»Komm mal vorbei, das musst Du Dir anschauen«. Aufgeregt rief ich meinen Metal-Bruder im Geiste und Kollegen an. »Das ist der Hammer! «
Kurze Zeit später saßen wir zusammen vor dem Bildschirm und starrten auf die E-Mail, die ich gerade vom Reisebüro meines Vertrauens bekommen hatte. Eine Full Metal Cruise würde ab Hamburg in See stechen und es gab auch schon mit Doro und Gamma Ray zwei Zusagen. Alles 'All-Inclusive', auch die Drinks. Eine Woche - vier Häfen. Noch ganz gefangen von der 70000 Tons Of Metal stand für uns fest, da müssen wir mit. Gesagt, getan, gebucht. Welche Bands würden an Bord spielen? Hey, das wird von den Machern des W:O:A aufgezogen, dann wird was ganz Großes. Die Zeit des Wartens brach an.
Dann am 6. August die nächsten Ankündigungen: Als einer der Headliner werde In Extremo mit an Bord sein. Wie bitte??? In Extremo als Headliner einer Metal Cruise? Weiterhin Firewind (Aha, die Band von Gus G.) und Betontod. Wir waren uns einig, die großen Kracher kommen zum Schluss.
Nun stand auch fest, es wird ein Rahmenprogramm geben, mit: Mambo Kurt, Bembers und diversen Workshops, u. a. mit Uli Jon Roth und Jörg Michael. (Also, den Mambo können sie von mir aus gleich wieder ausladen, aber nach mir geht es ja nicht). Alsbald diskutierten wir, ob auch das Rahmenprogramm zu den zwanzig angekündigten Bands gerechnet wird. Erste Zweifel kamen auf.
22. September: Im Rahmen der Hamburg Metal Dayz wurden weitere Bands bekannt gegeben:
Sabaton, U.D.O., Circle II Circle, Eskimo Callboys, Masterplan und Van Canto. Naja, das liest sich ja schon ganz gut. Unser Glaube, Van Canto würde zum Rahmenprogramm gehören, löste sich später in Luft auf.
01. Oktober, es wurden weitere Acts vermeldet: Kreator, Heaven Shall Burn, Amaranthe (die später wieder absagen würden), Eric Fish und Blaas Of Glory für das Rahmenprogramm.
Man kann nicht sagen, dass sich unter uns Zufriedenheit breit machte über das Billing. Am 23. Oktober kam noch Onkel Tom auf die Liste.
Am 19. November gab es dann den ersten Tiefschlag. Paare konnten sich bei Deutschlands größter Tageszeitung bewerben und auf dem Schiff heiraten. Die Reise sollte gesponsert werden und Doro würde ein Lied nach der Trauung singen. Wir wetteten, wann die 'Privaten' zuschlagen würden. Mittlerweile konnte man sich aber beim SWR3 zum Affen machen. Man brauchte bloß ein Bewerbungsvideo auf YouTube stellen...
Dann gab es bis zum 18. Januar eine lange Pause. Avantasia wurde als Clubkonzert in Amsterdam gebucht. Am 12. Februar wurden C.O.P. (auch die sagten später wieder ab), Dew-Scented (sie hielten mit Kreator die Thrash-Fahne hoch) und Devil's Train für das Schiff bestätigt, Sepultura würde das Landkonzert in Le Havre spielen. Landkonzerte sind übrigens nicht im Reisepreis inbegriffen. Am 26. Februar stand fest, dass Saxon das Landkonzert in Southampton übernehmen würden - welche Überraschung. Hieß es doch in verschiedenen Internetforen: Bitte nicht Saxon, es gibt so viele andere, gute britische Bands. Wer es tatsächlich in der Ankündigung überlesen haben sollte, jetzt hier Schwarz auf Weiß: Santiano sind auch an Bord, die Gewinner des Heimatmusik-Awards!!
Erste Überlegungen die RRV ( Reiserücktrittsversicherung - Anm. d. Redaktion) in Anspruch zu nehmen werden konkreter.
