Bloß keinen Stress
Als vor zwei Jahren das Organisationsteam das erste 'Eier mit Speck'-Festival plante, wusste noch keiner, wie es angenommen werden würde. Jetzt zur dritten Auflage sah die Sache schon anders aus, denn nachdem sowohl die Premiere als auch das letztjährige Festival guten Zuspruch erhielten, konnte man optimistisch für 2008 planen. Der Charme des überschaubaren Festivals sollte allerdings gewahrt werden und auch der gemütlichen Charakter. Als Vorbild hierfür könnte man das Haldern Festival (am nördlichem Niederrhein gelegen- ca. 50 km von Viersen entfernt) nennen, denn auch hier schaffte man es immer wieder, den überschaubaren Charakter zu bewahren.
»Noch'n Toast, noch'n Ei...«
Auch in diesem Jahr gab es wieder drei Tage das volle Programm. Ich möchte mich aber im folgenden Bericht nur auf den Samstag konzentrieren. Am Tag vorher spielten u.a. Keith Caputo (Frontmann von Life Of Agony), My Baby Wants To Eat Your Pussy und als Abschluss die Led Zeppelin-Tributband Custard Pie. Sonntags dann noch u.a. die Sondaschule und als krönender Headliner, die Berliner Chaostruppe Knorkator.
Der Name 'Eier mit Speck' rührt übrigens daher, dass es am Samstag und Sonntag morgens als besonderen Service für die Festivalcamper umsonst Frühstück gibt (Eier, Speck, Brot und Kaffee). Toller Service, denn jeder der schon mal auf einem Festival gecampt hat weiß, dass es hier bei den meisten Festivals mangelt und man froh sein kann, wenn man irgendwo eine Kaffeebude findet.
Heinein ins Vergnügen
Zehn Bands konnte sich der Besucher an diesem Tag ansehen und die Bandbreite war an Vielfältigkeit kaum zu überbieten. Aber mal schön der Reihe nach. Als erste Gruppe des Tages sahen wir die vierte Band auf dem Billing - die extrem durchgeknallte Kapelle Petra aus dem westfälischen Hamm. Auf ihrer Homepage charakterisieren sie selber ihren Sound als »Fips Asmussen jammt mit Sepultura«. Witziger als der gute Fips sind sie schon (ist ja auch keine große Kunst), aber musikalisch geht man mehr Richtung Sportfreund Stiller und Konsorten. Sie schafften es aber immer wieder, ihre Helge Schneider-mäßigen Texte mit gutem Rock zu mischen. Blödelband ja, aber die drei Jungs (plus Bühnenstatist Gazelle) beherrschen definitiv ihre Instrumente. Highlight war ihr Szenehit "Geburtstag", der nicht nur eine Scheere als Percussioninstrument beinhaltet, sondern auch das legendäre Hosenschlitzsolo (!!). Unbedingt mal das Video dazu auf der Homepage der Band ansehen. Lohnt sich. Echt krank. 45 Minuten später hatte man viele Sympathien gewonnen und in Viersen seine Visitenkarte abgegeben. Lustiger Auftakt.
Anschließend kam die Freiburger Band Blue Babies auf die Bühne. Das Quartett spielt Ska, aber nicht klassisch mit Bläsersektion, sondern nur mit Saxophon und als Verstärkung Akkordeon. Nach ein paar Liedern Anlaufphase hatte man aber das Publikum schnell aus der Reserve gelockt und bei strahlendem Sonnenschein sind lockere Ska-Beats einfach ansteckend. Neben Eigenkompositionen gab es wunderbar tanzbare Cover von u.a. "Hells Bells", "Eye Of The Tiger" oder dem alten Ska-Klassiker "Ubangi Stomp". Auch hier Daumen hoch für die Combo in ihren weißen und extrem hässlichen 80er-Jahren "Miami Vice"-Anzügen.
Nachdem sich das Publikum mit Ska eingegroovt hatte, hatten die Trierer Polka-Veteranen von The Shanes leichtes Spiel. Das Septett bot eine Mischung aus Leningrad Cowboys und den Pogues, was gut an kam. Das Wetter spielte auch (noch) mit und so stand der großen Polkaparty am Hohen Busch nichts mehr im Wege. Besonders beeindruckend war das flinke Violinenspiel von Sebba Nogood, der mit seiner Geige mächtig Stimmung machte. Der Stil der Band (selbsternannt: Hard Polka) erwies sich als absolut festivalgeeignet und viel Applaus des mittlerweile immer zahlreicher werdenden Publikums war der verdiente Lohn.
