Hinterm Horizont
Hinterm Horizont Hinterm Horizont
Die Geschichte um ein Mädchen aus Ost-Berlin

Musical
Theater am Potsdamer Platz
14.03.2011


Artikel vom 02.04.2011


Holger Ott
Hinterm Horizont Normalerweise bin ich nicht der Freund von Musicals. Die Storys sind oft an den Haaren herbei gezogen und entsprechen selten der Realität. Es wird zu viel gesungen und getanzt und alles sieht immer so künstlich aus. Inzwischen ist es auch schon viele Jahre her, seit ich mir so etwas zum letzten Mal angetan habe. Anfang des Jahres bin ich aber hellhörig geworden, als angekündigt wurde, dass in Berlin, im Theater am Potsdamer Platz, etwas Neues auf die Beine gestellt wird. Nicht irgendwas, sondern eine Geschichte um die Wendejahre in der Ex-DDR, untermalt von der Musik Udo Lindenbergs, der doch immer einen sehr großen Einfluss auf die Jugend hinter der Mauer hatte. Durch einen hervorragenden Schauspieler wird Udo in die Handlung einbezogen und durch Live-Auftritte eines Panik-Orchesters-Cover begleitet.
Hinterm Horizont All das hörte sich für mich, als jahrzehntelanger Lindenberg-Fan sehr interessant an und ich reihte mich in die endlose Schlange ein, um mich um Tickets zu bemühen.
Nach Wochen des Wartens, betrat ich nun endlich die heiligen Hallen des Berlinale Palastes, in dem das Stück aufgeführt wird, und wurde in jedem Stockwerk von Udos Malereien erschlagen. Ich hatte schon einmal eine Ausstellung in Hamburg besucht, aber was mir hier geboten wurde, übertraf meine kühnsten Träume. Bilder in allen Formaten und aus jeder Epoche seines bewegten Lebens. Natürlich immer im Vordergrund die themenbezogenen Kunstwerke wie der "Sonderzug nach Pankow" oder "Gitarren statt Knarren" und selbstverständlich die "Andrea Doria", welche mich auf die bevorstehende Show einstimmen sollten. Selbst die Lederjacke für Erich konnte in einer Vitrine drapiert bewundert werden. Also ausreichend Futter für meinen kleinen Fotoapparat.
Hinterm Horizont Die Show beginnt dunkel aber dennoch furios. Udos Hut in King Kong-Größe schwebt von der Decke und ganz oben thront Serkan Kaya, der Udo verkörpert und eine kurze Einführung spricht. Zu meiner Überraschung bewegt sich die Handlung ausschließlich im Ostteil der Stadt und hat mit einem Musical wenig zu tun. In einer Plattenbaukulisse sitzt die Familie der Hauptdarstellerin Jessy, gespielt von Josephin Busch und Alina Staskowiak in verschiedenen Zeitabständen, und sinniert über die 'Alten Werte' des Sozialismus, die die Kinder Jessy und Elmar nun so gar nicht mehr verstehen können. Ihnen schwebt ein offeneres Leben vor, mit Musik ihrer Idole und der Möglichkeit, diese jederzeit sehen und hören zu können. Auflehnung gegen die eingefleischten Ideale ihrer Eltern zwingen sie, sich im Geheimen gegen alles und jeden aufzulehnen, dabei unter ständiger Beobachtung der Genossen und deren Lakaien. Hinterm Horizont Ihr absolutes Vorbild dabei ist Udo Lindenberg, der mit seiner Musik immer auf den Punkt kommt und ohne Schnörkel das ausdrückt, was jedem in der Seele brennt. Von Abenteuern in der Welt bis zu den einfachen Träumen in jedem von uns, die aber dem Menschen jenseits der Mauer über Jahrzehnte verwehrt bleiben. Als sich wie ein Lauffeuer herumspricht, dass Udo mit seinem Panikorchester im Rahmen einer Großveranstaltung im Palast der Republik auftreten soll, ist nicht nur die Jugend in Bewegung. Bis in den höchsten Etagen wird das Spektakel minutiös geplant und überwacht, und Jessy macht sich auf den Weg, ihrem Idol so nah wie möglich zu sein.
