ROCKTIMES - Event / Motorcycle Jamboree - 17.07.2015 Jüterbog, Altes Lager

Vor fünfundzwanzig Jahren wurde aus einer simplen Idee heraus ein Kind geboren. Egal, ob männlich oder weiblich, wuchs es in dieser Zeit zu einem stattlichen und selbstbewussten Erwachsenen heran und erlebte dabei einige Höhen und Tiefen. Es lernte aus Fehlern, verbesserte und veränderte sich und erfreut sich in seinem Umfeld mittlerweile enormer Beliebtheit. Somit haben die 'Eltern' so gut wie alles richtig gemacht und dürfen selbstverständlich Stolz auf ihren Abkömmling sein.

Die Eltern sind der Born To Be Wild MC und deren Kind das Motorcycle Jamboree, die beständigste und mit Abstand größte Veranstaltung für Biker und Motorrad- sowie Musikfans im Osten der Republik.

Welch eine Last muss also dem veranstaltenden Club, den vielen Helfern und allen anderen Beteiligten vom Hals gefallen sein, als in der Nacht von Samstag zu Sonntag das Feuerwerk dem Event die Krone aufsetzt? Alles läuft wie immer reibungslos, da Erfahrung durch nichts zu ersetzen ist. Der Andrang ist in diesem Jahr enorm. Motorrad-Clubs aus allen Teilen Deutschlands, Europas und sogar aus Übersee werden gesichtet. Jeder will dabei sein, um wie immer Spass zu haben und den 'Borns' die Ehre zu erweisen, um ihnen somit zu diesem Jubiläum zu gratulieren.

T-Shirts mit dem speziellen Aufdruck sind leider bereits am Freitagabend vergriffen und selbst alteingesessene Fressbuden müssen Samstagabend vorzeitig schließen, weil der Vorrat verschlungen ist.

Bereits mit Beginn der Planungen, vor einem Jahr, wurden Wünsche nach besonderen Highlights laut. Sicher ist das der Wunsch eines jeden, wenn solch ein Event zum 25. Jubiläum ansteht, dass hochkarätige Bands auftreten oder man sich extravagante Sachen einfallen lässt. Natürlich wäre es in gewisser Hinsicht möglich gewesen, aber zum einen sollte kein Rummelplatz entstehen und zum anderen sind besondere Bands auch besonders teuer. Man einigte sich auf Tradition, ohne an der Uhr zu drehen und eine Bikerparty auf die Beine zu stellen, bei der man auf dem Teppich bleibt und der Gewohnheit den Vorrang lässt.

Bis darauf, dass das große Partyzelt nun in eine andere Richtung zeigt und ein paar kleine, aber weniger bedeutende Änderungen vorgenommen wurden, bleibt somit alles beim Alten und Bewährten. Viele kleine, unbekannte Bands bekommen wieder ihre Chance, sich auf einer großen Bühne zu präsentieren und da ist doch die eine oder andere Überraschung dabei, zu der ich noch im weiteren Verlauf kommen werde. Sicher kann man es gerade bei der Musik nicht jedem recht machen und der Veranstalter muss sich auch auf gute Empfehlungen verlassen können. Dass also ein Kevin Russel die Erwartungen vieler Besucher nicht erfüllt hat, dieses Risiko hat man aber auch mit jeder anderen Band und dass UFO keine Zugaben gegeben haben, lag einfach daran, dass der Zeitplan bereits deutlich überschritten war und die Ordnungshüter schon auf die Uhr getippt haben.

Dennoch war es wieder einmal ein Mega-Event, das nicht nur meinen Dank verdient. Nun aber mal der Reihe nach und aus meiner persönlichen Sicht.

