Preisfrage:
Was haben 'Newport, Monterey, Altamont, Isle Of Wight, Woodstock, Fehmarn, Scheeßel, Roskilde, Jübeck' usw. gemeinsam?
Auf den ersten Blick natürlich gar nichts.
Aber wer einen zweiten Blick riskiert wird feststellen, dass alle genannten Orte oder Namen für die Austragung großer Musikfestivals gestanden haben oder noch stehen.
Eingeleitet durch das erste 'American Folk Blues Festival' am 18.10.1962 in Hamburg, veranstaltet durch den legendären Horst Lippmann, über das erste 'Newport Folk Festival' 1963, das epochale 'Monterey Pop Festival' 1967, das erste 'Isle Of Wight' Festival 1968, 'Woodstock' 1969 bis hin zum tragischen 'Altamont' Festival Ende 1969, was gleichzeitig auch eine ganze Bewegung und ein bewegendes Jahrzehnt beendete, entstand und entwickelte sich in den 'Roaring Sixties' eine ganz neue Form der Eventunterhaltung, nämlich das (Rock-)Musikfestival mit riesiger Bühne, für damalige Verhältnisse riesigen Soundanlagen, riesigem logistischen Aufwand, megagroßen Locations mit Zehn- bis Hundertausenden von Besuchern und dem Versuch, damit auch den großen Reibach zu machen.
Bekanntlich klappte nicht alles reibungslos, häufig herrschten geradezu chaotische organisatorische Verhältnisse, nicht immer gab es wirklich wertvolle musikalische Beiträge, es wurden nicht wenige stimmungsverändernde Substanzen verkonsumiert und auch das Finanzielle ging manchmal gehörig den Bach runter.
Nach der 'Altamont'-Katastrophe, mit dem durch die Messerstiche eines durchgeknallten 'Hell's Angel Ordners' zu Tode gekommenen Meredith Hunter, war nicht nur das ereignisreiche Jahrzehnt der 60er Jahre vorbei, sondern auch die Love & Peace Bewegung, Flowerpower und das 'Make Love Not War'- Motto hatten irreparable Lackschäden abbekommen, was dazu führte, dass die Siebziger nicht unbedingt als ein Musikfestivaljahrzehnt in die Geschichte eingegangen sind.
Erst die 'Monsters Of Rock' Festivals Anfang der 80er brachten dieses Genre wieder so richtig auf die Agenda.
Und so gibt es bis heute, auch in Deutschland, jeden Sommer Dutzende von Festivals mit unterschiedlichster musikalischer Ausrichtung.
Das ist denn auch schon gleich der erste wesentliche Unterschied zu den Vorläufern von vor 35 - 40 Jahren. Die Musik hat sich dermaßen ausdifferenziert, dass eigentlich niemand mehr einen ansatzweisen Überblick haben kann. Und es gibt nicht mehr eine bis maximal vier vorherrschende (Jugend)Bewegungen, sondern auch hier unzählige.
Darüber hinaus sind sehr viele dieser Festivals inzwischen gnadenlos verkommerzialisiert, ohne großzügige Sponsorengelder, Dauereinsatz bei MTVIVA und saftigsten Eintrittsgeldern geht schon mal gar nichts mehr. Von den horrenden Verköstigungspreisen ganz zu schweigen.
Trotzdem ist diese ganze Festival-Event-Erlebnis-Welt nach wie vor, und das ist dann kein großer Unterschied zu früher, in fester Hand der jungen Leute unter 30. Geändert haben dürfte sich aber die Tatsache, dass heutzutage darüber hinaus auch etliche ü30er auf den diversen Festivals anzutreffen sind!
Einen geradezu überwältigenden Anteil genau dieser geburtenstarken ü30er bzw. ü40er stellt das bunte Publikum eines Festivals, dass 1991 erstmals stattfand, vor einigen Jahren einen Standortwechsel vornahm, was offenbar nicht so gut funktionierte, letztes Jahr ein Comeback feierte und dieses Jahr hoffentlich noch mehr BesucherInnen begrüßen kann:
Das Burg Herzberg Festival!
Dieses Spektakel ist in vielerlei Hinsicht anders als andere.
Denn es lässt die guten alten Hippieattitüden der Endsechziger wieder aufleben, allerdings nur im positivsten Sinne, da hier jegliche Form von Gewalt vollkommen verpönt ist.
