Samstag, 1. Oktober 2011. Herrlichstes Spätsommer-Wetter bildet einen ausgezeichneten Rahmen für einen bereits seit langem geplanten Kurztrip nach Stockholm. Auf dem Programm steht natürlich auch ein Besuch der (teilweise) malerischen Altstadt Gamla Stan, die auf einer zum Stadtbezirk Södermalm gehörenden Insel liegt. Nach einem fast vollständigen Rundgang durch die kleinen Gassen und Gässchen erreichen wir gegen 16.00 Uhr die Straßenecke Stora Nygatan/Stora Gråmunkegränd am nordwestlichen Rand von Gamla Stan.
Vor einem Gebäude stehen etliche, mit Biergläsern ausgestattete Personen herum oder sitzen auf den hier typischen schmalen Sitzgruppen entlang der Hausfassade (die in Gamla Stan jeden Winkel für Außengastronomie ausnutzen). Aus dem Gebäude dringt Musik, die sofort meinen Geschmack trifft. Ein an einem Zaun angebrachtes Transparent weist darauf hin, dass im Stampen jeden Samstagnachmittag eine Blues Jam-Session stattfindet. Da komme ich ja genau zur richtigen Zeit an den richtigen Ort!
Ich bahne mir einen Weg durch die Menschenansammlung und betrete eine rappelvolle Kneipe, so der erste Eindruck. In dem nicht allzu groß erscheinenden Raum, der durch eine Unzahl von Devotionalien äußerst vielfältig dekoriert ist, stehen dichtgedrängt zahllose Menschen, unterhalten sich oder lauschen aufmerksam der Musik, die von einer - von hinten nicht erkennbaren - Bühne aus präsentiert wird. Dort stehen ebenfalls dichtgedrängt zu diesem Zeitpunkt zwei Gitarristen, ein Bassist, ein Schlagzeuger sowie ein Bluesharp-spielender Sänger und interpretieren auf äußerst lebendige Art und Weise Bluessongs.
Wer da auf der Bühne steht - ich weiß es (jedenfalls in diesem Moment) nicht - und was sie da gerade spielen - kann ich ebenfalls nicht sagen (ein Titel war jedenfalls "All Along The Watchtower") - aber darauf kommt es mir in diesem Beitrag auch nicht an. Vielmehr möchte ich lediglich diese Kneipe - ach, was sage ich: Institution - in Stockholm kurz vorstellen und jedem Blues-affinen in Schwedens Hauptstadt Reisenden wärmstens ans Herz legen.
Stampen heißt der Laden, bezeichnet sich selbst als »World Famous Jazz & Rhythm'n'Blues Pub in Stockholm« und bietet nahezu täglich (außer Sonntags) ein vielfältiges Live-Musik-Programm, schwerpunktmäßig aus den Genres Jazz (»The kind that's easy to like and listen to« - so die Pub-eigene Definition), trad. Rock'n'Swing, Boogie, Swing und eben Blues. Die Veranstaltungen finden auf der kleinen Bühne im Pub statt; es soll aber noch eine zweite Bühne geben (von deren Existenz ich bei meinem Aufenthalt nichts wusste und die bzw. deren Zugang ich nicht entdeckt habe).
Seit dem Jahr 1998 finden hier jeden Samstag besagte Sessions statt, um der lokalen Blues-Szene eine regelmäßige Bühne zu geben. Initiiert und nach wie vor - wenn er nicht gerade auf Tour ist - begleitet von dem amerikanischen Sänger und Gitarristen Brian Kramer (der im Stampen sogar schon eine CD eingespielt hat), treffen sich hier allwöchentlich Vertreter insbesondere der lokalen wie nationalen Blues-Szene, um gemeinsam - und in wechselnden Besetzungen - ihrer Leidenschaft zu frönen. Die Regeln sind einfach: Jeder, der ein (gestimmtes!) Musikinstrument mitbringt und sich als potentieller Mitspieler bemerkbar macht, hat die Chance, von Brian auf die Bühne geholt zu werden. So kann es vorkommen, dass an einem einzigen Nachmittag bis zu 30 Musiker sich die Klinken(stecker) in die Hand geben und ein vielfältiges Angebot präsentieren. Sollte sich allerdings mal ein Professional in die Kneipe verirren, wird ihm eine höhere Priorität eingeräumt.
Mir blieb an diesem Nachmittag (aufgrund zuvor getroffener Verabredungen) leider nur knapp eine Stunde, um meiner und der Musiker Leidenschaft nachzukommen. Eines kann ich aber aus diesem kurzen Moment festhalten: Die schwedische Blues-Szene ist - wie auch die norwegische - auch jenseits von Slowman überaus aktiv und vielfältig und sicherlich der Beachtung wert. Die Stimmung im Stampen an diesem Nachmittag jedenfalls war grandios. Das Publikum scheint eine eingeschworene Gemeinschaft zu sein: Jeder scheint Jeden und auch die Musiker zu kennen; Touristen (unschwer am mitgeführten Fotoapparat zu erkennen!) verirren sich hier wohl nur selten hin.
Auch wenn ich mich wiederhole: Wer in Stockholm weilt, sollte einen Besuch genauso in sein Programm aufnehmen wie eine Besichtigung des Vasa-Museum. Allerdings dauert die Blues Jam Session deutlich länger als die Jungfernfahrt der Vasa, die im Jahr 1628 bereits nach 20 Minuten versank. Aber das ist eine andere Geschichte!
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