Wie immer schlage ich am Freitag auf, als die Bikerspiele bereits im Gange sind. Leider muss ich arbeiten und kann einfach nicht früher erscheinen. Schon dabei fällt mir auf, dass mehr Leute auf dem Platz sind als die Jahre zuvor. Meine Vermutung, dass dieses Jahr die Dimensionen gesprengt werden, sollte sich am späten Abend bestätigen. Ich nutze die Zeit, eine Platzrunde zu drehen, um zu erkunden, was es so Neues gibt. Die Spiele interessieren mich nicht so zwingend. Vielleicht bin ich schon zu verwöhnt, weil ich in meinem Motorradfahrerleben bereits an unzähligen Veranstaltungen teilgenommen habe. Trotzdem zieht mich das Jamboree an wie ein Magnet und viele Wochen zuvor steigt auch bei mir die Nervosität. Ich weiß gar nicht warum, denn meine Arbeit findet weitgehend unbemerkt im Hintergrund statt. Auch ich bin seit dem ersten Mal dabei, als das Jamboree noch mit einer Handvoll Beteiligten in Biesenthal aus dem märkischen Boden gestampft wurde. Damals war alles überschaubar - heute braucht man einen Lageplan und Hilfe, um besoffen im Dunkeln zu seinem Zelt zu finden. Der Campingplatz hat inzwischen gewaltige Ausmaße angenommen und erinnert mich, aus der Luft betrachtet, irgendwie an Wacken. Wie eine kleine Stadt, mit Straßen und Plätzen, die von Wohnblöcken aus Zelten und Campingmobilen gesäumt werden. Zum Teil erweckt es den Eindruck, als ob ganze Gruppen und Clubs ihren Jahresurlaub dort verbringen und dabei fast ihren gesamten Hausstand ankarren. Der Platzbedarf einiger Anwesenden ist schon enorm. Zum Glück hat der Camp Ground noch einige Kapazitäten frei, die in diesem Jahr auch alle gebraucht wurden.

Unter den Händlern finden sich wieder die üblichen Verdächtigen und ein paar Neuzugänge. Für Abwechslung beim allabendlichen Flanieren im Sonnenuntergang ist also gesorgt und ebenso bei der Auswahl der Speisen und Getränke bleiben wie immer kaum Wünsche offen. Vielleicht hat es ja dabei die ein oder andere Preisanpassung gegeben, was mich eher weniger interessiert. Ich haue mir erst einmal einen dicken Burger rein und gurgele mit 'ner Cola, bevor ich ein paar Fotos von abgedrehten Bikes mache.

Inzwischen laufen die K1-Kämpfe, die sich in den letzten Jahren zu einer unverzichtbaren Institution ausgeweitet haben, genau wie die Highland Games im Anschluss. Wie bei den Bikerspielen sind auch hier nette Lachnummern dabei, ebenso wie kräftige, gut gebaute Kerle, deren Anblick beim Pumpen und anschließendem Kanisterschleppen bestimmt für die holde Weiblichkeit ein Augenschmaus ist.

Mich zieht es ins Zelt. Das Wild Rock Projekt haut in die Saiten. Die Band besteht aus Mitgliedern der Borns und eröffnet mit ihrer Bikermugge den Reigen. Die Truppe hört sich nicht schlecht an. Da steckt auf jeden Fall genug Potenzial drin und ich bin gespannt, was sie wohl nächstes Jahr zu bieten haben, sofern sie noch einmal auftreten möchten. Anschließend laufen die Bikerspiele in ihre letzten Runde für den heutigen Tag, bevor sich die Musiker abwechselnd im Zelt und auf der Bühne die Plektren und Sticks in die Hand geben.

Crossplane, aus dem Ruhrpott, ist der erste Act auf der Mainstage. Das gesamte Gelände füllt sich inzwischen mehr und mehr. Spielen sonst die Musiker in der Mittagshitze vor fast leeren Rängen, so ist der Platz vor der Bühne heute recht gut gefüllt. Gerade einmal 45 Minuten hat die Band Zeit, um sich und ihre Musik zu präsentieren. Lange genug, damit auch viele hellhörig werden und zur Bühne strömen. Ihre Musik ist hart und auf den Punkt genau, trifft somit mitten ins Bikerherz und ist neben dem Wild Rock Projekt ein gelungener Einstand, um das Feuer für den späteren Headliner anzufachen. Heute bleibt die Musik durchweg in dieser härteren Gangart und die nächsten sind die Kamikaze Kings aus Berlin. Etwas melodiöser und mit einer charmanten Tänzerin als Blickfang, geben sie sich überaus professionell. Sie haben in der Hauptstadt bereits einen bekannten Namen, spielen fast jedes Wochenende und ziehen mit ihrer angenehmen Musik immer mehr Fans in ihren Bann. Kann man sie da noch als Geheimtipp bezeichnen? Ich denke nicht mehr...