Hinterm Horizont Während dieses abwechslungsreichen und sehr lehrreichen Auszugs aus der Geschichte der Ex-DDR wird der Besucher im Publikum durch präzise und perfekte Wechsel der Kulisse in die Story mit einbezogen. Auf einer Replik der Berliner Mauer sind immer wieder Filmeinspielungen zu sehen, die das Zeitgeschehen, meist in schwarz/weiß, darstellen. Auch dem Laien, sprich den Gästen aus dem Westen, wird somit verdeutlicht, was sich über viele Jahre hinter der Mauer abspielte und mit welchen Schwierigkeiten und Schikanen die Bürger zu kämpfen hatten. Lebendiger kann man Geschichte nicht beschreiben und für meine Begriffe sollte diese Veranstaltung zum Pflichtprogramm jeder Schulklasse gehören, um jungen Menschen zu zeigen, was ihre Eltern erlebt haben und was in Deutschland nach dem Krieg passiert ist. Kein Lehrer kann es so mitreißend erklären, wenn er nicht selbst daran beteiligt war.
Nebenbei werden noch wichtige Themen wie Republikflucht und Stasigefängnisse aufgegriffen, die durch Jessys Bruder Elmar mehr als deutlich dargestellt werden, da er sich absolut nicht unterordnen will und sich immer wieder in prekäre Situationen manövriert.
Hinterm Horizont Im Leben von Hauptdarstellerin Jessy kommt es so, wie es in einer Liebesgeschichte kommen muss. Sie trifft ihr Idol, Gefühle entwickeln sich, und aus anfänglicher Freundschaft wird eine kurze Verbindung mit natürlichen Folgen. Sohn Steve, gespielt von Christopher Brose, kennt seinen Vater nur als erfolgsorientierten Leistungssportler und driftet immer weiter in den sozialen Untergrund ab. Jahre nach dem Mauerfall kommt wie immer durch einen dummen Zufall die Wahrheit ans Licht und die Familie macht sich auf die Suche nach dem richtigen Vater, der natürlich ebenso von all dem nichts weiß. Im Hamburger Hotel Atlantis, der Residenz von Udo Lindenberg, kommt es zum Wiedersehen und zum Happy End. Inwieweit dieser Teil der packenden Story der Wahrheit entspricht, sei dahingestellt. Ich denke, wenn Udo einen Sohn aus dieser Zeit hat, dann wäre dieser garantiert schon längst von den einschlägigen Medien vorgeführt und herumgereicht worden. Also lassen wir mal der Fantasie des Regisseurs freien Lauf und jeder Besucher darf sich seinen Teil davon selbst interpretieren.
Hinterm Horizont Mit "Hinterm Horizont" ist allen Beteiligten ein absoluter Volltreffer gelungen. Ich wünsche und hoffe, dass dieses wertvolle Stück Zeitgeschichte zum Dauerbrenner wird und jeder noch folgenden Generation zeigt, wie es wirklich einmal in Deutschland war.
Abschließend noch ein großes Kompliment an Udo-Darsteller Serkan Kaya. Inklusive der geliebten Nuschler, über Gesang bis hin zur Mimik und Gestik, bringt dieser Schauspieler die Rolle außergewöhnlich authentisch rüber. Und als kleiner Tipp am Rande von mir: Je weiter man von der Bühne entfernt sitzt, umso perfekter ist die Illusion.
Hinterm Horizont Ausstellung    Hinterm Horizont Ausstellung    Hinterm Horizont Ausstellung
Hinterm Horizont Ausstellung    Hinterm Horizont Ausstellung
Hinterm Horizont    Hinterm Horizont    Hinterm Horizont
Hinterm Horizont    Hinterm Horizont    Hinterm Horizont
Hinterm Horizont    Hinterm Horizont    Hinterm Horizont
Hinterm Horizont    Hinterm Horizont    Hinterm Horizont
Hinterm Horizont    Hinterm Horizont    Hinterm Horizont
Hinterm Horizont    Hinterm Horizont    Hinterm Horizont
Hinterm Horizont    Hinterm Horizont    Hinterm Horizont
Hinterm Horizont    Hinterm Horizont    Hinterm Horizont
Externer Link: