Rock Meets Classic, 12.01.2010
Saarlandhalle, Saarbrücken
Rock Meets Classic Rock Meets Classic
Mit Lou Gramm, Bobby Kimball und Dan McCafferty Saarlandhalle, Saarbrücken
12. Januar 2010
Event
Stil: Rock & Classic
Fotos: ©Julia Becker

Artikel vom 19.01.2010


Boris Theobald
Es war ein Abend voller Ungewissheiten in der Saarbrücker Saarlandhalle. Geschätzte 1500, vorwiegend mittelalte Rock-Fans wussten nicht so recht, muss ich klatschen, wenn das Orchester die Bühne betritt? Und wenn, dann wie heftig? Und wenn der Dirigent kommt? Und noch weniger wussten sie, wie die drei Hauptdarsteller des Abends drauf sein würden: Lou Gramm (Foreigner). Bobby Kimball (Toto) und Dan McCafferty (Nazareth), übrigens der einzige der drei Rock-Dinos, der noch mit seiner Originalband unterwegs ist. Aktiv sind sie freilich alle noch. Doch gehen die drei zusammen stramm auf die 190 zu. Und besonders manch einer, der sie aus den Augen/ Ohren verloren hatte, wird besonders beim Anblick der äußerlich etwas grau und tattrig gewordenen Lou Gramm und Dan McCafferty doch eher stutzig. Womöglich sind deswegen ein paar Hundert Plätze in den hinteren Rängen frei geblieben...
Rock Meets ClassicUnd dann die ersten gesungenen Töne des Abends - sie kommen von Dan McCafferty. "Dream On". Die ersten Zeilen sind a cappella - genau so, wie man das Stück kennt. Und ab dem ersten Ton bleibt die Zeit stehen und der Atem stockt - diese Stimme ist ein wahres Wunder! Kraftvoll, präzise, leidenschaftlich - ergreifend! Dan McCafferty erntet spontanen Applaus und anfeuernde Pfiffe bereits nach Sekunden. "Dream On", in dieser Form eine Jahrhundertballade, feinfühlig umspielt vom Orchester. Als nächstes dürfen die 'Klassiker' vom Prager "Bohemian Symphony Orchestra" offensiver ran, denn es wird nun härter gerockt: Bei "Hair Of The Dog" und "Holiday" spielt das Orchester eine imposante Rolle und macht aus den Hooklines ein bombastisches Vergnügen.
Rock Meets ClassicMit "Love Hurts" folgt nochmal eine Gänsehautnummer, die schon beklatscht wird, wenn die breit verzerrte, rumorende Gitarre die ersten Töne anspielt. McCafferty agiert mit einer derartigen Brillanz, dass einem die Tränen in die Augen schießen! Und dann das magische "This Flight Tonight"... wenn es in den Chorus geht und McCaffertys Gesang bei »Starbright, Starbright...« regelrecht abhebt und das Orchester zum energischen Crescendo ansetzt, krieg ich spontane Ganzkörpergeflügelepidermis. Meine Wenigkeit samt Begleitung hält es beim Schlussapplaus nicht auf den Sitzen - leider sind wir erstmal die einzigen Steh-Jubler. Der Rest der Halle ist zwar auch schon sehr begeistert, aber es bleibt erstmal beim Sitz-Pogo. Wahnsinn... ein sensationeller Auftritt Dan McCaffertys, der sich zusätzlich zur göttlichen Leistung auch noch durch sein äußerst sympathisches Auftreten auszeichnet. Ein paar Brocken Konzerthallen-Deutsch, ein leger umgehängter Schlips, Verbeugungen vor dem Publikum - der Mann hat Stil, Klasse und Witz...
Rock Meets Classic... und nicht zu vergessen: ein hochklassiges Ensemble im Rücken! Insgesamt tummeln sich an die 40 Musiker auf der Bühne. Links das Orchester aus Prag, geleitet von Weltenbummler Philipp Maier (hat u.a. ein Orchester in Dubai aufgebaut), der die Musik auch arrangiert hat. Die rechte Seite gehört der "RMC"-Band, deren Kopf kein geringerer als Mat Sinner ist (hat sich extra nochmal die Lederhose poliert und war beim Bankdrücken!). Mit dabei: Jimmy Kresic (u.a.
Michael Kiske, Voodoo Circle), Martin Schmidt (u.a. Atrocity, Shiva), und Henny Wolter (u.a. Primal Fear, Sinner) - eine hervorragende Truppe, die ein ums andere Mal mit umjubelten Soloeinlagen beeindruckt. Die Soli klingen selten wirklich originalgetreu - aber genau das ist das Schöne; sie drücken der Musik ihren eigenen Stempel auf. Drei Sängerinnen stehen im 'Hintergrund': Verena Schock (Ex-Coronatus), Tiffany Kirkland (u.a. Hartmann, gerade auf Welttour gewesen mit Michael Bublé!) und
