung auf Reichtum und Freiheit zusammen gesetzt haben.
Man merkt schon, dass sich die Band von keinerlei Trends beirren lässt. Sie geht ihren eigenen Weg und ist dabei sogar bereit, einen Plattendeal abzulehnen um nur das weiter machen können, was sie selbst möchte.
Hier werden so grundsätzliche Aussagen wie »Man soll sich selbst nicht so ernst nehmen« oder »Man soll das Glück nicht von materiellen Dingen abhängig machen« mit eingängiger, allerdings auch nicht allzu kreativer Rockmusik untermalt.
Da es dies in den letzten Jahren aber auch nicht mehr allzu oft gegeben hat, ist diese Platte auch für mich mal wieder eine gelungene Abwechslung. Deutschrock mit kritischen und stellenweise nachdenklichen Texten eben, aber fernab vom Schmusekurs, wie es PUR oder andere Bands heutzutage noch zelebrieren.
Der Sound der Eigenproduktion ist übrigens sehr gut.
Line-up:
Der Schulz (Vocals)
Harry (Gitarre)
Maronna (Bass)
Flo (Schlagzeug)
Spielzeit: 42:31, Medium: CD, Eigenproduktion, 2006, Deutschrock
1:Schuldigung, dass wir stör'n (3:21) 2:Alles was ich will (3:21) 3:Was hast du bisher vermisst (3:59) 4:Du bist nicht allein (3:42) 5:Die wahren Asis (4:05) 6:Rock 'n' Roll Rettungskommando (5:23) 7:Michelle (3:30) 8:Gold zu Brot (3:52) 9:Enddarmdelta (3:25) 10:Herzlich Willkommen (3:38) 11:Regenbogen (4:10)
Ralf 'Jogi' Ruhenstroth, 11.08.2006
|