Kanadische Band für ein Konzert wiedervereint
Das Festival ist auch für spektakuläre Verpflichtungen bekannt. Die Organisatoren holen Bands aus der Versenkung oder überreden seit Jahren zerstrittene Formationen zu einem exklusiven Auftritt.
»Als ich vor sechs Jahren las, dass Triumph hier spielen, habe ich spontan fünf Tickets geordert. Die Leute werde ich schon auftreiben«, erinnert sich
Frank, 49-jähriger Musikverrückter aus Oldenburg.
»Als ich sie dann leibhaftig auf der Bühne sah, hatte ich Freudentränen in den Augen«, schwärmt
Frank noch heute. Seither ist das Festival Pflichttermin für ihn. Fast immer an seiner Seite ist
'Raffa'. Der 22jährige hat schon
The Who in London gesehen und ist selbst aufstrebender Musiker.
»Ich habe hier Spaß und lerne sehr viel«, sagt er und zupft seine schwarze Mütze, verziert mit dem weißen Band-Logo 'Bad Co', zurecht.
Wilde Tattoos und schrille Outfits
Auf dem Weg zum Festivalgelände bestaunen unsere Protagonisten die bunten Outfits der Fans. Die Matten schrill eingefärbt, wilde Tattoos auf Armen und Beinen und T-Shirts ihrer Helden übergestreift. Ein Blickfang sind die vielen bemalten Kleinbusse entlang der Zuwegung.
»666, the number of the bus«, steht auf einem Oldtimer, in Anspielung auf einen legendären Albumtitel von
Iron Maiden.
»Die sind auch jedes Jahr hier«, frohlockt
Michael. Der Einlass zum Festivalgelände ist dank freundlichen Security-Personals kinderleicht. Auf den fünf Bühnen tummelt sich ein buntes Sammelsurium von Rockbands. An einem Abend zelebrieren
Saga Neo Progressiv Rock auf der Sweden Stage, auf der Rockstage erklingt symphonischer Metal von
Within Temptation und von der 4Sound Stage schmettern
Five Horse Johnson harten Blues Rock. Und das alle gleichzeitig.
»Diese Vielfalt gibt es nur hier und oft fand ich Bands total klasse, die ich vorher gar nicht auf der Rechnung hatte«, sagt
Michael.
Woodstockveteranen entfachen Hippie-Revival
Auf der Sweden Stage begeistern gerade die Woodstock-Veteranen
Canned Heat mit ihrem lässigen Boogie Blues. Eindrucksvoll wie Gitarrist
John Paulus seiner goldenen Les Paul wahrlich anmutige Töne entlockt. Der Klampfer ist damit der Gegenentwurf zu den vielen Hard Rock-Gitarristen, die zumeist fette Riffs anreißen und beim Solo atemberaubend schnell über das Griffbrett flitzen.
Paulus gibt der Note eine Chance. Er hält den Ton traumhaft sicher und erzeugt ein wohliges Gefühl beim hervorragend aufgelegten Publikum. Als die Hippi-Hymne "Going Up The Country" erklingt, flippen die Zuschauer restlos aus und grölen lauthals mit.
»Ist ja der Hammer wie gefühlvoll die spielen«, bejubelt
'Raffa' die Altmeister.
Funken sprühen und Köpfe rollen
Von Gefühl kann bei
Vincent Damon Furnier, alias
Alice Cooper keine Rede sein. Der quietschfidele 66jährige arrangiert ein einzigartiges Spektakel und verschmilzt Rockmusik und Horrorshow. 90 Minuten ist
Furnier permanent in Bewegung und schreitet jeden Winkel der riesengroßen Bühne, wie ein General, ab. Dabei fuchtelt der 'Rockopa' gekonnt mit Schwertern und Flanierstock herum. Dazu sprühen Funken und Glitter vom Bühnendach herunter. Ein Meer von Seifenblasen steigt auf.
Cooper legt seinen Kopf unter die Guillotine. Ein durchdringendes Geräusch ertönt. Sein abgetrennter Schädel fällt zu Boden und rollt auf der Bühne herum. Aber
Alice darf wieder auferstehen. Er hebt sein Haupt vom Boden auf und schleudert es Richtung Schlagzeug. Richtig gruselig ist das nicht, aber eine verdammt gute Show.
Und Musik gibt es ja auch noch. Alle Klassiker sind vertreten, runderneuert in fettem Soundgewand. Dafür sorgen drei Gitarristen. Am augenfälligsten unter ihnen ist
Orianthi. Die charismatische Klampferin trägt einen großen schwarzen Zylinder. Darunter eine wuschelige blonde Mähne. Von ihrer Lippe verläuft eine Blutspur bis zum Kinn. Der weiße Korpus ihres Arbeitsgerätes ist mit Blutspritzern verziert. Damit bewegt sich die 29-Jährige aufreizend cool auf der Bühne und schüttelt lässig einen fetten Riff nach dem anderen aus dem Ärmel.
Alice läutet indessen das große Finale ein. "Poison" und "School's Out". Die Stimmung ist auf dem Siedepunkt.
»Wir haben die Show schon letztes Jahr gesehen. Das ist der Wahnsinn«, ruft
Frank begeistert.
Schwarze Messe und tonnenschwere Riffs
Mit Spannung erwartet wird der Auftritt von
Black Sabbath. Hinter dem schwarzen Vorhang nimmt
Ozzy bereits Kon-takt zur Menge auf:
»I can't hear you«, schreit er ins Mikro. Über 20000
Sabbath-Jünger grölen lauthals zurück. Der Vorhang fällt. Die Sirene heult und "War Pigs" eröffnet die schwarze Messe.
Der Funke springt sofort auf die Menge über. Die Stimmung ist grandios.
»Es ist so schön, die alten Recken noch mal zu se-hen«, brüllt
Michael enthusiastisch. Die bahnbrechende britische Musikgruppe tritt in Originalbesetzung auf. Nur an der Schießbude nimmt anstelle von
Bill Ward Tommy Clufetos Platz. Sein Schlagzeugspiel gleicht einer Eruption, so intensiv drischt der Mittdreißiger auf seine Felle ein. Durch seine Energieleistung entfalten
Tony Iommis tonnenschwere Riffs ihre volle Kraft.
Ozzy ist für seine Verhältnisse voll auf der Höhe. Ständig sucht er den Kontakt zum Publikum und tapst auf der Bühne hin und her. Nur
Geezer Butler zupft etwas lustlos am Tieftöner.
Dennoch, die Legende lebt! Es könnte ihre letzte Tournee gewesen sein. Dann wäre es ein ehrenvoller Abschied von den großartigen schwedischen Fans gewesen. Und unseren deutschen Protagonisten, die sich freudetrunken auf den Weg zum Zeltplatz machen.
»Es war mal wieder ein grandioses Festival«, resümiert
Michael stellvertretend für alle.
»Wir freuen uns schon auf das nächste Jahr«, ergänzt
Frank. Nächstes Jahr, wenn erneut der Lockruf ertönt:
»Fill your head with rock«.