Kai Havaii / Hart wie Marmelade
Ein Rock'n'Roll-Roman aus der Provinz
Hart wie Marmelade Kai Havaii
Hart wie Marmelade
Ein Rock'n'Roll-Roman aus der Provinz
gebundene Ausgabe, 286 Seiten, s/w-Fotos
Medium: Buch
Verlag: Kiepenheuer, Auflage: 1 (2007)
Sprache: Deutsch
ISBN 978-3-378-00679-9, EUR: 19,80

Review vom 08.04.2008


Mike Kempf
"Hart wie Marmelade" nennt sich der Rock'n'Roll-Roman aus der Provinz von Kai Havaii, eine gebundene Ausgabe mit 286 Seiten, einigen s/w-Bildern und in 42 Kapiteln untergliedert. Im Handel ist die Biografie für 19,80 € erhältlich. Eine preiswerte Taschenbuchausgabe ist für den Herbst 2008 geplant.
Es war Anfang der 80er Jahre, als die Band Extrabreit sich mit "Hurra, Hurra, die Schule brennt", "Flieger" oder "Polizisten" einen Namen machten und eben dieser Kai Havaii die Songs ins Mikro trällerte. Damals schwappte auch die Neue Deutsche Welle ins Land, und so stuften die Medien Extrabreit ebenfalls in diese Kategorie ein. Doch schnell stellte man fest, dass in den Texten doch mehr Aussagen zu hören waren, als z.B. nur »Da, Da, Da…« und das Instrumentale in den Anfängen von Extrabreit eher Punklastig war.
Dieser Roman ist schlichtweg eine Biografie von Havaii, sehr erheiternd erzählt, aber auch schonungslos offen und zu fast allem Stellung beziehend. Der Leser erfährt, dass Havaii in seiner Jugendzeit politisch sehr interessiert war und sich nicht scheute, an vorderster Front gegen Atomkraftwerke zu demonstrieren. Später versuchte er sich als Cartoon-Zeichner und heimste damit sogar ein paar Lorbeeren ein. Und auch als Taxifahrer verdiente er sich seine Brötchen.
Man erfährt weiterhin, dass er in der 'Provinz' Hagen WGs bevorzugte und die B 56 als sein Zuhause auserkor. Das mag nicht unbedingt überraschen, eher, dass er neben Bier, Haschischkeksen und Zigaretten auch härtere Stimmungsmacher konsumierte.
Dennoch war sein Wissenshunger nur schwer zu sättigen und so sog er alles auf, was ihm das Leben bot. Und - Verbote waren eh dafür da um Sie zu knacken. Kai Havaii, so in diesem Buch verewigt, hat kaum was ausgelassen.
Im Sommer des Jahres 1979, beim 1.Wehringhausener Stadtteilfest, sprang er eher zufällig als Sänger in eine Band ein, deren Name auf einem Eddingstift entdeckt wurde - Extrabreit! Sein musikalischer Durchbruch wurde Havaii in der seltsamen, ereignisreichen Sylvesternacht 1979/1980 von einem Kartenleger prophezeit: »Dich wird man bald im TV sehen!«.
Nach den ersten Gigs, deren Lohn aus günstigen Übernachtungen und bescheidenen Mahlzeiten bestand, wurde der Plan des ersten Albums in die Tat umgesetzt.
Eigenartigerweise wurde das Vinyl mit "Ihre größten Erfolge" betitelt und Havaii beschloss daraufhin, den Gesangspart einem anderen zu überlassen.
Kurze Zeit später, bei ausgiebigen Spaziergängen an der Algarve, kamen erste Selbstzweifel auf, sodass er, wieder in Hagen angekommen, Kontakt zum Gründer von Extrabreit, Stefan Kleinkrieg, aufnahm und dieser den Rücktritt vom Rücktritt positiv beschied.
Als 1981 Mal Sandock im WDR seine Rundfunksendung "Diskothek im WDR" ankündigte, konnten die Breiten mit "Polizisten" einen Hit landen und belegten vorübergehend den ersten Platz! Von diesem Zeitpunkt an wuchs die Vorstellung der Band, sich mit ihrer Musik den Lebensunterhalt zu finanzieren.
Ihr erster Auslandsauftritt war im Dezember 1981 in Wien, wo nicht nur die Stadt sondern erst recht die Backstage verschneit war! Dort wurde ihnen ein waschechter Wiener vorgestellt, der später als Falco die Charts stürmte.
Die Kurve der Band zeigte steil bergauf und so konnte man es sich leisten, auch mal ein Hotelzimmer für 10.000 D-Mark 'umzugestalten'!
Lukrative Plattenverträge ermöglichten der Band bald ein luxuriöses Leben. So war es unausweichlich, dass man etliche Promis kennen lernte. Ob Udo Lindenberg, Udo Jürgens, Nena oder BAP, um nur einige aufzuzählen, die Band hatte den Durchbruch geschafft. Spätere Highlights waren noch die Songs mit Marianne Rosenberg, Hildegard Knef und Harald Juhnke.
Erzählt wird auch, dass Drummer Rolf Möller ein äußerst sparsamer Mensch ist und oft den Song "Kleptomanie" zu ernst nahm, sehr zum Leidwesen mancher Tankstellenpächter. Und das er seinen Platz an den Kesseln, bis auf ein paar Ausnahmen, nicht mehr her gab und bis heute den Eindruck vermittelt, dass er seine Pauken am liebsten kurz und klein schlagen würde.
Irgendwie erscheint das Leben von Havaii der einer Börsenkurve. Musikalischem Erfolg, gemischt mit wachsender Popularität und dem Umgang mit etlichen Promis, steht die Selbstüberschätzung im Umgang mit Drogen gegenüber, die schließlich auch mit einem Klinikbesuch verbunden war. Es wird einem bewusst, wie intensiv das Leben des Kai Havaii mit, aber auch ohne Extrabreit verlief, so dass es für ihn wahrscheinlich ein Bedürfnis war, das Erlebte endlich niederzuschreiben.
Der Roman ist eine Pflicht für alle 'Neue Deutsche Welle'-, Breiten- und Havaii-Fans! Aber auch für den normalen Schmöckerfreund ist das Buch äußerst interessant. Man kann förmlich die Zeit der Röhrenjeans, des Neon und die Entwicklung der NDW aufsaugen und man hofft, dass Havaii vielleicht noch Teil II nachlegt. Wünschenswert wäre es!
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