Eigentlich wartet man das ganze Jahr auf eben dieses Juliwochenende, um nach Hessen zum Fuße der Burg Herzberg zu fahren, um dort klasse Musik und ein unvergleichliches Feeling der Hippiezeit zu erleben. Da nimmt man schon die doch etwas hohen Temperaturen in Kauf, in der Erwartung, die Musik zu erleben, die die Besucher des Festivals in Verzückung versetzen kann.
Und das trat dann zweifellos auch ein.
Hervorzuheben ist, dass die Organisatoren des diesjährigen Festivals eine breite Palette musikalischer Richtungen präsentieren konnten. Vom Hardrock über Prog und Krautrock bis zu psychedelischer Musik, südamerikanischen Rhythmen und Folk gab es alles zu hören.
Obwohl die Konzerte erst am Donnerstag begannen, strömten bereits am Mittwoch unzählige Besucher auf das Festivalgelände, es wurde ganz schön voll auf den Zeltplätzen.
Der Opener des Festivals war (bereits zum dritten Male) die Burg Herzberg Session Band, die sich mit viel Spielfreude und rockig-bluesigen Stücken in die Herzen und Ohren der Besucher spielte. Besonders markant waren die Harp-Sessions von Puri und Hobo, die als herausragendes Element des Konzertes zu nennen sind.
Als zweiter Gig trat die deutsche Band Space Debris auf, die sich dem Krautrock verschrieben hat. Und wie!!! Das Trio (Gitarre, Hammond-Orgel, Drums) präsentierte eine Mischung aus progressiver Musik und Krautrock, die in gelungenen Improvisationen vorgetragen wurde. Als Neuhörer dieser Band war ich völlig begeistert.
Und weil es so schön war, konnten die Besucher gleich noch ein weiteres Highlight erleben. Die New Yorker Musiker von Tripod legten los. Sie spielten eine kraftvolle Mischung Rockmusik, die sich aus vielen Richtungen bediente. Man spürte die Impulse von King Crimson, von Black Sabbath, aber auch von Van der Graaf Generator in den Stücken des Trios. Manchmal hatte man den Eindruck, Herr Zappa könnte gleich mit seiner Gitarre erscheinen und mitspielen. Beeindruckend war die Besetzung der Band: Mit Bass, Schlagzeug und Saxophon erzeugten die drei Musiker einen Sound, der energiegeladen und kraftvoll herüberkam. Einfach stark! Die Gitarre wurde durch diese Instrumente perfekt ersetzt, das Schlagzeug produzierte selten gehörte Klänge und das Saxophon krächzte, quietschte und 'jaulte', dass es eine Freude war. Tripod ist ein echter Geheimtipp.
Als Abschlussband des Donnerstagabends trat White Cowbell Oklahoma aus Kanada auf. Die neun Musiker haben sich dem Südstaatenrock verschrieben und zelebrierten ein Konzert mit vielen Showelementen und eben dem Typischen des Southern-Boogie-Rock. Die vier Gitarristen der Band (was doch sehr ungewöhnlich ist) konnten aber nicht die Power erzeugen, die man erwartete. Hier wäre sicher mehr Individualität und filigranes Spiel wünschenswert gewesen, auch wenn das Gesamtkonzept der Band Powerrock heißt. Aber insgesamt bildeten White Cowbell Oklahoma einen guten Abschluss des ersten Festivaltages.
Am Freitag stand der Krautrock im Mittelpunkt des Festivals. Nach der Reunion
im Dezember 2005 erspielte sich Peter Burschs Bröselmaschine als Startband des zweiten Tages die Begeisterung der Zuhörer. Bröselmaschine präsentierte eine rockig, folkige Musik, die mit psychedelischen Elementen 'gewürzt' ist.
