Ensemble Denada / Windfall
Windfall Spielzeit: 45:00
Medium: CD
Label: Ozella Music, 2013
Stil: Jazz

Review vom 10.10.2013


Wolfgang Giese
Wir haben es hier mit einer Big Band zu tun, aber nicht mit Musik, die man üblicherweise von Big Bands kennt. Überhaupt ist diese Musik anders als das, was man unter übliche Hörgewohnheiten einordnen mag. Der Komponist beschreibt sie und auch seine Definition von "Windfall" dergestalt: »A swimming moose, crossing a West Norwegian fjord far away from its usual habitat can become a jazz song in 5 / 4. A misplaced letter U in the itinerary for a jazz teaching class can turn into a weird tune about a sofa on a wild sleighride down a steep hillside. An airport restroom with a 220 V power outlet charging a composers laptop at 3 AM can be the windfall leading to a sold out show at the London Jazz Festival.«
Sehr treffend werden so spontane Wendungen beschrieben, die einander ständig die Klinke in die Hand geben. Es handelt sich um Kompositionen des norwegischen Jazzmusikers Helge Sunde, der als musikalischer Direktor und Posaunist tätig ist.
"Windfall", kann Fallobst oder Windwurf heißen. Auf jeden Fall geschieht hier etwas Überraschendes, womit der Bogen zur Musik schnell gespannt ist. Vertrackte Arrangements der Bläser stoßen auf Samples, die knallhart eingeworfen werden und den Fluss stören, ihn brechen, plötzlich und unerwartet, wie fast alles, das sich entwickelt. Ursprünglich stammt die Musik aus einem Livekonzert aus dem Sendesaal Bremen vom Oktober 2012. Die Überarbeitung und der Einbezug der Samples geschah hinterher im Studio, ohne dass der Liveeffekt zerstört wurde. Instrumente wie die Tubax sorgen ebenfalls für Überraschungen, sogleich im zweiten Titel, bei dem sich Nils Jansen mit diesem Instrument solistisch eindrucksvoll und knurrend einbringt.
Diese Musik erscheint einzigartig und mitreißend und fordernd. Kaum hat man sich an einen bestimmten Rhythmus gewöhnt, eine Melodie wahrgenommen, schleicht sich ein Stückchen Funk ein, kommt ein freier Ausbruch eines Saxofons, kratzen elektronische Geräusche mittenrein, dann scheinen Elemente der skandinavischen Folklore kurz aufzutauchen, klassischer Big Band-Sound mischt sich mit diesen einheimischen Klängen, stapft mit groovenden Schritten in Richtung Fusion und lässt auch mal der Gitarre rockende Einwürfe zu. "Seven Winds", das könnte ein Titel aus dem Hause ECM sein. Er erinnert mich stark an Arbeiten von Eberhard Weber mit Rainer Brüninghaus. Auch die schöne Ballade "The Entire Truth" mit dem klaren und lyrischem Gitarrensolo passt hinsichtlich des Ausdrucks in diese Sparte.
Drei der Stücke sind übrigens einem norwegischen Dichter, Olav H. Hauge, gewidmet - einem norwegischen Apfelfarmbesitzer, der, nachdem er aus Amerika einen Gedichtband erhielt, zu dichten begann und im Alter von sechzig Jahren damit seinen Durchbruch schaffte. Fallobst passt insofern auch wieder, ein weiterer Brückenschlag. So wie Hauge aus den Vereinigten Staaten inspiriert wurde, so ist es mit Sicherheit auch die Musik von Sunde.
Diese Kompositionen sind für mich als langjährigem Jazzfan in Teilen sicher Neuland, und zwar dergestalt, dass bekannte Strömungen und Sichtweisen auf diese ungewöhnliche Art neu arrangiert und zusammengeführt wurden. Ganz große Klasse ist das! Trotz der Vielfalt an Instrumenten, dieser eigentlich tönenden Macht, geht Sunde damit sehr behutsam vor und lässt nicht zu, dass zu kraftvoll agiert wird. Das Schaffen von Klangbildern sehe ich im Vordergrund und so wirkt die Musik allein durch kluge und effektive Nutzung der Ressourcen bereits sehr interessant und wirkt dadurch ständig so, als entdeckte man Neuland. Musik, die sich mit Sicherheit nicht schnell abnutzen wird.
Auf das Ensemble Denada sollte man verstärkt achten, besteht es doch darüber hinaus noch durchgehend aus hervorragenden Musikern!
Line-up:
Helge Sunde (trombone, musical director)
Frank Brodahl (trumpet)
Marius Haltli (trumpet)
Anders Eriksson (trumpet and flugelhorn)
Erik Johannessen (trombone)
Arild Hillestad (trombone)
Frode Nymo (soprano saxophone)
Børge-Are Halvorsen (alto saxophone, alto flute)
Atle Nymo (tenor saxophone, bass clarinet)
Nils Jansen (bass saxophone, tubax, contra alto clarinet, alto flute)
Peter Baden (sampling, rhythmic and harmonic electronics)
Jens Thoresen (guitar)
Olga Konkova (piano)
Per Mathisen (bass)
Håkon Mjåset Johansen (drums)
Tracklist
01:The Speedcouch [Sic] (6:15)
02:Moosic (7:13)
03:Seven Winds (5:30)
04:(The Road To) Damascus (6:54)
05:The Entire Truth (7:32)
06:Sidewalk (4:50)
07:The Arrow (6:47)
(all compositions by Helge Sunde)
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