Der Wechsel der Bands erfolgt wie bei einem Staffellauf. Kaum zehn Minuten Zeit zum Luftholen und schon geht es im Zelt mit den Bonkers weiter. Es geht eigentlich alles viel zu schnell... Selbst Urgestein Knicki Knacki, Moderator seit dem ersten Event, kommt mit seinen Ansagen kaum hinterher und vergisst dabei sogar seine Lieblingssprüche, 'nicht wahr ihr Mäuse'. Auch ihm steht die Nervosität ins Gesicht geschrieben. Im Vorbeigehen am Zelt höre ich kurz rein, lasse die Band aber aus. Ich gebe zu, es ist nicht ganz mein Geschmack. Das Zelt platzt aber fast vor Überfüllung. Die Musikrichtung der Bonkers ist der der vorangegangenen Bands angepasst: hart druckvoll und stets nach vorne.

Ich vertrete mir erneut die Beine bei einem Rundgang, treffe dabei viele Bekannte und halte das eine oder andere Schwätzchen. Der Platz hat sich enorm gefüllt. Menschenmassen strömen auf den Hauptwegen hin und her, etliche Motorräder parken auf den Grünflächen und die Schlangen an den Futterluken werden lang und länger. Die Zapfanlagen werden im Akkord bedient. Die Luft ist drückend schwül und der Durst entsprechend groß. Ich laufe vor Schweiß aus, obwohl ich außer Fotografieren im Moment nicht viel zu tun habe.

Um 20:30 Uhr bin ich zurück vor der Bühne. Toxpack sind an der Reihe. Musikalisch für mich das erste richtige Highlight. Sie sind, wie alle bisherigen Bands, für mich völlig unbekannt, gefallen mir aber vom ersten Ton an. Mit der neuen digitalen Festivalanlage, die vom Veranstalter angeschafft wurde, ist ein klarer und reiner Sound bis in die hintersten Winkel des riesigen Geländes zu hören. Das lockt auch die Letzten vom Campingplatz und Toxpack spielen vor mehreren tausend Leuten. Während sie sich völlig verausgaben, trifft hinter der Bühne der Headliner des Abends ein. Kevin Russel, Sänger von Böhse Onkelz schlendert gemächlich heran und begrüßt jeden hinter der Bühne per Handschlag. Er soll heute das Hauptprogramm mit seiner Band Veritas Maximus bestreiten und nach dem riesigen Erfolg der Onkelz-Reunion im vorigen Jahr, sind die Erwartungshaltungen natürlich extrem hoch. Er wird mir als extrem schwierig angepriesen, aber wer mich kennt, der weiß, dass ich solche 'Herausforderungen' mag. Der Bursche muss doch zu knacken sein.

Vorher jedoch geben sich Goitzsche Front im Zelt die Ehre. Es ist so voll, dass ein Hineinkommen unmöglich ist. Ich versuche, ein paar Bilder aus der Ferne zu machen, scheitere aber an der düsteren Beleuchtung. Die Musik ist ultrahart und ich beschließe, wieder hinter der Bühne zu verschwinden, um etwas mit Kevin Russel zu plaudern. Die Musik ist dort nicht viel leiser und ich kann mir nebenbei einen Eindruck verschaffen, komme dabei zu dem Ergebnis, dass die Band gut ist, aber leider nicht meinen Geschmack trifft. Bis jetzt hat es bei den Bands kaum Abwechslung gegeben. Die Musik ging fast immer, mit kleinen Ausnahmen selbstverständlich, in die gleiche harte Richtung. Mal finde ich das gut, aber als Dauerbeschallung über den ganzen Tag ist es doch zu anstrengend.

Russel ist eigentlich gut drauf. Redet recht viel über dieses und jenes, gibt ein paar Autogramme, aber als ich ihn um ein Foto mit mir bitte, lehnt er strickt und kategorisch ab. Ich müsse verstehen, von wegen schlechte Erfahrung mit Reportern und so weiter, laber laber, schwätz schwätz. Selbstverständlich akzeptiere ich seinen Status, diskutiere nicht mit ihm darüber, frage mich dabei allerdings, weshalb ich beim Auftritt ungeniert draufhalten darf.

