Melissa Etheridge
04.02.2002, Düsseldorf, Philipshalle
Ich habe jetzt noch eine Gänsehaut, wenn ich mich an das Abschlussstück des gestrigen Abends Please Forgive Me von ihrer aktuellen CD "Skin" zurück besinne, in dem Melissa Etheridge die gescheiterte Beziehung zu ihrer langjährigen Lebenspartnerin gefühlvoll aufarbeitete.
Totenstille in der vollbesetzten Philipshalle; eine Mischung aus Verzückung und Anteilnahme des Publikums, als die Sängerin am Piano ihren Emotionen freien Lauf ließ, nachdem sie kurz zuvor noch bei der ersten Zugabe und ihrem Paradestück "Like The Way I Do" den Ort des Geschehens in einen brodelnden Hexenkessel verwandelt hatte.
Ein gelungener Abschluss und eine sichtlich bewegte, aber sehr gut gelaunte Künstlerin verabschiedete sich mit vielen Handshakes von den zufriedenen Fans.
"Live And Alone" so lautet das Motto unter dem die Dame mit der unglaublichen, einzigartigen Röhre zu einem Dutzend Konzerten hier im engeren europäischen Umkreis angetreten ist.
Und ich als Mensch (übrigens als heterosexuell veranlagte Person hoffnungslos in der Unterzahl), der Melissa Etheridge bisher noch nie live gesehen hatte, war zugegebener Maßen zunächst einmal skeptisch, ob so eine One-Woman-Show den relativ hohen, aber heute wohl üblichen, Eintrittspreis aufwiegen könnte.
Aber spätestens beim dritten Lied, "Down To One", dass sie mit einer zweihalsigen Gitarre mit wunderschönem Klang darbot, waren sämtliche Zweifel weggewischt.
Das Konzert begann aber zuvor mit einem recht gut umgesetzten Einfall.
Auf einer Leinwand wurden die letzten Minuten vor Beginn des Konzerts backstage live mitgeschnitten, ohne jedoch die Künstlerin direkt zu zeigen. Man sah das Anlegen ihrer Gürtelschnalle, die das Cover ihrer neuen CD schmückt, und wie sich ihre Füße den Weg durch die Katakomben der Halle zur Bühne hin bahnten, bis sie dann leibhaftig mit "Come To My Window" und "All American Girl" loslegte.
Auch die geschmackvolle Bühnendekoration passte in das harmonische Gesamtbild des Abends. Ein paar Tücher wurden in verschiedenen Längenvariationen immer wieder von der Decke herab gelassen und boten im Wechselspiel mit den farbigen Scheinwerfern batikartige, sehr hübsch anzusehende Bildeffekte.
"Similar Features", von ihrem Debutalbum, ließ dann den Funken zum Publikum erstmals richtig überspringen. Folgerichtig schnappte sich Melissa die E-Gitarre und läutete mit "I Want To Come Over" und "Chrome Plated Heart" die erste rockige Phase ein, um dann mit zwei ruhigeren Sachen, unter anderem einem Joan Armatrading-Cover, diesmal am Piano, wieder besinnlichere Töne anzustimmen. Bei "Scarecrow" präsentierte sie einmal mehr die Bandbreite ihrer Stimme. Es folgten mit "Don't You Need" und "Meet Me In The Back" zwei Kracher und letztgenanntes Stück avancierte für mich persönlich zum absoluten Highlight des Gigs. Puh..., kann die Lady auch an der Gitarre Gas geben. Toll!
Die Verschnaufpause gab es danach wieder am Piano bei "Dance Without Sleeping". Übrigens wurden alle Klaviernummern auf die bereits am Anfang erwähnte Leinwand projiziert.
"Occasionally" wurde nur durch ein paar Claps auf die Rückseite ihrer Akustikgitarre begleitet, und spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte jeder der Zuschauer bemerkt, dass diese Röhre wirklich und ohne jede Übertreibung eine ganze Band ersetzten kann.
Die Dame singt zweifelsohne zurecht in der Champions-League der Rockmusikszene.
Über "I Want To Be In Love" und "If I Wanted To", einem Song, bei dem der Dialog mit dem Publikum, das bereitwillig Melissas Vorgaben nachschmetterte, im Vordergrund stand, gab es mit "Lover Please" das vierte von insgesamt fünf Stücken der aktuellen Scheibe "Skin", die ich auch nur jedem empfehlen kann, und von der ich gerne sogar noch weitere Lieder gehört hätte.
Aber immerhin, eine Quote von 50 Prozent, auf die ich bei meiner Lieblingsband Lynyrd Skynyrd wohl noch bis ins hohe Alter warten darf.
Nach "I'm The Only One" bildete der Knaller "Bring Me Some Water" den Abschluss eines sehens- und hörenswerten Hauptteils, der dann mit den eingangs beschriebenen und stürmisch geforderten Zugaben seine Vollendung fand.
Mein Fazit:
Die Ausnahmemusikerin Melissa Etheridge mit ihrer Ausnahmestimme gab ein zweistündiges Ausnahmekonzert, bei dem so manches anders war, als ich es in meiner bisherigen 'Live-Musik-Karriere' erlebt habe.
Melissa Etheridge / 04.02.2002, Düsseldorf, Philipshalle
Daniel Daus, 5.2.2002