Nein, hier kann endlich mal ein Fest mit Love & Peace & Rock 'n' Roll gefeiert werden, auf einem wunderschönen Gelände zwischen Alsfeld und Bad Hersfeld, mit einer Mitmachbühne, einem Kinderland, diversen Verkaufsständen für die Hippiekultur, Campingmöglichkeiten und natürlich einer Hauptbühne, auf der an insgesamt 4 Tagen(!) sich die unterschiedlichsten MusikerInnen das Mikro in die Hand geben.
Natürlich gibt es einen gewissen musikalischen Schwerpunkt, den mensch vielleicht ganz grob als psychedelischen Rock bezeichnen könnte. Und es gibt ausnahmslos Musik zu hören, die in der heutigen Medienlandschaft (fast) gar nicht mehr vorkommt und ihren Ursprung eindeutig in der Vergangenheit hat, ungefähr zwischen 1965 und 1975, und somit eher von älteren MusikerInnen interpretiert wird.
Aber auch nur ganz grob, denn es treten neben alten Bluesrock-Haudegen wie Ten Years After (mit jungem Gitarristen und Sänger) auch blutjunge (Blues)Rock-Haudegen aus Schweden namens Siena Root, oder die ebenfalls noch nicht so alten Italiener der Jamrocker von W.I.N.D. auf.
Außerdem gibt es die seit Jahrzehnten besonders in Deutschland sehr erfolgreiche Manfred Mann's Earthband zu feiern, es gibt ein Wiedersehen mit der ehemaligen Janis Joplin-Entdeckungscombo Big Brother & The Holding Company, Love mit Arthur Lee geben sich die Ehre, was natürlich die Freunde progressiver, psychedelischer Mitte- bis Endsechziger-Mucke erfreuen wird, Jane sollen auflaufen, ich weiß nur nicht, ob nun die Formation mit oder ohne Peter Panka, und sie werden zusammen mit beispielsweise Epitaph den guten alten Krautrock wieder hochleben lassen. Und schließlich kommen auch Tito & Tarantula, um uns alle noch mal in das richtige 'Quentin Tarantino' - Feeling zu versetzen.
Aber halt, wie passt das mit Love & Peace zusammen?
Schließlich möchte der Veranstalter begonnene Kontakte zu (gesellschafts-) politischen Gruppierungen wie 'attac' oder 'Greenpeace' vertiefen.
Das verspricht doch einige Spannung!
Genauso wie der postulierte Wunsch, eine 'Freak-City' entstehen zu lassen. Alt und jung nebeneinander, miteinander, füreinander, alles unter dem wunderschönen Motto 'In The Land Of Milk And Honey', frei nach dem Titel "Dreams Of Milk And Honey" vom ersten Leslie West Album 1969. Der Mann hätte zusammen mit seinem Mountain -Kollegen Corky Laing natürlich auch sehr gut zu diesem Festival gepasst, aber mensch kann schließlich nicht alles haben.
Die Eintrittspreise sind übrigens für den Umfang des Angebots durchaus zivil und trotzen dem allgemeinen sonstigen Kommerzwahnsinn.
Aber halt, immerhin ist ein 'WDR-Rockpalast' Special im September geplant!
Ein Grund mehr, mal im Batic-Shirt, unrasiert und mit etwas Qualmenden im Mundwinkel den armen Zuhausegebliebenen entgegenzugrinsen!
Immerhin drei Redakteure von der RockTimes werden sich genau das nicht entgehen lassen und entsprechend ausführlich von diesem Event in Wort und Bild berichten. Immerhin sind wir schneller und sicherlich auch ausführlicher als der 'WDR'!
Das geplante Line-Up:
Donnerstag:
18:00 Herzberg Session-Band
20:00 Colour Haze
22:00 W.I.N.D. (Italy)
24:00 The Amber Light
Freitag:
13.00 Audience
15:00 Mostly Autumn
17:00 Anekdoten
19:00 Love with Arthur Lee
21:00 Big Brother & the Holding Company
23:00 Ozric Tentacles
01:00 Space Ritual
Samstag:
11:00 TMF
13:00 Epitaph
15:00 Jane
17:00 Siena Root
19:00 Ten Years After
21:00 Manfred Mann's Earth Band
23:00 IQ
01:00 Korai Örom
Sonntag:
11:00 Psycho Key
13:00 Berimbrown
15:00 Sirqus Alfon
16:00 Zoe
18:00 Bucovina Club Orkestar
20:00 Tito & Tarantula
Olaf "Olli" Oetken, 11.07.2005
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