Das Kronacher Open Air ist eine Veranstaltung des Jugend- und Kulturtreffs Struwwelpeter und fand zum zweiten Mal am 29.07.2006 auf dem Gelände der früheren Landesgartenschau (2002) am Rande der Stadt statt. Zuvor gab es unter gleicher Leitung das ähnlich orientierte InGe (Industrie-Gelände) Rockt in der Stadt.
 Das Struwwelpeter und sein umtriebiger Leiter, Lars Hofmann, laden öfters Bands zu sich ein, die musikalisch in einem recht weiten Bereich angesiedelt sind, Scheuklappen gibt es kaum. Ähnlich die Zusammensetzung der beiden bisherigen Festivals, die auch lokalen Gruppen ein Podium boten. Diesmal waren mit Braindaence und Rockerij zwei Kronacher Formationen und mit Stilistico eine weitere aus dem Großraum Oberfranken vertreten. Mit den Human Hamster Hybrids aus Erlangen stand ein etwas bekannterer Name auf der Bühne.
 Mein Einstieg kam am Abend, als die multinationale Band Sexto Sol (beheimatet in Kiel) dem doch leider wieder sehr überschaubaren Musikfans einheizte. Dazu muss gesagt werden, dass das Gelände recht weitläufig ist und sich die Bühne in einer kleinen Senke befindet. Oben auf dem Hochwasserdamm standen die Verpflegungsstände samt Biertischgarnituren und die waren wesentlich besser besetzt, als der Raum vor der Bühne. Zu Beginn des Open Airs hatte es zwar kurz geregnet, die Temperatur war jedoch auch um 20 Uhr so warm wie in den letzten Tagen. Also beste Voraussetzungen.
 Klar stellt sich die Frage, warum ein solches Festival, einmal im Jahr und im ganzen Landkreis, nicht mehr Publikum anzieht, das sonst den teuren Coverbands die Bude einrennt. An den 12 Euro Tageskasse (10 Euro VV) - daran kann es kaum gelegen haben. Trotzdem waren die, die gekommen waren, alters- und orientierungsmäßig recht gemischt. Nachwuchspunks hüpften neben einem Alt-Hippie, Metal-Kutten neben Ben Harper-T-Shirt, selbst ein Allgäu Power-Anhänger tauchte mal auf. Auch die Preise am Getränkewagen, an der Mexikanerbude und am Pizzawagen hatten übliches Kronach-Level. Irgendwie haftet der Veranstaltung doch noch das "Jugendtreff-Alternativ-Image" an, das wohl auch die Leute, die man sonst überall bei der Mucke trifft, abhält.
Sexto Sol boten eine Mischung aus heißen Latinorhythmen, Ska und Punk und entpuppten sich als keineswegs nur kleiner Bruder der mexikanischen Panteón Rococó. Der Funke sprang über und die ersten Fans zappelten vor der Bühne. Mit zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug, Gesang, Congas und zwei Saxophonen machten die Jungs aus Deutschland, Venezuela und Portugal mächtig Dampf.

Nach einer Stunde wurden sie von dem Hamburger Trio Montreal abgelöst, das in bester Ärzte-Manier loslegte. Gemäßigter Spaß-Punk mit deutschen Texten - das kam beim ganzen Publikum an. Vor allem, weil die beiden Frontmänner die Fans gleich einwickelten, die bereitwillig jeden Gag mitmachten. Mittlerweile hatte sich die Nacht über die Talaue herabgesenkt und die Spots tauchten die Bühne vor der Kulisse der gewaltigen Kronacher Festung in ein ansehnliches Licht. Leider hatten die Stageleute, die einen guten Sound hinzauberten, vergessen, den Schlagzeuger zu beleuchten, der so ziemlich im Dunkel rumklopfen musste. Dass die Band aus der St. Pauli-Metropole war, sah der Fußballfan übrigens schon an der Gitarre. Wenn sich die Ärzte zur Ruhe setzen, steht mit Montreal der Nachfolger schon parat. Gut machten sich auch nächtens die 'Schwedenfeuer' (aufgespaltene Holzstämme, die von innen heraus brennen) und eine 'Pennertonne' im Gelände.
 Als letzte Band sollte die Pressgang aus England mit ihrem Folk Rock die laue Open Air-Nacht beschließen. Doch leider hatten die Jungs - kaum zu glauben - schlichtweg das Flugzeug in London verpasst und damit den Veranstalter natürlich in eine missliche Lage gebracht. Dankenswerterweise erklärten sich Sexto Sol bereit, noch mal eine halbe Stunde draufzugeben. Die Zuhörer nahmenīs ohne Murren hin, wohl auch, weil in der zwischenzeitlich gehobenen Bierstimmung eh Party angesagt war. Dass die Band nun ebenfalls ein paar 'Cervesas' intus hatte, war wohl eher Öl ins Feuer als hinderlich. Der zweite Set der Band, auf der voll ausgeleuchteten Bühne und vor der Kulisse der inzwischen ebenfalls glutrot angestrahlten Festung, war eine Steigerung um mindestens zwei Klassen.
 Leider wurde es der Truppe unter der Frontbeleuchtung zu heiß, die sie dann abschalten ließ (von da an gabīs nur noch 'Scherenschnitte' zu fotografieren). Jetzt ging es aber wirklich höllisch ab und die Jungs steigerten sich von Song zu Song. Die Leidenschaft war greifbar, zumindest für die, die noch zuhören konnten und wollten. Sexto Sol sind beileibe nicht nur eine Band, die Tanzbares produziert, sondern auch eine sozial und politisch engagierte. Dazu muss man kein Spanisch können (die Sprache der Songs), um die Wut über den Todeszaun, den die USA an ihrer grünen Grenze zu Mexiko installiert, und die Unterdrückung in anderen lateinamerikanischen Länder zu verstehen. Ein heißer und auch musikalisch sehr guter Abschluss des Festivals, bei dem sich die Band noch mal eine ganze (!) Stunde lang verausgabte. Muchas Gracias Amigos!
In dieser Woche war auch die mittelalterliche Altstadt von Kronach nachts künstlerisch illuminiert, was ebenfalls eine tolle Lightshow als Background für das Festivalgelände abgab.
Aber fragt mich nicht, was ARTiG heisst
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