Der Himmel zog sich langsam zu, als der Bonner Liedermacher Götz Widmann mit seiner Akustikgitarre die Bühnen betrat. Ein Lied halb angespielt, etwas drehen, neue Batterie in die Gitarre und schon konnte es losgehen. Das nenne ich mal einen flotten Soundcheck. Wer das hier liest und denkt, dass Liedermacher im Jahre 2008 völlig uncool sind, der hat mit Sicherheit noch nie etwas von diesem schluffigen, aber extrem sympathischen Typen gehört. Götz Widmann ist mit seiner Akustikklampfe mehr Rock'n'Roller als manche Typen aus L.A. Längst haben sich (auch dank Internet) die Lieder seiner alten Band Joint Venture und seiner Soloalben über die Grenzen von Bonn verbreitet und so verwunderte es nicht, dass die meisten Songs lautstark mitgesungen wurden. Der Versuch 'Liedermacher tritt auf einem Rockfestival auf' klappte zu 100 % und Stücke wie "Eduard der Haschischhund", "Tach Herr Chef" oder "Politiker beim Ficken" wurden enthusiastisch mitgesungen. Highlights waren sicherlich DER 'Hit' seiner alten Band Joint Venture, denn das witzige "Holland"-Lied kennt in dieser Gegend wirklich jeder. Als Abschluss gab es eine, wieder laut mitgesungene, tolle Version von "Landkommunenhippie". Da noch durch den schnellen Soundcheck etwas Zeit blieb, gab es als Abschluss ein extrem zynisches Gedicht (!!) mit dem Titel "Klimakatastrophe". Lauter Jubel begleitet Götz Widmann von der Bühne, der zum Gewinner des Tages wurde. Ganz große Klasse.
Wasser marsch
Nach diesem Block mit vier spaßigen Bands war ab sofort war Schluss mit lustig. Ab jetzt durfte gerockt werden. Leider dachte sich wohl auch der Himmel 'Schluss mit Sonne' und so kam ein gut einstündiger Sommerschauer über Viersen nieder. Der Gesamtstimmung tat das keinen Abbruch - im Gegenteil, denn unter Zelten kam man sich schnell näher und mit anderen Festivalgästen prima ins Gespräch.
Leider mussten dann aber auch die Berliner 5 Bugs auf die Bühne, was zur Folge hatte, dass im ersten Teil ihres Sets dank des Regens gähnende Leere vor der Bühne herrschte. Erst als der Regen aufhörte, strömten die Leute zum Rest des knapp einstündigen Konzerts. Dann aber wurde es richtig voll vor der Bühne und die Mischung aus Punk und poppigen Melodien kam gut an. Zwischeneinlagen wie Orgelsound (inkl. "Jump"-Intro) lockerten die Sache gut auf und auch 5 Bugs konnten sicher in Viersen den einen oder anderen neuen Fan gewinnen.
Jetzt kam es zu einem großen Stilbruch, denn während die meisten Gruppen noch zum Tanzen, Klatschen oder Mitsingen einluden, waren nun die polnischen Riverside an der Reihe, die alle diese Attribute nicht erfüllten. Ihre Musik kann man als Mischung aus alten Dream Theater, etwas Pink Floyd und ein bisschen Tool bezeichnen. Ohne Frage tolle Songs, gute Musiker und - wie bei allen Bands des Tages - ein klasse Sound. Trotzdem wollte der Funke irgendwie nicht überspringen. Hier kann man sicher von einer Fehlbesetzung sprechen, denn diese Musik war doch zu technisch und zu kopflastig für dieses Festivalpublikum. Kein Vorwurf allerdings an Riverside, denn diese machten wirklich das beste aus der Situation. Klasse Band, aber leider zur falschen Zeit am falschen Ort.
In der Umbaupause merkte man, dass nun alles gespannt auf den Höhepunkt des Tages wartete, denn mit Clawfinger hatte man einen verhältnismäßig dicken Fisch als Headliner engagieren können. Die Vorfreude beim Publikum wurde aber auch sehr lang gezogen, denn ärgerlicherweise dauerte die Umbaupause inkl. Soundcheck unverschämte 50 Minuten (!), was mir völlig unverhältnismäßig erschien. Diese Tatsache alleine wäre ja noch egal gewesen, aber um 1.00 Uhr musste Schluss sein und so wurde aus den 90 Minuten Headlinerauftritt nur etwas mehr als eine Stunde. Das war schon etwas ärgerlich. Nichtsdestotrotz füllten Clawfinger aber diese Stunde mit einer energiegeladenen Show aus, die richtig Spaß machte. Zakk Tell und seine schwedischen Bandkollegen rockten richtig ab und alte Knaller wie "Rosegrove" oder "Nigger" vom 93er Debüt wurden genauso abgefeiert wie Songs vom letzten Album "Life Will Kill You" (Titellied, "The Price We Pay" oder "Prisoners"). Ein Wehrmutstropfen, neben der kurzen Spielzeit, war das Fehlen ihres ersten großen Hits, "The Truth", der damals in allen Rockdiskos auf der Welt rauf und runter lief. Schade, aber insgesamt ein wirklich würdiger Headliner.
Kurz nach 1.00 Uhr war dann Schluss und langsam leerte sich das Festivalgelände und die Meute zog ausgepowert Richtung Zeltplatz oder fuhr nach Hause.
Fazit: So muss ein Festival sein. Bis auf die genanten Kleinigkeiten stimmte einfach alles (wie die nette Security oder die zivilen Getränkepreise). Viel gute Musik, klasse Stimmung und insgesamt gesehen doch gutes Wetter, machten diesen Festivalsamstag zu einem rundum gelungenen Tag. Gerne wieder in einem Jahr mit hoffentlich genauso viel musikalischer Klasse und vor allem Vielfalt.
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