Im Jahr 1969 trafen sich in einem Dortmunder Übungskeller die Engländer Cliff Jackson (guitar, vocals) und Jim McGillivray (drums) mit dem deutschen Bassisten und Sänger Bernd Kolbe und gründeten Fagau's Epitaph. Diesen Bandnamen verkürzten sie nach dem Einstieg des zweiten Gitarristen Klaus Walz Anfang 1970 auf Epitaph.
Nach der Unterzeichnung eines Plattenvertrages mit Polydor nahm die Band in den Londoner Wessex Studios ihr Debutalbum auf. Doch die LP blieb in den Regalen stehen, genau wie das Nachfolgewerk "Stop, Look & Listen".
Ende 1972 wurde Schlagzeuger McGillivray durch Achim Wielert ersetzt, und Epitaph tourten nun noch intensiver durch Deutschland und Europa. 1973 machten sie den Anheizer für so bekannte Gruppen wie Rory Gallagher, Golden Earring und Status Quo, wobei sie nicht selten den Topacts die Show stahlen.
Trotz der mäßigen Verkaufszahlen ihrer Alben gab es inzwischen eine feste Fangemeinde in Deutschland, und Epitaph profilierte sich als fester Bestandteil der Krautrockszene, obwohl ihr melodiöser Hardrock eigentlich gar nicht in dieses Klischee passte. Es gab keine schweren Orgelgewitter, dafür standen die beiden Leadgitarren im Vordergrund, und oftmals dominierte ein sehr schöner Harmoniegesang von Kolbe und Jackson die Szenerie.
1973 nahmen Epitaph als erste deutsche Band mit "Outside The Law" ein Album in den USA auf, das musikalisch wirklich gut war, aber durch Fehler beim Abmischen durch einen ziemlichen Garagensound auffiel. Bis 1974 folgten noch zwei weitere USA Tourneen, die die Gruppe aber durch wahnsinnig hohe Transportkosten in den finanziellen Ruin trieben. Das Ganze ging soweit, dass die komplette Anlage verkauft werden musste. Als dann auch noch ihr amerikanisches Plattenlabel Pleite ging, löste sich Epitaph im Januar 1975 auf, um größeren Forderungen ihrer Gläubiger aus dem Weg zu gehen.
Im Sommer 1975, exakt nach Ablauf ihrer Vertragsverpflichtungen, kam es zur Neugründung in der Originalbesetzung, doch schnell wurde klar, dass Epitaph immer mehr in Richtung Mainstream abdriftete. Der Sound wurde immer keyboardlastiger (inzwischen war der Organist Michael Koch eingestiegen) und plätscherte nur noch so dahin.
1977 verließen Kolbe und Walz die Band und wurden durch Harvey Janssen (bass) und Heinz Glass (guitar) ersetzt. Doch der alte kraftstrotzende Sound war dahin. Bis 1982 wurden zwar noch vier weitere Alben veröffentlicht, die aber alle musikalisch nichts mehr bewegten. Lediglich die LP "Live" von 1981 hatte noch einmal den Schwung aus der Anfangszeit. 1984 trennte sich Epitaph endgültig.
Doch im Jahr 2000 bestätigten sich endlich die schon lange hinter vorgehaltener Hand kursierenden Gerüchte um eine Reunion der Krautrocklegende. Am 22. Januar kam es in der Lindenbrauerei zu Unna zu dem Wiedervereinigungskonzert. Fans aus ganz Deutschland waren aus dem Häuschen und sorgten für den passenden Rahmen. Jackson, Kolbe, Wielert und Heinz Glass, der für den inzwischen zu Jane abgewanderten Klaus Walz wieder mit dabei war, waren wohl in sich gegangen und hatten sich auf die alten Tugenden von Epitaph besonnen. So standen hauptsächlich Titel von den ersten drei Alben auf dem Programm, ergänzt durch drei spätere Stücke, die allerdings musikalisch perfekt ins Programm passten.
Mit "Early Morning" vom Debutalbum geht es gleich mit einem Meisterwerk los. Dieses über acht Minuten lange Opus, das so ruhig beginnt und sich dann in eine wahre Soundorgie steigert, zieht jeden Rockmusikfan in seinen Bann und lässt ihn nicht mehr los bis auch die letzten Kräfte schwinden. Dabei klingt mir Bernd Kolbes Urschrei im Stile eines Joe Cocker immer wieder in den Ohren.
Es folgt mit "Bad Feeling" vom Album "See You In Alaska" ein Losgehrocker mit absolutem Mitsingeffekt, bevor mit "Visions" die wohl beste Ballade des Konzertes folgt. Hier hat Kolbes Stimme fast etwas Beschwörendes. So ausdrucksstark kommt er rüber. "Crossroads" vom Album "Stop, Look & Listen", sowie "Woman" und "Big City" von "Outside The Law" rocken dann wieder richtig los und verwandeln den Saal in ein Tollhaus.
Die beiden Titelsongs der eben erwähnten CDs tun ein Übriges. Die beiden Lead Gitarren erinnern oft an Andy Powell und seine Band Wishbone Ash, und die Songs sind mit ihren Tempowechseln auch fast so vielseitig. Das sind wirklich Meisterwerke, die mich auch nach über dreißig Jahren noch begeistern.
Mit dem letzten Song "Ain't No Liar" hauen Epitaph dann nochmal alles raus, was der Körper hergibt. Noch einmal kommt die wahre Urgewalt dieser Gruppe zum Vorschein und begeistert das anwesende Publikum bis ins Mark.
All das hört man auf diesem Livetonträger deutlich raus. Die Spielfreude der Band und die frenetisch mitgehenden Fans werden exakt rübergebracht. Dazu kommt noch ein Sound, den ich bisher ganz selten zu Ohren bekommen habe. Schon gar nicht bei Live Mitschnitten. Also hier sind Eure Fensterscheiben in akuter Gefahr, sobald Ihr Euch von der Stimmung mitreißen lasst. Und das passiert ganz schnell!
Übrigens hat die Rocktimes Redaktion Epitaph zweimal beobachtet, und egal ob ich, der mit der Musik von Epitaph groß geworden ist, oder mein junger Kollege, der sie zum ersten Mal hörte, wir waren beeindruckt von der Dynamik und Kraft dieser Gruppe.
Deshalb klare Empfehlung von mir: "Besorgt Euch diese Live Scheibe und seht Euch Epitaph auch auf der Bühne an. Ihr werdet es nicht bereuen!"
Spielzeit: 69:47 Minuten, Medium: CD, 2000
1:Early Morning 2:Bad Feeling 3:Visions 4:Crossroads 5:Woman 6:Big City 7:Little Maggie 8:Outside The Law 9:Stop, Look & Listen 10:Ain't No Liar
Jürgen Bauerochse, 18.08.2005
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