Jeff Wayne's The War Of The Worlds - The New Generation
05.01.2013, O2 World, Berlin
O2 World Berlin
Jeff Wayne's The War Of The Worlds - The New Generation
O2 World Berlin
05. Januar 2013
Event
Stil: Progressive Rock


Artikel vom 15.01.2013


Holger Ott
Jeff Wayne's The War Of The Worlds Für alle, die den prophezeiten Weltuntergang der Majas im Dezember verpasst haben, gibt es noch eine weitere, allerdings viel effektivere Gelegenheit an einem solchen Ereignis teilzunehmen. Im gleichen Zeitraum wird nämlich die Erde von den Marsianern angegriffen. Was die dabei anstellen, rottet die Menschheit fast vollständig aus. Viele von uns wünschen sich bestimmt insgeheim einmal die Begegnung mit Lebewesen von anderen Planeten, sofern vorhanden und hoffen, dadurch neue Kontakte in ihrem Freundeskreis aufzubauen. Dass der Schuss dabei auch nach hinten losgehen kann hat der Autor H.G. Wells in seinem Buch "The War Of The Worlds" bewiesen.
In einer Zeit, als die Bevölkerung ihre Informationen nur über das Radio oder die Zeitung erhalten konnte, war es an der Tagesordnung vieler Radiostationen, Hörspiele zu veröffentlichen. So geschehen vor fast einhundert Jahren, als sich ein Sender daran machte den "Krieg der Welten" zu vertonen. Dass sie durch ihre Authentizität eine gewaltige Lawine ausgelöst haben und Hunderttausende vor Panik die Flucht ergriffen, war zum Zeitpunkt der Ausstrahlung keinem der Akteure bewusst. Sie steigerten sich so in die Materie hinein und brachten das Geschehen dermaßen glaubhaft über den Äther, dass sich noch Wochen danach Menschen in Bunkern versteckten. Heute würde vermutlich jeder über soviel Naivität lachen.
Jeff Wayne's The War Of The Worlds Vor fünfunddreißig Jahren hat sich ein bis dato recht unbekannter Keyboarder und Dirigent namens Jeff Wayne an das Material gemacht und das Ganze vertont. Daraus wurde eine sehr beeindruckende Doppel-LP, auf der sich viele Größen der damals aktuellen Musikszene verewigten. Darunter Justin Hayward, Chris Thompson, David Essex, Jo Partridge, Julie Covington und Phil Lynott. Als Erzähler wurde der Schauspieler Richard Burton angeheuert, der durch seine markante Stimme der Geschichte das gewisse Etwas verlieh. Als großer Science Fiction-Fan war es für mich ein Muss, dieses Album zu besitzen. Jahre später wurde gleiches Werk noch einmal in CD-Form veröffentlicht, sogar in Kunstkopfausführung. Für alle, die mehr als zwei Boxen an ihrer Anlage hatten, war das der absolute Hörgenuss, denn man hatte das Gefühl, dass sich die Kampfszenen direkt am heimischen Herd abspielten.
Jeff Wayne's The War Of The Worlds Des Ganzen nicht genug, entschloss sich Jeff Wayne eine Bühnenaufführung daraus zu machen. Der technische Fortschritt machte es inzwischen möglich, eine gute Show zu formen und damit durch die Konzerthallen der Welt zu ziehen.
Nun, Jahre später, ist der Tross erneut unterwegs. Leider sind die Akteure und Sänger von damals zum Teil bereits verstorben und somit mussten Veränderungen her. Wer nun glaubt mit "The War Of The Worlds - The New Generation" so etwas wie eine Fortsetzung zu sehen, der irrt. Musik und Handlung sind unverändert, lediglich die Besetzung ist neu, sowie natürlich die technischen Effekte. Klingt jetzt vielleicht etwas lahm, aber das täuscht. Die Show ist das Mega-Ereignis zu Beginn der Konzertsaison 2013. Ich habe das Glück mittig vor der Bühne in Reihe vier zu sitzen und darf bis zur Pause nach einer Stunde das ganze Geschehen fotografieren. Die gewaltige Bühne in der Berliner O2 World ist nicht verhangen und der Besucher hat die Möglichkeit sich zu orientieren, bevor das Spektakel beginnt. Es gibt so viel zu sehen und zu entdecken, dass man teilweise völlig den Überblick verliert.
Jeff Wayne's The War Of The Worlds Mit dem letzten Gongschlag betritt ein Erzähler die Bühne und gibt eine kurze Einleitung in die Handlung. Die weitere Dramaturgie wird vom Schauspieler Liam Neeson erzählt, der über ein Hologramm entweder an die linke Seite neben der Bühne, oder direkt auf die Bühne projiziert wird. Dazu wird nach Bedarf eine durchsichtige Leinwand aus dem Boden hochgeklappt. Die Darstellung von Neeson, der den Journalist spielt, wirkt so echt, als würde er höchstpersönlich anwesend sein. Erster Szenenapplaus bereits, als nach einigen Minuten Jeff Wayne sein futuristisches Dirigentenpult betritt und nachdem Band sowie Orchester ihre Positionen eingenommen haben, wild um sich fuchtelnd den Leiter der Show mimt. Leider ist von ihm kaum etwas zu sehen, da er fast die ganze Spielzeit von zwei Stunden mit dem Rücken zu Publikum steht.
Jeff Wayne's The War Of The Worlds Auf einer riesigen Leinwand läuft derweil ein Film ab, der zeigt wie ein fremdartiges Flugobjekt auf der Erde einschlägt und aus dessen Innerem alienartige Wesen entsteigen, die unverzüglich damit beginnen, mit Strahlenkanonen alles zu vernichten was sich bewegt. Es geht also ohne Umschweife sofort zur Sache. Voller Panik ergreift jeder in der Handlung die Flucht, der sich nur irgendwie fortbewegen kann. Die Marsianer setzen inzwischen Kampfmaschinen aus ihrem Raumschiff aus, die auf stelzenartigen Beinen mit großen Schritten Ländereien und Städte erobern. Alles wird mit Lasergeschützen dem Erdboden gleichgemacht. Der Höhepunkt der ersten Stunde ist der Kampfroboter, welcher von der Hallendecke abgesenkt wird und mit bis zu fünf gefächerten, meterlangen Flammen das Publikum im Saal beschießt. Dazu fängt die Bühne an zu brennen und jeder Flammenstoß endet in einer gewaltigen Explosion. Die Show ist einfach nur der Hammer. Dazu die ergreifende Musik der hervorragenden Musiker, allen voran Gitarrist Chris Spedding, der die markanten Soli spielt. Ich bin an meinen Sitz gefesselt und weiß nicht wohin ich meinen Blick zuerst Jeff Wayne's The War Of The Worlds richten soll. Beobachte ich lieber die Musiker oder den Dirigenten? Soll ich mich mit den Schauspielern befassen oder dem Erzähler lauschen? Oder lieber in Deckung gehen, wenn die Feuerstöße mit ihrer großen Hitze in meine Richtung gelenkt werden? Zum Glück ist mein Englisch recht gut und ich bin mit der Handlung vertraut. Dadurch muss ich nicht zusätzlich die deutschen Untertitel lesen, die sehr unglücklich links präsentiert werden und kann mich auf die Aktion im Saal konzentrieren. Die Menschheit verliert dieses ungleiche Gefecht. Überlebende gehen in den Untergrund und Ruhe tritt ein. Marty Pellow singt den herzzerreißenden Titel "Forever Autumn" während in der gesamten Halle tonnenweise buntes Herbstlaub auf die Besucher niederregnet. Letzte Szene im ersten Akt ist die Gesangseinlage von "Thunder Child", gespielt von Will Stapleton. Er, der Retter der Menschheit, mit seinen wallenden Locken, der Robert Plant in jungen Jahren ähnelt, ermahnt mit erhobenen Stock die Bevölkerung und prophezeit den drohenden Untergang der Welt. Ich bin ebenso ergriffen wie mit mir mehrere Tausend Überlebende im Saal und brauche anschließend die fünfzehn Minuten Pause zum Erholen.
Jeff Wayne's The War Of The Worlds Nach der Pause setzt das musikalische Thema unverzüglich wieder ein. Es windet sich wie ein roter Faden durch die komplette Handlung. Immer wieder tritt Hauptsänger Marty Pellow in den Vordergrund, der die schönsten Passagen singt. Die verbrannte Erde wird nach und nach mit einem roten Kraut überwuchert, das die Marsianer eingeschleppt haben. Dieses Gewächs tötet auch das letzte Leben auf der Oberfläche ab. Im Untergrund, und somit einigermaßen sicher, werkeln die Überlebenden daran, Waffen und Maschinen zu bauen, um sich verteidigen zu können. Das Bühnenbild ändert sich erneut und stellt die riesigen Hallen dar, die unter der Stadt London gebaut wurden. "The Artillerist", gespielt von Ricky Wilson, der mutigste Kämpfer der Menschen schildert in seinem langen Solo, wie verzweifelt die verbliebene Bevölkerung ist, nutzt dabei die Bühne in voller Größe für seine Ausführungen, um dann verwundet und erschöpft zu sterben.
