Für gewöhnlich fällt es mir schwer, einem Konzert einer Cover- oder Tribute-Band beizuwohnen, besonders wenn das Original noch existiert. Nun bin ich vom Alter leider nicht in den Genuss gekommen, die Beatles auf der Bühne zu erleben, deshalb wurde mir die Entscheidung leicht gemacht, das Musical "All You Need Is Love" anzusehen. Mit welcher Erwartungshaltung macht man sich jetzt auf den Weg in den, für diesen Anlass, perfekten Admiralspalast? Die Band, die in diesem Stück die 'Fab Four' interpretiert, wurde im Vorfeld bereits mit Lobeshymnen überschüttet. Sie treten seit Jahrzehnten in Las Vegas auf und sind somit die Besten! So die Ankündigungen in verschiedenen Portalen.
Bereits nach fünf Minuten bin ich von der Ausstrahlung der Band Twist & Shout völlig fasziniert. Im Outfit des Konzertes auf dem Dach der Abbey-Road-Studios, also ihres letzten öffentlichen Auftritts, bringen die Vier das Publikum im ausverkauften Haus sofort von null auf hundert. Einstieg gelungen, aber sollte das nicht besser am Ende stattfinden? Nach diesem kurzen Intermezzo mit zwei Songs aus dem Abspann ihrer Karriere beginnt die chronologische Handlung. Um den Zuschauern im Saal ein gewisses Verständnis über den Werdegang der Beatles zu vermitteln, wurde für die Tour im deutschsprachigen Raum der Berliner Schauspieler Frank Kessler angeheuert. Er ist unter anderem als Tatort-Kommissar sowie in verschiedenen Serien über die Bildschirme geflimmert und ich muss zugeben, er leistet auch heute Abend eine hervorragende Arbeit. Kessler spielt einen schlaksigen Roadie, der mal die Bühne aufräumt oder umbaut, aber in erster Linie mit einem enormen Fachwissen glänzt, welches er in den Songpausen zum Besten gibt. Sein Bikeroutfit ist zwar nicht immer der Zeit entsprechend, aber darüber sehen alle Anwesenden großzügig hinweg. Er erweist sich als sehr guter Unterhalter und angenehmer Überraschungsgast der Show.
Rund eine Stunde vergeht bis zur Pause. In dieser Zeit wird besonders die Phase der Beatles in den Vordergrund gestellt, in der sie noch niemand so richtig kannte. In verschiedenen Bühnenbildern werden die Auftritte im Cavern-Club, im Star-Club, im Kaiser-Keller und im Aufnahmestudio gespielt, als sie noch unter den Fittichen von Bert Kaempfert standen, der sie lediglich als Begleitband für Tony Sheridan missbrauchte, ohne ihre eigenen Qualitäten zu erkennen. Bis es dazu kommt, dass das Quartett die ersten eigenen Songs performt, dauert es für meine Begriffe viel zu lange. So kommen die großen Hits der 'Pilzkopf-Ära' kurz vor der Pause und sind dadurch viel zu wenige. Zwischendurch werden immer wieder in Theaterhandlungen besondere Ereignisse dargestellt, wie der Managerwechsel, oder der Wechsel von Pete Best zu Ringo Starr. Selbst Gitarrist Stuart Sutcliffe kommt in einem Song zum Zuge, nur leider steht er dabei völlig Abseits im Halbdunkeln zwischen den Kulissen. Wenn schon die Vorgeschichte endlos ausgeschlachtet wird, hätte er deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient.
Die bekommt dafür kein geringerer als 'Das Becken' Elvis Presley. Der Darsteller ist eine absolute Granate. Die Stimme sensationell, das Aussehen ebenfalls, allerdings frage ich mich, was der dort auf der Bühne zu suchen hat. Ich mag mich täuschen, kann mich aber nicht daran erinnern ihn jemals mit den Jungs aus Liverpool gemeinsam auf der Bühne gesehen zu haben. Trotzdem war diese musikalische Einlage etwas aus dem obersten Regal.
Wenn ich schon bei Authentizität bin, dann ist es jetzt an der Zeit etwas über Twist & Shout zu sagen. Die Kleidung ist natürlich immer absolut der jeweiligen Epoche angepasst. Bis auf die Stimme von Ringo - er näselt ja etwas - ist alles täuschend echt. Egal ob der Darsteller von John Lennon oder der des Paul McCartney singt, mit geschlossenen Augen sind nur minimale Unterschiede hörbar. Sicher ist es extrem schwer, Doppelgänger zu casten, die in allen Punkten aufs Haar identisch sind. In diesem Fall sind es Volltreffer. Jede Geste, jede Bewegung, einfach alles sitzt bis ins kleinste Detail.
Zudem spielen sie auf den gleichen Instrumenten von damals jede Note perfekt und es ist ein absoluter Genuss ihnen zuzusehen und zuzuhören. Einziges Manko ist lediglich der Umstand, dass McCartney mit der rechten Hand seinen Bass bedient.
Nach der Pause beginnt die Phase, mit der ich mich mehr identifizieren kann. "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" legt los und die Beatles toben sich in ihren experimentellen Kunstwerken aus, bis die Schwarte kracht. Genau diese zweite Stunde vergeht wie im Fluge und nicht nur ich wünsche mir sehr viel mehr von den hochkarätigen Songs. Die Show könnte nun locker noch drei bis vier Stunden weiter gehen, aber dann hätte die Band auch gleich alle Alben der Reihenfolge nach durchspielen können. Für welche Songs entscheidet man sich nun, wenn die Anzahl der beliebten Lieder deutlich höher ist, als das festgesetzte Zeitlimit? Gerade in der Phase, als die Musik komplizierter wurde und viel mehr Instrumente zum Einsatz kamen, wäre es ja deutlich
aufwendiger, das alles auf die Bühne zu bringen. Sicher wird es einigen Zuschauern dabei auch entgangen sein, dass bei einigen der letzten Songs die Tontechniker ihren Teil dazu beigetragen haben und die fehlenden Instrumente von der Konserve zugefügt haben.
Trotz allem ist die Show sehenswert. Viele der Zuschauer haben sich extrem in die Aufführung hineingesteigert und dabei anscheinend vergessen, dass dort nicht die originalen Musiker performen. Damit ist der Sinn und Zweck vollkommen erfüllt und die Illusion perfekt. Das Preisniveau der Tickets ist zumindest in Berlin an der oberen Schmerzgrenze für eine Tribute-Band. Sicher liegt das am Ambiente des vornehmen Hauses. In anderen Städten, die auf der Tour angesteuert werden, mag das durchaus anders sein, dennoch, wer eine Zeitreise erleben möchte, der sollte sich das Spektakel nicht entgehen lassen.
Vielen Dank an Janine Worotnik und das Concertbuero-Zahlmann für die Akkreditierung.
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