Tja, und dann folgt sein Gig vor mindestens zehntausend Menschen, wenn nicht sogar noch viel mehr, die von ganz weit hinten zur Bühne drängen. Bereits nach wenigen Minuten macht sich Enttäuschung breit. Kaum Jubel nach den Songs, wenig Reaktion auf seine Musik und vor allem deren Texte. Er protagoniert 'keine Macht den Drogen und dem Alkohol', redet viel belangloses Zeug, baut sich als Moralapostel auf und kommt damit völlig unglaubwürdig rüber. Wenn ich mir in Ruhe die Fotos vom Auftritt ansehe, so steht ihm fast immer der Hass ins Gesicht geschrieben. Auch bei seinen Ansagen lässt er diese Einstellung heraushängen. Er ist gegen Dieses und gegen Jenes und gibt sich selbst als der Vorreiter von Allem. Wenn ein Mensch so viel Ablehnung gegen einen Staat oder gegen ein System hat und dieses permanent öffentlich kundtut, frage ich mich, was dieser Mensch dann hier überhaupt will, außer die Vorzüge unseres sozialen Systems für sich in Anspruch zu nehmen. Nun ja, ich könnte jetzt auch noch darüber schreiben, was er sich vor dem Auftritt alles hineingeschüttet hat, aber ich bin ja ein anständiger Reporter, der gerne auf ein persönliches Foto verzichtet und sich ihm gegenüber loyal verhält - im Gegensatz zum dem, was er seinen Fans zu vermitteln versucht.

Der Auftritt von ihm ist eine einzige Pleite. Nichts gegen seine Band, die sind absolut hervorragend und spielen sich die Seele aus dem Leib, aber bei ihm zündet nicht ein einziger Funke. Die Fans verlassen reihenweise den Bühnenvorplatz und somit tun sich riesige Lücken auf, die Kevin Russel hoffentlich registriert hat.

Das Ende des Konzerts erlebe ich nicht mehr, weil es mir, wie tausenden Anderen nicht gefällt. Ich bin platt von der Hitze und will nur noch schlafen. Morgen ist ein neuer Tag.

Der beginnt mit einer kleinen Ansprache, der Fortsetzung der Bikerspiele und weiteren Ausscheidungen der K1-Freefights. Der Platz ist schon mittags überaus gut gefüllt und es strömen immer mehr Menschen und Motorräder hinzu. Zum Glück ist es heute nicht mehr ganz so heiß. Ein kleiner Regenguss hat für deutliche Abkühlung gesorgt, trotzdem ist die Stimmung keinesfalls getrübt. Ich glaube, ich habe noch nie solch eine entspannte Veranstaltung gesehen. Beim Rundgang spreche ich mit einem christlichen Motorrad-Club, von denen einige Mitglieder extra aus den USA angereist sind. Sie sind ebenfalls begeistert und werden in ihrer Heimat viel zu erzählen haben.

Heute dient das Partyzelt als Ring für die K1-Kämpfe, sowie als Sonnenschutz und Sitzmöglichkeit, um der Musik auf der Bühne aus der Ferne zu lauschen. Heaven To Hell sind die ersten, die sie entern. Aus Österreich angereist, spielen sie hauptsächlich Coversongs von Black Sabbath und Ozzy Osbourne. Bis auf die etwas zu hohe Stimme des Sängers klingt alles perfekt. Der weite Weg für ihren kurzen Auftritt hat sich gelohnt, das Publikum ist begeistert und gut in Stimmung gebracht. Ich muss zugeben, die Bands am Samstag bieten deutlich mehr Abwechslung - ein kleines Manko am Tag zuvor, an dem aber mit Sicherheit gearbeitet wird.

In der Umbaupause wieder K1-Kämpfe - bei der Hitze garantiert keine Freude für die Fighter und Fighterinnen. Deshalb, alle Achtung und den vollen Respekt für ihren Sport.

'Ich glaub, mich tritt ein Pferd', ist in etwa die Übersetzung des Namens der nächsten Band. Aus dem Norden der Republik, aus Bremen, kommen Daalschlag und bringen Bikermusik mit deutschen Texten - ihr erster Auftritt vor solch einer Masse Menschen. Ihre Musik zündet im Publikum - neugierig geworden, strömen immer mehr nach vorne. Die sympathischen Musiker holen alles aus sich heraus und punkten auf der ganzen Linie. Ich denke, das wird nicht ihr einziger Auftritt beim Jamboree bleiben.