Am 21. März dann der verbale Schlag in die Magengrube: Tim Mälzer wird zwei Kochshows geben. Oh Mann, reden wir noch von der selben Full Metal Cruise? Anstatt noch einen oder zwei Kracher rauszuhauen, gab es nun portionsweise so etwas. Ich möchte klarstellen, dass ich nichts gegen diese Personen und Bands habe, aber sollte es nicht eine 'Metal-mit Prä-fix Full-Cruise' sein?
D-A-D wurden (nach der Ankunft in Hamburg) noch für ein Konzert an Bord angekündigt und hinter dem Surprise Act verbarg sich Eric Martin, der Sänger von Mr. Big. Es gab noch Ankündigungen von Vorträgen und Lesungen, auf die ich teilweise später eingehen werde.
Die Zeit bis zur Abreise konnte man gut in einer FB-Gruppe, die sich in Anlehnung an diese Cruise gegründet hatte, vertreiben. Hier konnte man auch schon einige Cyber-Freundschaften schließen und über die Toleranz von Metal-Musikliebhabern diskutieren. Plötzlich war er da, der:
Tag 1 - Anreise
Wir reisten bequem im ICE an. Wegen der Trockenheit, wahrscheinlich verursacht durch die Klimaanlage, mussten wir
verstärkt an die Aufnahme gerstengetränkter Flüssigkeiten gehen. So hatten wir schon bei der Ankunft im Hbf Hamburg gute Laune. Hostessen wiesen uns den Weg zum Bus und kurze Zeit später fanden wir uns am Terminal wieder. Auch hier noch das eine oder andere Gezapfte, dann ging es zum Einchecken. Danach Sicherheitsunterweisung, Kabine beziehen und auf geht's... Zuerst wurde das Buffet-Restaurant getestet, Note sehr gut. Das traf aber für alle Restaurationen an Bord zu. Irgendwann spielten wohl Santiano während der Hafenausfahrt, das schenkte ich mir aber, da mir schon solche Gedanken wie 'Kielholen' in den Kopf kamen. Um 20:00 Uhr begann es richtig, Dew-Scented spielten im Theater auf. Es verliefen sich nicht allzu viele Zuschauer im Theater, aber das war schon der richtige Einstieg für Vaters ältesten Sohn. Sie hielten an Bord die Thrash-Fahne hoch und ich dankte es ihnen innerlich. Anschließend noch Smalltalk mit
Leif Jensen und dann ab ans Pooldeck. Firewind hatten mit ihrem Auftritt schon angefangen. Hier drängte sich die Frage auf: Wer macht solche Running Orders? Eine Band hört um 21:00 Uhr auf, die nächste fängt dann an. Firewind spielten den gewohnten Stil, die haben schon richtig was drauf. Dafür bürgt schon der Name Gus G.. Nachdem wir verschiedenen Bierzapfstellen und die 24h-Grill Bar gecheckt hatten, ging es wieder zurück ins Theater zu Van Canto. Durch den ziemlich matschigen Sound wurde Van Canto um ihre sehr detailverliebte Darbietung bekannter Metal-Hymnen gebracht. Es klang sehr nach Soundbrei.
Dann zwei Stunden persönlicher Leerlauf. Gelegenheit das Schiff zu erkunden und sich mit dem Rückweg in die eigene Kabine vertraut zu machen. Um 0:15 Uhr gab es dann Gamma Ray im Theater. Sie ließen es richtig gut angehen. Nach ein paar geschossenen Fotos lockten dann die bequemen Sitze im Theater und mein Körper dankte es mit einem Nickerchen. Pünktlich zu "To The Metal" wachte ich wieder auf. Ich fühlte mich gut.
Tag 2 - auf See
Wir waren relativ früh wach, das bedeutete Frühstück und danach ein Konterbier. Das Wetter war prima, die Stimmung ok.
Es passierte bloß nichts. Ab 11:45 Uhr starteten diverse Meet&Greets und auch Lesungen. Konzertmäßig ging es am Pooldeck um 12:00 Uhr los mit Onkel Tom Angelripper, ok kann man sich mal anschauen. Da es unsererseits kein Interesse an Van Canto, Mutz, Eric Fish und Betontod gab, musste bis 17:30 Uhr das All-Inclusive herhalten. Immerhin waren wir auch bei Gosch essen. Um 17:30 Uhr spielte Masterplan am Pooldeck ein - wie ich finde - flaches Set. Schade, dass Mike Terrana nicht mehr bei den Jungs trommelt, auch der Sänger ist neu. Firewind im Theater waren wieder gut anzuhören, der Sound stimmte auch, allerdings hätte es auch hier voller sein können.
Mein letztes Konzert für diesen Tag war dann Gamma Ray am Pooldeck. Das war mein persönliches Highlight. Nicht nur, dass sie "Ride The Sky" spielten, auch Uli John Roth gab sich zu "I Want Out" die Ehre. Dew-Scented um 1:30 Uhr habe ich leider verpasst, da ich mit Jack, Jim oder Johnny unterwegs war. Zurückblickend habe ich gelernt, dass jeder seinen Grundton finden muss, dass Noten Farben haben und einer sie sieht: Uli Jon Roth. Seine Sky Akademie war einer der Höhepunkte dieses Tages.
Tag 3 - Southampton
Eine Durchsage in der Lautstärke eines startenden Düsenjägers riss mich aus meinem Schlaf. Dank Innenkabine ist man vom
normalen Sonnen-Tagesverlauf isoliert. Ein Blick auf die Uhr sagte mir 11:30 Uhr. Man sollte, nein musste sich bei den englischen Behörden melden, auch wenn man das Schiff nicht verlässt und zwar sofort. Ok, meine Mitstreiter hatten für diesen Tag die "London Music Experience" gebucht. Meine Hochachtung ob des frühen Aufstehens war ihnen gewiss. Für mich begann ein Tag an Bord; an dem ich dem lieben Gott für die vielen Ruhemöglichkeiten unter freiem Himmel dankte. Er revanchierte sich mit tollem Sonnenwetter. Da auch am Abend das erste Landkonzert stattfand, gab es tagsüber an Bord - nichts! Sehr schwach, dabei hatten gar nicht so viele Leute die Landgänge oder das Konzert gebucht. Es schien noch eine stattliche Anzahl Schwarzgekleideter auf dem Schiff zu verweilen. Abends gönnte ich mir eine Lesung mit Frank Schäfer. Er staunte nicht schlecht, als ich einen Nachweis seines frühen Schaffen signieren ließ. Jaja auch diese Bücher sind noch im Umlauf. Abends ging es dann weiter Richtung Le Havre.
Tag 4 - Le Havre
Hier hatte ich zugeschlagen. Sepultura und Nightmare (die spielten ein spezielles
Ronnie James Dio-Tribute), das konnte ich mir nach der metallischen Magerkost an Bord nicht entgehen lassen. Das Konzert fand an einem interessanten Ort statt, in einem Zirkuszelt. Abgesehen von Temperaturen jenseits der 35°C war es eine tolle Location mit einem prima Sound. Wann hat man schon mal die Gelegenheit, Sepultura so klangmäßig aufgelöst zu hören.
Abends trat die allgegenwärtige Doro das erste Mal auf. Spielort war das Theater und siehe da, sehr gut gefüllt. Da ich ganz vorne stand, konnte ich ein Blick auf die Setlist werfen und wusste, wann ich zu gehen hatte. "Für immer" und ähnliches Liedgut waren zu viel für meine, für diesen Abend Sepultura-verwöhnten, Ohren. Danach noch kurz bei Onkel Tom in der Casino-Lounge vorbeigeschaut, zwei oder drei Biere für die Bettschwere in der Abtanz-Bar, that's it.
Tag 5 - Seetag
Morgens passiert nichts. Von daher haben wir uns der Zeitverschiebung angepasst. Das ist auch gut so, wenn Gosch um
12:00 Uhr seine Pforten öffnet, gibt es ein klasse Fischbrötchen zum Frühstück.