Im Anschluss an Bröselmaschine standen Hoelderlin auf der Bühne. Hoelderlin - eine Symphonik-Rock-Band, die bereits in den 70ern mit Alben wie "Rare Birds" oder "Clowns And Clouds" zu überzeugen wusste. Der Auftritt von Hoelderlin zeigte einmal mehr den Ideenreichtum und die gelungene musikalische Umsetzung der Songs. Überzeugend war besonders das Violinenspiel, andererseits hatte die Sängerin zu Beginn einige Probleme, die erst im Verlaufe des Konzerts in Vergessenheit gerieten.
Als nächste Band folgte Hellmut Hattlers Kraan. Um es kurz zu machen: Ein perfektes, überzeugendes Konzert mit energiegeladenen Musikern, denen es offensichtlich viel Spaß machte, auf dem Herzberg zu spielen. Und der brillante Bass von H. Hattler tat sein übriges.
Und dann folgte der Auftritt von Soft Machine, einer englische Band der Canterbury Szene, die neben Pink Floyd und Caravan wohl zu den wichtigsten Bands der 'late sixties' in England gehörten. Soft Machine überzeugten weniger durch kraftvolle aber dafür um so mehr mit jazzig wirkenden Kompositionen.
Die an diesen Auftritt gestellten Erwartungen wurden überzeugend erfüllt.
Adrian Belew, ein Gitarrist mit bisher sehr anspruchsvoller Musikervergangenheit ( King Crimson, F. Zappa, Talking Heads) setzte mit seinem Auftritt Zeichen. Er bot eine Vielfalt an musikalischen Ideen und verzückte das Publikum mit Klasseimprovisationen und richtig schönen vertrackten Stücken. Ein Genuss für jeden, der anspruchsvolle Rockmusik mag.
Zu später Stunde traten die Musiker der brasilianischen Band Berimbrown auf. Sie verzauberten das Publikum mit heißen südamerikanischen Klängen und regten zum Mittanzen an. Ein wahrhaftes Feuerwerk an Rhythmus und Sound. Berimbrowns Musik ist ein Schmelztiegel aus Funk, Soul, Samba und den brasilianischen Kampftänzen Capoeira und Maculele.
Den Abschluss des Freitags bildete der Auftritt von Psychedelic Monsterjam, ein Projekt mit Mani Neumeier (Drums), Ax Genrich (Gitarre) und Dave Schmidt (Bass). In der Band treffen sich die Pioniere des Krautrock ( Neumeier, Genrich) und der neuen psychedelischen Rockmusik ( Schmidt) zu einer Session, die Kraft und Energie ausstrahlt. Das Trio präsentierte neben Improvisationen vor allem Stücke, die aus der Feder Mani Neumeiers ( Guru Guru) stammten.
Der Samstag wurde besonders durch die (Hard) Rock-Bands bestimmt. Die italienische Band Wicked Minds folgte den Spuren von Deep Purple.
Es folgte die englische Band Hatfield & the North, die aus gestandenen Musikern der Canterbury Szene besteht. Die Band spielte den typischen Sound der späten 60er und frühen 70er, eine anspruchsvolle Musik, die geprägt von perfekter musikalischer Qualität, die Zuhörer begeisterte.
Uli Jon Roth heizte dem Publikum gehörig ein. Der Gitarrist zog mit seiner Band und seiner Musik die Fans vor die Bühne. Als er das Dylan- und Jimi Hendrix-Stück "All Along The Watchtower" erklingen ließ, konnte sich kaum einer der Zuhörer dem Bann der Musik entziehen. U. J. Roth begeisterte durch seinen typischen rockigen Gitarrensound und durch die Integration klassischer Elemente in seine Stücke.
Die nächste Band bräuchte man nicht näher vorzustellen, denn Wishbone Ash zelebrierte ihre Musik bereits mehrfach auf dem Festival, und die Band gehört zu den Urgesteinen der Rockmusik. Rockmusik vom Feinsten, perfekt gespielte Instrumente und ein absolut typischer Twin-Gitarren Sound sind deren Markenzeichen. Als Hits der Band wie "The Warrior" oder "King Will Come" erklangen, blieb niemand mehr ruhig vor der Bühne stehen.