Die K1-Kämpfe sind im Finale angekommen. Recht zügig werden diese Fights abgehandelt und die Sieger in ihren Klassen stehen fest - ebenfalls bis zum nächsten Jahr. Man kann schon fast fragen, was das Jamboree ohne sie wäre. Das gleiche gilt für die Limited Booze Boys aus Thüringen. Bereits seit Jahren dabei und immer wieder gerne gesehen und gehört, feiern sie in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Zudem hat ihre Feuershow schon etwas abgefahrenes. Die Frage nach der Bekleidung unter ihren Schottenröcken wird natürlich im Rahmen der Moderation von Knicki Knacki ausgiebig erläutert. Die Band erfreut sich mit ihrer fetten Musik äußerst großer Beliebtheit und darf, nach Meinung der Fans, selbstverständlich jedes Jahr beim Jamboree auftreten. Na, dann freuen wir uns schon auf ein Wiedersehen. Ebenso wie auf Onkel Kreuz und seine Mannen, die ihr diesjähriges Gastspiel zu Gunsten von Kevin Russel ausfallen lassen.

Was wäre eine Biker-Veranstaltung ohne die Wahl des schönsten, außergewöhnlichsten, best lackiertesten und Was-weiß-was-noch-alles-Bikes. Die Pressefotografen der Printmagazine reißen sich wieder um die Filetstücke und die Gewinner freuen sich über schmuckvolle Pokale, die in diesem Jahr durch das Jubiläumslogo besonders was hermachen. Den Vogel als Best-of-Show schießt dieses Mal ein Modell der Marke Boss Hoss ab. Hubraum ist eben durch nichts zu ersetzen, außer durch Hubraum.

Die Sonne ist hinter dem Horizont verschwunden, es wird erträglich. Ich dreh noch 'ne Runde auf der Suche nach etwas Essbaren. Die Auswahl ist wie immer riesig, allerdings der Andrang noch viel größer. Somit stelle ich fest, dass mein Lieblings-Burgerverkäufer seine Luke mangels Versorgungsnachschub bereits vorzeitig schließen musste. Ich schwenke gedanklich auf Pizza um und diese Idee haben außer mir noch andere Leute. Die Schlange ist fast endlos. Anderen Händlern scheint es mit dem Nachschub ähnlich zu gehen und das lässt mich darüber nachdenken, wie viele Menschen wirklich inzwischen auf dem Areal verteilt sind. Also, wenn das Olympiastadion in Berlin nach Konzertende von AC/DC die Fans nach Hause entlässt, sieht es nicht viel anders aus. Meine Schätzungen bewegen sich im mittleren fünfstelligen Bereich.

Ich hetze mit meinem Bissen im Mund zur Bühne zurück. 5th Avenue beginnen gerade vor sozusagen 'ausverkauftem' Haus. Welch eine Freude für eine Band, die nicht jeder kennt, vor solchen Menschansammlungen zu spielen. In diesem Moment denkt jeder Musiker, alles richtig gemacht zu haben. Auch sie sind sehr gut und spielen sich die Seele aus dem Leib. Währenddessen sind die Headliner hinter der Bühne eingetroffen. Phil Mogg, Andy Parker, Vinnie Moore, sind die Namen, die jeder im Ohr hat, wenn man den Namen UFO erwähnt. Sie sind das Zugpferd des Abends. Während 5th Avenue noch immer auf der Bühne das Partyvolk rocken, komme ich mit Phil Mogg ins Gespräch. Er möchte einen Zug durch die Gemeinde machen und ich biete mich an, ihn zu begleiten. Ein gemeinsames Gesprächsthema ist schnell gefunden. Nein, nicht über Musik, nicht über die neue CD, nicht über vergangene Tage, sondern er erzählt mir, dass er eine Sportster fährt und wir sind sofort auf einer Wellenlänge. Wie bekannt sein dürfte, lispelt Phil extrem stark und bei dem Lärm um uns herum, ist es sehr anstrengend eine vernünftige Unterhaltung mit ihm zu führen. Wir reden die ganze Zeit nur über private Dinge und ich bin überrascht und erstaunt zugleich, wie offen er ist. Immerhin sind wir uns vorher nie persönlich begegnet. Er will ebenso viel über mich wissen, wie ich über ihn und ich soll ihm in kürzester Zeit mein ganzes Leben erzählen. Inzwischen ist es schummerig und wir können ungestört das Gelände abstreifen. Wo er einen neuen Gürtel und eine neue Gürtelschnalle finden kann, fragt er mich und ich bringe ihn zu verschiedenen Händlern. Auch dort das gleiche Spiel, niemand erkennt ihn und er kann sich in Ruhe ein neues Schmuckstück aussuchen. Er interessiert sich für Kunst am Bike und ich mache ihn mit einer Airbrush-Künstlerin bekannt. Leider bleibt uns nicht genug Zeit, um mehr zu sehen und wir müssen zurück in den Backstage-Bereich, mit dem Versprechen, uns beim nächsten Gastspiel in Berlin zu treffen.