Danach wieder Kultur - Tim Eckhorst hält einen Vortrag über die Gestaltung von Plattencovern. Das war sehr interessant und brachte mich dazu, bei Covern doch genauer hinzuschauen. Abends gab es ein Meet&Greet mit Doro, das in einem ziemlichen Chaos endete. Für mich das Ende der ' Doro-und-mir-Beziehung'. Das Hype/Performance-Verhältnis passt für mich nicht mehr. Immerhin besitze ich die ersten beiden Warlock-Platten. Zwischendurch vertrieb ich mir die Zeit mit Devil's Train und Circle II Circle, später am Abend mit Kreator (oh ja!). Auch bei Sabaton schaute ich kurz vorbei. Zu dieser Band bekomme ich irgendwie keinen Zugriff. Naja, das soll es ja geben.
Das Doro-Konzert habe ich mir geschenkt.
Tag 6 - Amsterdam
Tagsüber wird wieder nichts geboten an Bord, ab 17:00 Uhr Shuffleboard - 'klasse'!
Wir machten einen dreistündigen Rundmarsch durch Amsterdam. Abends wurde das Kreator-Konzert vom Pool ins Theater verlegt, danach gab es noch U.D.O. um 1:45 Uhr, bevor es selig in die Koje ging.
Tag 7 - Seetag
Auf geht es, zurück nach Hamburg. Musikalisch zieht sich die Woche wie Kaugummi. Dank der Leute, die ich kennenlernen durfte, war es trotzdem sehr kurzweilig. Es wurde eine Hymne komponiert, die von der All-Star-Band während des Einlaufs in den Hamburger Hafen vorgetragen werden soll. Dat Ding heißt "Hard On The Wind". Die ersten zwei Worte lassen mich schmunzeln. Das klingt wie ein Schlager und hat wohl die Aufgabe, Metal-Musik beim 'Hafengeburtstagspublikum' zu etablieren. Hat aber nicht viel mit Metal zu tun. Mille von Kreator treffe ich beim Meet&Greet. Nachmittags schauen wir mit einem Auge auf die Bundesliga-Konferenzschaltung. Konzertmäßig gibt es für mich an diesem Tag noch Devil's Train und U.D.O.. Dann ein bisschen Hafengeburtstag schauen und dann noch dem Ruf der Mixgetränke erlegen sein.
Mein Fazit:
Musik: Wer eine Party-Reise möchte, bei der es auf die Musik nicht so ankommt, ist hier richtig. Der Name 'Full Metal
Cruise' ist schon überzogen, wenn er sich auf die Musik beziehen sollte. Auch gibt es hier dieses vielmals vertraute Urlaubsgefühl. Das All-Inclusive hat dazu beigetragen, den vielen Leerlauf zu überbrücken.
Bühnen: Für mich waren beide Hauptbühnen ein No-Go. Auf dem Pooldeck war vor der Bühne ein, zeitweise mit einem Netz abgedeckter, wassergefüllter Pool. Im Theater gab es kaum Möglichkeiten vor der Bühne zu stehen.
TUI-Cruises: Waren am Anfang eher unsicher, was passieren wird. Das Bier floss zäh. Das änderte sich ab dem dritten Tag. Von da an wurde das Bier sogar serviert. Haben eigenmächtig Likör-Werbefahnen (Ficken) vom Balkongitter eines Gastes entfernt, um Irritationen zu vermeiden. Meiner Meinung nach hatten sie auch Einfluss auf die Auswahl der Musik. Es gab keinen Death-, Black- oder Doom Metal. Alles in allem doch sehr massenkompatibel.
W:O:A Orga: Die angekündigten »über zwanzig Bands« waren eine Enttäuschung. Bands wie Santiano gehören nicht ins Hauptprogramm einer Metal Cruise, trugen aber wohl dazu bei, dass auch einige 'Festival-Novizen' mit an Bord gekommen sind. Für ein richtiges Metal-Event fehlten die entsprechenden Bands.
Leute und das Miteinander: Da gibt es nur ein Urteil - TOP! Wie man es ja auch schon von diversen Festivals kennt, geht man friedlich miteinander um. Das Personal wurde in die große Party mit einbezogen und bekannte sich anschließend pro Full Metal Cruise.
Es war die Jungfernfahrt, das war der Reiz. Wir waren dabei. Zuhause allerdings startete ich meinen Rechner und buchte eine Kabine auf der 70000 Tons Of Metal. Irgendwie fühle ich mich doch eher zu dieser, doch mehr musikorientierten, Kreuzfahrt hingezogen.
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