Wishbone Ash ist und bleibt eine solide und immer wieder gern gehörte Größe.
Die folgende Band zählte schon im Vorfeld des Festivals als eines der Highlights: UFO, die mit einer professionellen Rockshow, mit Power und der Gabe, das Publikum mitzureißen, überzeugten.
Und alle warteten auf die alten UFO-Hits. Die kamen auch zum Teil, aber vielleicht erwarteten viele der Besucher noch mehr der alten Stücke, die bekannter und beliebter als das neuere Songmaterial sind.
Überraschen konnten die Holländer The Gathering mit ihren homogenen Stücken. Sie zeigten eine gelungene Show und spielten feinen Indi-Trip-Rock. Die Musik von The Gathering wirkt melodiös und zugleich kraftvoll. Die Sängerin Anneke van Giersbergen konnte die Zuhörer begeistern und an die Musik der Band fesseln. Sie war stimmlich sehr gut in der Lage, die Songs umzusetzen und strahlte dabei eine große Portion Energie und Freude aus.
Als Schlussband des Abends gelang den Skandinaviern Hidria Spacefolk ein Auftritt der Extraklasse. Die Finnen spielten einen anspruchsvollen Spacerock mit vielen psychedelischen Elementen, der im Anspruch über den von beispielsweise Hawkwind oder den Ozric Tentacles hinausgeht. Auch diese Band gehörte zu den absoluten Favoriten des Festivals.
Der Sonntag präsentierte sich im Zeichen der Weltmusik, der Liedermacher und des Rhythm 'n' Blues. Hervorzuheben sei an dieser Stelle Götz Widmann, der mit seinen aktuellen und zeitkritischen Texten den Finger auf die Probleme unseres Alltags legte und seinen anarcho-komischen Liedern viele zum Schmunzeln und Lachen verführte.
Die Band Orange errichtete einen Sound des Rhythmus und der Trance. Die Musiker verschmelzen traditionelle Sounds mit modernen Elementen des Drum 'n' Bass. Die Akteure trommelten ekstatisch und trieben ihr Publikum mit Percussion und den Klängen des Didgeridoo in einen Tanzrausch. Bemerkenswert war auch der Obertongesang, der das hypnotische Feeling dieser Musik noch zu verstärken schien.
Als Höhepunkt des Sonntag wurde der Auftritt der Herzberg Blues Allstars erwartet. Und dann ging es los. Eine Session, die keine Fragen offen ließ. Wenn man die Namen dieser Band liest, weiß man, was auf die Fans zukommt. Rhythm 'n' Blues vom Feinsten. Mit Chris Farlowe, Clem Clempson, mit Mike Harrison und Pete Brown, Alex Conti, Gert Lange, Adrian Askew, Michael Becker, Hans Wallbaum, Kris Gray sowie Frank Tischer und Paul Burgess standen wichtige Bluesmusiker aus Deutschland und Europa auf der Bühne. Begeisterung des Publikums war das Resultat dieses Konzertes, das natürlich viel zu schnell vorüber war und noch viel länger hätte gehen können.
Natürlich sollte man auf keinen Fall die zweite Bühne des Festivals , die Freakstage, vergessen. Die hier auftretenden Bands präsentierten Musik in sehr ansprechender Qualität, wenn man an Zone Six, Indukti, Polytoxicomane Philharmonie oder i-H8 Camera denkt. Viele der Bands können als Geheimtipp gehandelt werden.
Abschließend bleibt zu sagen, dass das Festival trotz der enormen Hitze ein wunderschönes Event war, das einerseits perfekt organisiert worden war und sich zum anderen durch seine tolle Musik und seine Friedlichkeit auszeichnet.
Einen großen Dank an die Organisatoren und in diesem Sinne auf ein neues Burg Herzberg Festival 2007.
Burg Herzberg Festival - Breitenbach, 20.-23.07.2006
Bert Machoy, Fotos: Uwe Pabst, 28.08.2006
|