Natürlich darf eine Liebesgeschichte in der Story nicht fehlen. Marty Pellow, verliert in den Wirren der Kämpfe seine Frau und sucht überall verzweifelt nach ihr, um sie dann nur noch tot in seine Arme schließen zu können. Die dazugehörigen Effekte auf der Bühne sind sehenswert. Nathaniels Frau betritt als Geist nach ihrem Tod in einem langen Gewand mit Kapuze die Bühne, dreht sich mit dem Rücken zum Publikum und entschwindet anschließend unter die Hallendecke gen Himmel.
Der Trick ist perfekt, denn in Wirklichkeit taucht sie über den hydraulischen Bühnenboden nach unten ab, während ihr Kostüm mit magnetischen, hauchdünnen Stahlseilen nach oben gezogen wird. Die Illusion ist sensationell gut, ebenso wie die, bei der der Artillerist in das Hologramm von Liam Neeson greift und plötzlich ein gefülltes Glas mit Wasser in der Hand hält. Jeff Wayne und sein Team haben wirklich tief in die Trickkiste gegriffen um sein Lebenswerk so realistisch wie möglich erscheinen zu lassen. Autor H.G. Wells hätte seine wahre Freude daran.
Jeff Wayne's The War Of The Worlds Der zweite Teil der Show ist der deutlich ruhigere, aber nicht weniger ergreifend. Die Zeit verrinnt wie im Flug und die Story nähert sich mit großen Schritten dem Ende. Selbstverständlich kommt der Kampfroboter erneut zum Einsatz und feuert noch ein paar Salven in die Menge bevor die Außerirdischen in ihren Maschinen von etwas Unsichtbaren, den alles überlebenden Bakterien getötet werden. Die somit kampfunfähigen Roboter, die mit ihren angedeuteten Augen und langen Stelzen großen Insekten ähnlich sehen, werden zu guter Letzt von einer Schar Raben attackiert, die ihnen diese Augen aushacken. Die Menschen sind gerettet und können die Erde somit zurückerobern.
Aber es kommt wie es kommen muss und wie es im Roman mit Sicherheit nicht enthalten ist. Wir befinden uns in der aktuellen Zeit. Die US Weltraumbehörde NASA ist dabei die Marsoberfläche zu erkunden und wird in der Schlussszene mit einem präzisen Treffer der Marsianer ausgelöscht. Die Menschheit hat mal wieder nichts dazu gelernt.
Jeff Wayne's The War Of The Worlds Dieses Event hat es verdient mit deutlich mehr Beachtung bedacht zu werden. Leider ist die Show innerhalb eines Jahres zum zweiten Mal in Berlin und vermutlich deshalb nicht so gut besucht wie vom Veranstalter erhofft. Dabei bietet die Aufführung alles, was das Herz begehrt. Tolle spannende und einfühlsame Musik interpretiert von einer hervorragend besetzten Band sowie einem großen Streichorchester. Die Schauspieler und Sänger sind sehr gut, allerdings, wenn man so wie ich das alte originale Tonmaterial liebt, vermisst man die Stimmen von Chris Thompson und Justin Hayward, die doch noch weit ergreifender klingen. Als besonderes Gimmick hätte noch gepasst, wenn Darsteller als Marsianer verkleidet durch die Publikumsreihen gehuscht wären. Dennoch ist es ein grandioser Auftakt im neuen Jahr und es ist schade, dass die Leser, die diese Ausführungen gerade vor Augen haben vermutlich eine Weile warten müssen bis Jeff Wayne erneut in Deutschland den Weltuntergang aufführt. Aber als kleiner Tipp sei gesagt, bei einem bekannten Videoportal im Internet läuft die Show in voller Länge in HD-Qualität. Kurz vor Weihnachten ist auch die passende Doppel-CD "The New Generation" im Handel erschienen. Empfehlen möchte ich dennoch die Urfassung.
Vielen Dank an Janine Lerch für die Akkreditierung
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