Jedes Jahr gibt's mehrere 'Pflichttermine'. Die jeweils 2. Wochenenden der Monate Juli und September gehören fest dazu. Hier finden die beiden schönsten Open Air-Veranstaltungen des Sommers statt. Vollmershain, organisiert von Ute und Reiner, deckt eher den Blues/Bluesrock ab - Oettersdorf, organisiert von Tina und Dirk und ihrem Team ist da stilistisch breiter aufgestellt. Vom Liedermacher, Blueser, Indie Rock, Mittelalter-Mugge bis hin zum Punkrock ist ein vielfältiges Programm zu finden. Die Veranstalter verstehen es geschickt, sowohl die Bandwünsche der Fans zu berücksichtigen, als auch 'neue' Namen, die man auf den ersten Blick hier nicht vermuten würde, wie Transit im letzten Jahr, einzuladen. Gerade das macht die Vielseitigkeit des Open Airs aus - es ist für jeden Musikgeschmack etwas dabei.
Desweiteren ist es wichtig, Kumpels, Freunde, Bekannte zu treffen, zu schwatzen, zu grillen und natürlich auch das eine oder andere Bierchen zu vernichten. Befürchtungen wegen der Anreise zum Ferienbeginn erwiesen sich als unbegründet, alles rollte gut und auch die Abfahrt Dittersdorf bzw. die neue Ortsumgehung - alles frei. Zum Zelten steht eine große Wiese, ca. 150 Meter vom Veranstaltungsgelände entfernt, bereit. Zelten neben dem Auto, Grillen erlaubt, Dixi-Klos, Wassertank - alles ist bestens organisiert. Das Veranstaltungsgelände hat zwei Bühnen, ein große draußen und eine kleinere im Zelt. Essen und Trinken sind rund um die Uhr möglich, zu fanfreundlichen Preisen.
Footsteps:
Durch die krankheitsbedingte Absage von Pothead und der damit verbundenen Verschiebung im Zeitplan hatten die Jungs von Footsteps, die das Open Air eröffneten, zum Glück mehr Zeit für ihr Set zur Verfügung. Ich kenne und verfolge die Band nun seit Jahren, sie werden einfach immer besser. Im Blues Rock verhaftet, mit einem kräftigen Southern-Einschlag, mischen sie geschickt eigene Titel ihrer beiden Platten mit Coverversionen ihrer Vorbilder, wie z. B. Gov't Mule. Sie sind in der Beziehung absolut authentisch und besuchen bei der jetzigen Mule-Tour auch wieder einige Konzerte. Der Sound kommt wuchtig und kompakt rüber, in ihrem Set sind auch viele Jams zu finden.. Das war ein klasse Auftakt des Festivals.
Zaunpfahl:
Punkrock-Band aus Teterow. 1994 gegründet und ich muss ehrlicher Weise gestehen, sie noch nie live gehört zu haben. 2011/2012 war es ja aufgrund der Krankheit von Goethe etwas ruhiger geworden. Zum Glück kann er mittlerweile wieder auf der Bühne stehen bzw. sitzen. In Oettersdorf überzeugte die Band mit einem klasse, druckvollen Set, "Polizisten" durfte nicht fehlen, komplette Setliste ist bei den Fotos zu finden. Guter Punkrock, intelligente Texte - ich freue mich schon auf den nächsten Gig von Zaunpfahl.
Kurz & Lang:
Die sympathische Band gehört ja fast schon zum Inventar des Festivals, der erste Auftritt in Oettersdorf war 1993. Das Motto ist Programm: Blues und Rock. Mischung aus internationalen Standards und eigenen Nummern (erschienen auf der Scheibe: "Es ist Zeit"). Treibender Groove der Rhythmusgruppe, Bluesharp - da bleibt einfach kein Fuß still und so ging bei Kurz & Lang die Post ab. Die Band spielte zwei Sets im Zelt. Da am Samstagfrüh zu einem Bluesfrühschoppen die entsprechende Musik fehlte, habe nicht nur ich gedacht, hier fehlen Kurz & Lang. Ich bin auch ein großer Fan eines Ablegers, wenn die Musiker in einer anderen Konstellation zusammenspielen, der Christoph Gallas Blues Band, vor allem wenn sie, wie beim Bluesfasching in Apolda vor einigen Jahren, mit einem kompletten Bläsersatz spielen.