Amanda Somerville. Hallo?! Wir reden hier von Background-Sängerinnen - bei "Rock Meets Classic" gibt's Qualität im Überfluss, alle Achtung!
Rock Meets ClassicBobby Kimball ist der zweite der drei Sänger, die streng nacheinander ihre Welthits präsentieren. Er legt los mit "Girl Goodbye" - vielleicht nicht jedem Toto-Laien bekannt, aber schon immer ein Song gewesen, der bestens zu Bobby passt. Die drei Sängerinnen verleihen den hohen Gesangslinien des Refrains viel Glanz - ein prima Klangerlebnis, und Kimball ist in Hochform, gibt alles, ohne sich nennenswert zu versingen, ist viel besser drauf als zuletzt mit Toto. Für Toto-Insider wiederum ist es leicht befremdlich, seine Stimme am Anfang von "Rosanna" und vor allem bei den Lukather-Balladen "I Will Remember" und "I'll Be Over You" zu hören, zumal seine Stärken definitiv nicht in den niedrigeren Regionen der Klaviatur liegen. Schön isses trotzdem, und es folgt mit "Africa" eine Nummer, die nicht nur durch Streicher und Bläser enorm gewinnt, sondern durch den hohen Gesang der drei Damen im Hintergrund mächtig unter die Haut geht. Bobby Kimballs Rausschmeißer ist "Hold The Line", und spätestens jetzt ist auch das Publikum durchgehend auf Volldampf, klatscht laut und begeistert mit. Kleines Kuriosum am Rande: Kimball huscht während seines Auftritts plötzlich eilig zum E-Piano und fleddert in den Notenblättern rum - Einsatz verpasst. Er nimmt's mit Humor: »That's what we call the final rehearsal...«
Rock Meets ClassicNach einer Pause geht's zur allgemeinen Überraschung noch nicht mit Lou Gramm weiter, sondern mit einer Performance der drei Hintergrundsängerinnen, die einen Song lang im Fokus stehen. Und die Songauswahl ist ein Volltreffer: Den Rock-Klassiker "Alone" von Heart singen nicht wie im Original zwei, sondern eben drei Frauenstimmen - eine besser als die andere! Nun ist aber Zeit für den dritten der 'alten Herren'. Nach einem stimmungsvollen instrumentalen Rock- und Orchester-Intro, aus dem schon die "Urgent"-Hookline herauszuhören ist, legt Lou Gramm mit "Cold As Ice" los. Man merkt dem Original-Foreigner-Fronter die Anstrengung an, sowohl körperlich als auch stimmlich. Nun hat der Mann aber auch gesundheitlich einiges hinter sich und sich bravourös zurückgekämpft. Und die Stimme ist nach wie vor unverkennbar, wenn auch Tonumfang und Durchhaltevermögen gelitten haben.
Rock Meets ClassicDennoch - das coole "Cold As Ice" rockt, "Dirty White Boy" mit seinem grandiosen Drive noch mehr. Nur "Juke Box Hero" ist irgendwie ein ganz anderer Song als früher, hier singt Lou Gramm bei weitem nicht mehr so hoch, bleibt eine ganze Etage weiter unten. Aber er singt so, dass er sich nicht übernimmt und es in der neuen Version gut klingt. Das ist alle Male besser als Selbstüberschätzung - und die zig Musiker auf der Bühne fangen vieles auf. Null Probleme hat Gramm bei den Balladen. "Waiting For A Girl Like You" wird einfühlsam vom Orchester unterstützt - und "I Want To Know What Love Is" wird mit seinem ergreifenden Bombast zu einem echten Höhepunkt, gerade weil Lou Gramm hier ganz der 'Alte' ist.
Den natürlich von allen erwarteten 'gemeinsamen' Auftritt der drei Alt-Stars hebt man sich für die Zugabe auf. Orchester-Leiter Philipp Maier kündigt an: »And now for the first time ever together on one stage...« Ja, genau so kommt es dann auch. Sie stehen zum ersten Mal gemeinsam auf einer Bühne - nur singen tun sie nicht zusammen. Jeder schmettert seine Privat-Zugabe, während die jeweils anderen beiden mit dem Schellenkranz wedeln bzw. eine Kuhglocke malträtieren. Traute sich keiner ans Material der anderen ran? Haben sie keinen Rock-Klassiker jenseits von Nazareth, Toto und Foreigner gefunden, den sie hätten zusammen schmettern können? So hat das 'erste Mal zusammen auf einer Bühne' noch etwas unfreiwillig Witziges.
Rock Meets ClassicSei's drum - die Zugaben sind wirklich Sahne! "Razamanaz", "I'll Supply The Love" und "Hot Blooded" rocken wie Sau und in der Halle steht die Zeit still. Mittlerweile haben sogar alle geschnallt, dass Sitzen für'n A.... ist und die Bestuhlung der Saarlandhalle überflüssig gemacht. Nach dieser Zugabe ist Schluss - nach und nach leert sich die Bühne, die Lichter gehen an und nach ein paar Minuten kommt Musik aus den Boxen. Weil der Funke aber endgültig auf das Publikum übergesprungen ist, will das Klatschen einfach nicht aufhören. Irgendwann sieht sich Philipp Maier bemüßigt, alleine zurückzukommen und zu erklären, dass die Leute ihn und sein Orchester hier in eine schwierige Situation bringen: »We can't improvise, we need sheet paper« entschuldigt er die Klassik-Fraktion freundlich. Dass die Stimmung am Ende so gut sein würde, hätte wohl keiner vorher gedacht!
Rock Meets ClassicUnd als die 'Zugabe'-Rufe einfach nicht verhallen wollen, kommt Bobby Kimball allein zurück auf die Bühne und setzt sich kurzentschlossen ans Klavier, schmettert zunächst einen klasse Rock'n'Roll und stimmt dann das definitiv letzte Lied des Abends an. Nach emotionalen Worten über eines seiner größten Vorbilder Donny Hathaway spielt er dessen Stück "I Know It's You" und rührt mit einer spielerisch wie gesanglich grandiosen Ein-Mann-Vorstellung nicht nur die anwesenden Schmuserocker. Ein mehr als sympathischer Zug Bobby Kimballs gegenüber den Fans ist das. Ich sehe niemanden, der mit einem enttäuschten Gesicht aus der Halle gehen würde.
Rock Meets ClassicEs war am Ende ein gelungenes Wiedersehen mit den drei Rocklegenden und eine musikalisch weit oben angesiedelte Performance aller Beteiligter, trotz kleinerer erwähnter Mankos, die aber nicht schwer ins Gewicht fielen. Vielleicht hätte man dem Orchester noch etwas mehr Platz einräumen müssen. Denn außer ein paar Intros (u.a. die Toto-Hymne "Child's Anthem" ganz zu Beginn - großes symphonisches Ohrenkino!) gab es keine 'Solo'-Spots. So vergaß ich zwischendurch schon mal, dass ein Orchester mit im Spiel war und konzentrierte mich doch sehr auf die rockige Seite des Genusses. Das ist aber schon rückblickende Kritik auf hohem Niveau - der Abend bei "Rock Meets Classic" war kurzweilig und erhebend. Und es sollten bei den weiteren Stationen der Tour verdammt nochmal keine Sitze leer bleiben - Leute, ihr versäumt was!
Ein dickes Dankeschön an Julia Becker, die mir mit ihren Fotos ausgeholfen hat, nachdem ich überrascht feststellen musste, dass meine eigene Kamera ohne Strom im Akku nicht funktioniert!
Außerdem bedanken wir uns bei Nathalie Klein vom Saarbrücker KulTour-Team für die freundliche und unkomplizierte Akkreditierung.
Line-up:
Lou Gramm (vocals)
Bobby Kimball (vocals)
Dan McCafferty (vocals)

Amanda Somerville (background vocals)
Verena Schock (background vocals)
Tiffany Kirkland (background vocals)

RMC-Band:
Mat Sinner (bass, background vocals)
Jimmy Kresic (keyboard)
Martin Schmidt (drums)
Henny Wolter (guitar)

Bohemian Symphony Orchestra Prague
Philipp Maier (conductor & arranger)
Setlist:
Dan McCafferty:
Dream On
Hair Of The Dog
Holiday
Love Hurts
This Flight Tonight

Bobby Kimball:
Girl Goodbye
Rosanna
I Will Remember / I'll Be Over You
Africa
Hold The Line

Alone (Heart)

Lou Gramm:
Cold As Ice
Waiting For A Girl Like You
Juke Box Hero
Dirty White Boy
I Want To Know What Love Is

Zugaben:
Razamanaz
I'll Supply The Love
Hot Blooded

I Know It's You (Donny Hathaway)
Externe Links: