Excessive Visage / Ruckus Array
Ruckus Array Spielzeit: 54:55
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2014
Stil: (Progressive) Math-Rock

Review vom 17.06.2014


Steve Braun
Aus dem Dresdner Künstlerkollektiv Destilled And Bottled entstammt die junge, avantgardistisch anmutende Band Excessive Visage. Seit etwa drei Monaten ist ihr Debütalbum, "Ruckus Array" betitelt, erhältlich - ein aufgrund des eigenwilligen und -ständigen stilistischen Sammelsuriums beachtenswertes Opus.
Hier trifft reichlich abgefahrener Math-Rock auf Progressive- und psychedelisch angehauchten Post-Rock. Musikalisch erinnert mich das ein wenig an Don Caballeros wegbereitendes Debütalbum "For Respect" (1993). Larissa Blaus hochmelodischer Gesang lockert die teils 'schwer verdaulich harte Kost' mit avantgardistischen Pop-Elementen auf. Zudem scheinen Excessive Visage gerne mit jazzigen Elementen zu spielen, etwa in der Art der Omar Rodriguez Lopez Group.
Die Stücke stammen größtenteils aus der Feder des Multiinstrumentalisten Torsten Lang - für die zeitkritisch pointierten Texte zeichnet Larissa Blau verantwortlich.
Einfach nur geradeaus geht hier nichts - hier haben sich fünf detailverliebte Tüftler ausgetobt. "Ruckus Array" wimmelt nur so vor asymmetrischen Rhythmen und Metren, mit geradezu akribisch-exakter Präzision und Komplexität komponiert und ausgefeilt.
Vornehmlich Riff- und Schlagwerkattacken zelebrieren ein Blitzgewitter von musikalischen Überraschungsmomenten. Das können wild-dissonante, vielschichtig-gegenläufige Muster oder Harmonien sein, die gerne einmal abrupt abgebrochen und in völlig neu geschachtelten Kontexten fortgesetzt werden. Nein! Hier sind definitiv keine Musiker mit Rhythmusstörungen - gleich welcher Art - am Werk. Das Excessive Visage'sche Chaos hat ein geradezu mathematisch-logisches System.
"Ruckus Array" bricht radikal mit liebgewordenen Hörgewohnheiten, mixt die Bruchstücke mehrmals kräftig durch und überlässt es dem Hörer dann, dieses Durcheinander für sich selbst neu zusammenzusetzen. Wer genau daran Spaß hat, wird seine helle Freude an diesem Album entwickeln.
Obwohl deutlich von einander getrennt, scheinen "Lateral Veins" und "Con Man" zumindest in musikalischer Hinsicht eine Einheit. Beide basieren auf vertrackt-wilder Gitarren- und Schlagzeug-Dominanz, die durch weitläufige, eher weiche Gesangspassagen konterkariert werden. Beide driften stürmisch auf frickelig-progressive, gelegentlich sogar 'angejazzte' Abgründe zu und überraschen sodann mit schlagartigen Wendungen.
Rein rhetorische Frage: Gibt es eigentlich - analog zum Free Jazz - 'Free Rock'? "Ruckus Array" könnte die Antwort auf diese sein...
In "Borehole Breakout" und "Wisdom Of Copper" herrschen jazzige bzw. psychedelische Grundströmungen vor, aber auch hier ist keiner vor Überraschungen gefeit. Spätestens wenn in "Canies Minor" (schräge) Reggae-Töne angeschlagen werden, hakt sich die Kinnlade endgültig aus. Leicht macht es Excessive Visage niemandem, am ehesten noch im beschaulich-stillen "Light Errors".
Die Band fordert sich und den Hörer heraus, althergebrachte Strukturen aufzubrechen. Trotzdem wirkt hier kaum etwas überproduziert bzw. -ambitioniert.
Fazit: "Ruckus Array" hat das Inventar meines Oberstübchens ganz gewaltig durcheinander gewirbelt. Muss gleich mal nachzählen, ob noch alle Tassen vollzählig und an ihrem Platz sind... ;-)
Line-up:
Larissa Blau (vocals)
Torsten Land (electric and acoustic guitars, bass, synth)
Albrecht Schumann (Rhodes, organ)
Christoph Dehne (drums, percussion)
Simon Preuß (bass, double bass)
Raphael Klemm (trombone - #9)
Tracklist
01:Lateral Veins (4:43)
02:Con Man (5:23)
03:The Power Flaw (4:15)
04:Young Lady (1:39)
05:Borehole Breakout (5:55)
06:Wisdom Of Copper (7:45)
07:Canis Minor (5:32)
08:Ohne Bibel (5:19)
09:Time In-Depth (3:57)
10:Avian Variety (4:53)
11:Light Errors (5:34)
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