Dritte Wahl:
Mit der Einladung von Dritte Wahl kann man als Veranstalter nix falsch machen. Die Band hat eine breite Fanbasis, zieht auch ein junges Publikum an, macht geile Mugge und ist ein Garant für Stimmung. Die Band gibt es seit 25 Jahren, seit ungefähr der Hälfte der Zeit habe ich sie für mich entdeckt. Die Diskografie steht komplett im CD-Regal, und wenn vor der Bühne mal mit einigen Fans die Pferde durchgehen, wird auch eingegriffen bzw. um es mit Gunnar zu sagen: »Wir sind doch hier, um eine geile Party zu feiern...«. Krel treibt die Band gnadenlos nach vorne. Diesen Drumsound
bekommen andere Drummer nicht mal mit einer Double Bass-Drum hin, Gunnar und Stefan teilen sich den Gesang bzw. singen gemeinsam. Live wird die Band seit einiger Zeit von einem Pianisten unterstützt, den
viele nur als Rainer Langhans kennen, der aber eigentlich Dietmar heißt. Durch die Absage von Pothead sprangen die 'Wahle' am ersten Abend kurzfristig ein und lieferten ein Spezialset mit ihren Hits aus den Werken der letzten 25 Jahre. Am zweiten Abend gab's keine feste Setliste, da wurden auch Raritäten und Seltengespieltes ausgepackt bzw. auch auf Zuhörerwünsche eingegangen. Über drei Stunden Dritte Wahl an beiden Tagen, die Band ist spontan, nur ganz wenige Doppelungen von Liedern an den zwei Tagen, musikalischer Bogen von der ersten Platte "Fasching in Bonn", 1992 ("Tobias", "Mainzer Strasse") bis hin zur letzten CD "_Gib_Acht!_, 2010" ("Fliegen", "Wo ist mein Preis?"). Jetzt steht im Herbst die Jubiläumstournee an, bei der die Fans über die Setliste mit abstimmen können. Desweiteren erscheint im September die CD "25 Jahre/25 Bands", wo 25 Bands je einen Titel der 'Wahle' in ihrem eigenen Stil interpretieren. Volles Programm, deshalb alles Gute für die nächsten 25 Jahre !!!!
Nach dem zweiten Set von Kurz & Lang hatte Bunzel anschl. die Nachtschicht, um die Nimmermüden bis zum Beginn der nächsten Muggen am Morgen zu beschallen. Für mich war aber jetzt Schicht im Schacht. Ausschlafen, den gestrigen Tag nochmal reflektieren - der Mensch ab 40 braucht seine Zeit, um in die Gänge zu kommen. Früh spielte dann Heike Mai mit Mote Filet, unterstützt von Hansi Noack von Dekadance. Die letzten Klänge von "These Boots Are Made For Walking" bekam ich gerade noch so mit.
Kirsche & Co:
Letztes Jahr war in Sachen Kirsche auf den Open Airs für die Fans so ne Art 'Saure-Gurken-Zeit'. Dabei sind sie immer ein Garant für Party. In diesem Jahr wurden sie zum Glück wieder gebucht, Auftrittszeit 14:00 auf der Zeltbühne war aber arg zeitig. In einer Woche erscheint die neue CD und so spielte die Band in Oettersdorf ein Spezialset mit Raritäten & Fanwünschen, da dann ab nächster Woche die neuen Titel im Fokus stehen. Mit "Wir hatten doch alle schon mal bessere Zeiten" gab's allerdings schon einen kleinen Vorgeschmack - ein Rocker, der richtig abgeht. "Wenn der große Regen fällt", "Pik Ass", "Passagier" - vor der Bühne ging richtig die Post ab, auf der Bühne gaben Kirsche & Co. Vollgas. Wir nutzen die Gunst der Stunde und so brüllte dann das ganze Zelt nach "Gisela", null Chance für Kirsche das zu überhören …. Fans kamen auf die Bühne und boten teilweise Obskures wie "Das Rennsteiglied" oder "Lied von der Kuckucksuhr". "Halt's Maul und tanz mit mir" kam mit Unterstützung eines jungen Akkordeonspielers. Höhepunkt war aber eine über 20-minütige Version von "Gloria", in die Kirsche komplett "Sympathy For The Devil" (mit deutschem Text) und "My Generation" einbaute. Zwei Stunden Vollgas, eine entfesselte Band auf der Bühne - mit einem der besten Gigs von Kirsche & Co, den ich gesehen habe. Otto an den Drums muss die 'Kraft der Doppelherzen' haben, denn die Temperaturen waren alles andere als winterlich.