Nachmittags haben sie noch die Bike-Waschmaschine im knappen Bikini praktiziert, dabei viel Lob und Neid geerntet. Abends sehen wir die beiden Damen erneut, dieses Mal in Schale geworfen, um ihre atemberaubende Erotik-Show darzubieten. Ja, ich gebe zu, sie sind ein Hingucker und haben neben dem Einseifen von Motorrädern auch noch andere Qualitäten. Ein echter Volltreffer und Augenschmaus. Da verschlägt es sogar unserem Knicki Knacki die Sprache und die folgende Band, Red's Cool aus Russland, legt ohne seine Ansage los. Sehr hart, sehr schnell - nicht unbedingt meine Favoriten, aber für ihren Dreißig-Minuten-Auftritt gibt es reichlich Applaus.

Kurze Verschnaufpause, bevor UFO auflaufen. Ich habe sie länger als ich mich erinnern kann nicht mehr live gesehen und hoffe natürlich auf viele der alten Klassiker. Mein Blick auf die Setliste zeigt mir, dass von jedem etwas dabei ist. Sicher wollen sie ihre neue CD promoten, aber so was wie "Doctor Doctor" und "Lights Out" darf natürlich nicht fehlen. Gitarrist Vinnie Moore ist dabei der beste Mann on Stage. Er feuert Gitarrensoli in die Menge, dass die Schwarte kracht. Sänger Phil Mogg kommt dabei immer etwas verloren rüber, da die Soli oft länger sind als seine Gesangspassagen und er währenddessen nicht so recht weiß, wie er sich die Zeit vertreiben soll. Die ganz langen Songs sind es nämlich, die es an diesem Abend bringen. Der Auftritt ist wirklich klasse und sie sind für mich, als alten Fan, mit Abstand die beste Band des Jamboree. Leider spielen sie nur eine Stunde, also viel zu kurz. Der Zeitplan hängt deutlich hinterher und bevor es Beschwerden und somit richtig Ärger mit den Ordnungshütern gibt, wird der Auftritt leider ohne Zugaben beendet. Wie schade!

Die schönste Frau des Jamboree wird gekürt. Knicki Knacki ist in seinem Element. Der Andrang der Anwärterinnen ist dieses Mal besonders groß. Nicht nur die dreihundert Euro Siegprämie locken, sondern auch Ruhm ohne Ende. Aber, seid mal ehrlich: Wer weiß noch den Namen der Gewinnerin? Dafür kennt doch aber jeder die Dame aus dem Vogtland. Wer dabei war, weiß Bescheid und wer nicht, findet reichlich darüber bei FB oder in der 'Tube'. Auf jeden Fall hatte Jeder und Jede seinen/ihren Spass. Und den hat auch selbstverständlich der Gewinner des Bikes, einer Sportster, die zur Verlosung stand. Viel Freude mit dem geilen Teil.

Feuerwerk und Lasershow sind als Unterhaltungspunkt ebenso obligatorisch, wie vieles, das seit Jahren das Motorcycle Jamboree begleitet. Ich bin zwar völlig k.o., lass mir diesen Anblick aber nicht entgehen, gemeinsam mit den Jungs von UFO, die noch einmal aus ihren Autos aussteigen und das Schauspiel ebenfalls genießen möchten - schön für alle Sinne, inklusive der angenehmen Begleitmusik. Auch mir fällt jetzt ein kleiner Stein vom Herzen. Es ist vollbracht und nun beginnt die Planung für das kommende Jahr und die nächsten Fünfundzwanzig.