Da zum Samstagnachmittag auch immer das gemütliche Grillen zum Programm gehört, haben es Bands, die in diesem Zeitfenster spielen, etwas schwer. Aussetzen bei Ingrimm und auch das erste Set von Backdoor habe ich nicht gesehen. Ausruhen, Kräfte sammeln und des Mannes liebster Beschäftigung nachgehen: Ein ordentliches Stück Fleisch auf den Grill legen …
Freygang Band:
Gerade frisch von einer Südafrikatour zurück, die Berichte darüber konnte man ja per Internet prima verfolgen. Schulle hatte am Merch das entsprechende Shirt und die CD dazu. Im Sommer gibt's von Piet Botha und den Akkedis den entsprechenden Gegenbesuch.(Tipp!!!) Für viele Altfans ist Freygang ohne André nicht mehr das, was es mal war. Nur das muss man trennen, Freygang ist jetzt Freygang Band. So schön zu sehen, dass auch viele junge Fans vor der Bühne versammelt waren. Guter Mix von alten Stücken ("Mörder, rollende Fass") bis hin zu neuen Nummern ("Schneller, höher, weiter", "Heimatfront"). Dritte Wahl war auch hinter der Bühne versammelt und so gab's auch den Gruß nach Rostock ("Wo ist mein Preis?"). Zum Abschluss kam der "Bewaffnete Blues" und der Scherbenklassiker "Jenseits von Eden". Schöne Party und zu Freygang wieder richtig abgerockt.
Backdoor:
Die Band kann auch schon auf eine rege musikalische Vergangenheit zurückblicken, Holle, Sven und Büffel spielen seit 1987 zusammen. Verschrieben hat sich die Band der zeitlosen Musik der Doors. Sie unterliegen aber nicht der Gefahr die Doors 1:1 kopieren zu wollen, sondern bringen eine eigene Note ins Spiel. Die 5-er Besetzung mit Kevin am Bass lässt dafür auch mehr Spielraum. Nach Ostern in Tanna für mich der zweite Gig der Band - Büffel am Mikro ist eh ein Ereignis .Der letzte Titel die Überleitung zur Seilschaft mit "Alle oder keiner" war dann doch eine Überraschung.
Die Seilschaft:
Schönes Kontrastprogramm. Gundermann gehört neben Tamara Danz und Cäsar zu den Musikern, die unersetzbar, unvergessen sind und in der heutigen Zeit schmerzlich vermisst werden. Gerne erinnere ich mich an die dreistündigen Konzerte von Gundermann und seiner Seilschaft zurück. Vor allem textlich hat er immer den Nagel auf den Kopf getroffen. Mit nur 43 Jahren verstarb er 1998 überraschend und viel zu früh. Seit einigen Jahren tourt die Seilschaft nun wieder, Christoph Frenz ist am Bass dabei und die Position von Gundi hat Christian Haase übernommen. Termine der Seilschaft übers Jahr sind sehr rar, die Musiker sind mit BAP, Polkaholix und der Haase Band alle selber dick im Geschäft. Egal, ob elektrisch oder akustisch, die alte Musikalität und die Spielfreude sind geblieben. In Oettersdorf jetzt blieb 'nur' Zeit von knapp zwei Stunden. Andy, Haase und Mario teilten sich das Mikro, Tina und Christoph bildeten die Rhythmusgruppe und Micha an Akkordeon und Keyboards. "Kämpfen wie Männer", "Zweitbester Sommer", "Und musst Du weinen" - das Publikum war textsicher. Ein Dank an die Veranstalter, diese großartige Band eingeladen zu haben.
Speiches Monokel:
Zwei Sets in der Zeltbühne, unterbrochen von Dritte Wahl auf der großen Bühne. Zum Fastabschluss des Tages gab's noch eine richtig gute Mugge auf der Zeltbühne. Es war heiß in Oettersdorf und durch die Party vor der kleinen Bühne sah sie dann zum Abschluss der zwei Tage auch entsprechend eingestaubt aus. Seit Mai dieses Jahres betreue ich die 'Speiches Monokel Fan Page' bei Facebook, infiziert durch den Monokel-Virus wurde ich aber schon viel früher und "Bye Bye Lübben City" ist mein Lebensmotto - überall dahin zu fahren, wo gute Konzerte und Muggen zu finden sind. Seit vielen Jahren bin auf den Konzerten der Band zu finden und freue mich immer wieder drauf, Speiche, Zuppe und ihre Mannen live zu sehen. Carsten Große ('Blank', 'Blue Stift' oder 'Galas Tourrette') ist jetzt fest an den Gitarren dabei, es war jetzt sein
erster 'offizieller' Auftritt mit der Band. Erster Schreck - Olli an Krücken, linker Fuß in Gips, aber Drummer scheinen hart im Nehmen zu sein. Er hat trotzdem die Hi-Hat gespielt. Olli treibt die Band gnadenlos an, von Zuppe nicht umsonst fast immer als 'General Olli Becker' vorgestellt. Im ersten Set "Kindertraum", "Lübben City", "Amboss oder Hammer", "Lumpenlied" - die Klassiker der Band. Vor der Bühne ordentlich Party mit entsprechendem Staubeinsatz. Im zweiten Set dann der "Schreier", "Wie die Großen" und natürlich darf auf das "Monster vom Schilkinsee" nicht fehlen. Zuppe, wir haben deinen Ratschlag, "Kinder, haltet euch fern vom Alkohol", alle befolgt. Wo wir ihn gesehen haben, wurde er 'vernichtet'. Speiche und Olli - die Rhythmusfraktion - trieben die Band an, auf der sich dann die Gitarrenfraktion mit Jürgen und Carsten austoben konnte. Hammersound, auch hinter der Bühne. Fans zufrieden, Band zufrieden - alle haben alles gegeben.
Den Abschluss zu früher Stunde lieferten dann die Jungs von Crayfisch - the music of AC/DC. Christian, der Sänger kommt verdammt nahe an Brian Johnson ran. Obwohl reine Coverbands, die 1:1 nachspielen nicht so mein Ding sind, ein guter Auftritt. Musikalische Nachtschicht dann wieder von Bunzel.
Der Sonntagfrühschoppen gehört traditionell Didi Play, aber da war es schon Zeit zu packen und sich auf den Heimweg zu machen.
Fazit:
Wieder ein wunderbares Festival, viele Fans nehmen dafür zum Teil sehr weite Anreisen auf sich. Tina und Dirk verstehen es jedes Jahr, ein vielseitiges und abwechslungsreiches Programm zu organisieren. Neben den beiden muss man aber auch den vielen Helfern im Hintergrund herzlich danken, die dafür sorgen, dass alles reibungslos funktioniert. Organisation, Einlass, Auf- und Abbau - eine Wahnsinnsarbeit. Dank auch an die Technikcrew - Sound war top, desweiteren immer alles auf- und abbauen, einregeln ….- kein leichter Job. Vermissen tue ich allerdings seit zwei Jahren den Hähnchengrill. 'Broiler' kennt jeder, und geht immer, oder? Einige Festivals stehen für mich jetzt noch über den Sommer an (Dieskau, Prießnitz, Hohenlobbese, Gehren), zum Saisonabschluss in Vollmershain wird die Gemeinde aber wieder vollzählig versammelt sein.
PS.: Am Rande des Festivals gab es aber auch eine traurige Nachricht. Micha 'Lefty' Linke von den Kraftbluesern hatte Donnerstag einen Schlaganfall und liegt im Krankenhaus. Von dieser Stelle aus alles Gute verbunden mit den besten Wünschen für eine schnelle und vollständige Genesung - Grüße nach Berlin.
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