Tinsley Ellis begleitet mich nun schon seit ziemlich genau 25 Jahren - ums ganz exakt zu sagen: seit dem 1988er "Georgia Blue" - wie ein guter Freund. Es kam meinem persönlichen Gusto entgegen, dass der 56-jährige Bluesman aus Atlanta eine ausgeprägte Affinität zum Southern Rock erkennen ließ, die seinen Produktionen stets unterschwellig den typischen 'Southern Twang' verlieh.
Ein erstes Highlight stellte das 1997er "Fire It Up" dar. Der nächste Knaller folgte fünf Jahre später mit "Hell Or High Water", wobei Ellis hier mehr als einmal wie die bluesige Seite der ABB klang. Seit diesen Tagen wird er von dem Hammond-Virtuosen Kevin McKendree begleitet, der mit seinem warmen Spiel eine unglaubliche Bereicherung darstellt(e). Mein persönliches Lieblingsalbum von Tinsley Ellis ist allerdings nach wie vor "The Hard Way" (von 2004), auch weil hier der hochverehrte Richie Hayward mit seinem rumpeligen Drumming tolle Akzente setzen durfte. Aber (fast) auf gleicher Höhe sehe ich Moment Of Truth. Wenn ich nur an die glutvollen Mördernummern "Tell The Truth" und "Bringin' Home The Bacon" denke, wird mir schon wieder ganz schwindelig - von dem swampigen "Shadow Of Doubt" will ich gar nicht erst anfangen...
Lange Rede - kurzer Sinn: Wenn der Mann aus Atlanta ein neues Scheibchen im Rohr hat, werde ich immer ganz hibbelig. "Midnight Blue" heißt der mittlerweile vierzehnte Silberling, der dieser Tage auf die Veröffentlichung wartet. Erstmals wagt Ellis hierbei 'den Sprung ins kalte Wasser' und hat sein eigenes Label, Heartfixer Music, gegründet, was die größtmögliche künstlerische Freiheit bietet.
Gute Songs fallen nicht einfach vom Himmel!! Gute Songs wachsen stets und ausnahmslos aus einem glaubwürdigen Kontext heraus. Man merkt "Midnight Blue" in jeder seiner mehr als fünfzig Minuten an, dass es im Südosten der 'Staaten' entstanden ist, dort wo der Blues selbst um Mitternacht noch schwül-warm ist. Britische Blueser sind völlig anders unterwegs als bspw. ein Tinsley Ellis.
Gleich der Opener "If The River Keeps Rising" verdeutlicht diese These. Alle Schwerblütigkeit des Südens steckt in dieser Nummer. Unaufhaltsam mächtig scheint hier der Mississippi über seine Ufer zu steigen und alles zu verschlingen, was sich ihm in den Weg stellt. Auch der gnadenlos schrubbende Shuffle-Rhythmus im folgenden "Mouth Turn Dry" und der treibende Boogie in "The Only Thing" klingen 'wärmer' und beseelter als Pendants aus dem kalten Europa. "It's Not Funny" und (vor allem) "Peace And Love" verdeutlichen Ellis' musikalischen Bezugsrahmen - in Georgias Hauptstadt Atlanta lebend, kann man sich eben dem Southern Rock nur schwer entziehen...
Nun hat der Südstaaten-Blueser sein Meisterstück bereits vor vielen Jahren geschrieben. So sind die letzten drei Stücke nichts anderes als weitere charaktervolle Husarenstreiche. Allesamt an der Sieben-Minuten-Marke kratzend, stellen diese glutvollen Stücke - trotz aller Unterschiedlichkeit - den qualitativen Peak von "Midnight Blue" dar. Breit und voller Urgewalt, was vor allem Kevin McKendrees schwindsüchtig röchelnder Hammond geschuldet scheint, wälzt sich "Harder To Find" wie ein Lavastrom voran und ergießt sich im stampfenden "That's My Story", das irgendwo zwischen Texas- und 'Hoodoo'-Blues wildert. Zwei extrem geniale Nummern! Mit "Kiss Of Death" beendet der obligatorische Slow Blues den überaus inspirierten Songreigen.
Nun dürfte mittlerweile allseits bekannt sein, dass diese Stilrichtung für mich alles andere als ein Garant für hocherfreute Stimmungslagen ist. Nichts, aber auch gar nichts in der Musikwelt kann man derart verhunzen wie einen Slow Blues!! Tinsley Ellis überzeugt mich hier vom Gegenteil - mit Bravour. Seelenvolles Gitarrenspiel, einfühlsame Hammond-Fills und eine Rhythmussektion (die das seltene Kunststück hinbekommt, gleichzeitig 'kernig' und 'wattig' zu klingen) stehen als Granaten für diese meisterliche Leistung.
Völlig klar, dass so eine lange und erfolgreiche Karriere auch eine gewisse Souveränität und Abgeklärtheit zeitigt. Beides merkt man den zehn Songs von "Midnight Blue" an. Der Mann weiß, was er will und tut dies ziemlich kompromisslos, denn Tinsley Ellis muss schon lange niemandem mehr etwas 'beweisen'. Dieses Album ist also eine sichere Bank für Freunde der nordamerikanischen Bluesmusik. Kann man blind kaufen!
Line-up:
Tinsley Ellis (vocals, guitars)
Kevin McKendree (organ, piano)
Ted Pecchio (electric and acoustic bass)
Lynn Williams (drums, percussion)
Tracklist |
01:If The River Keeps Rising (3:50)
02:Mouth Turn Dry (4:55)
03:Surrender (5:18)
04:It's Not Funny (4:22)
05:See No Harm (4:26)
06:Only Thing (3:19)
07:Peace And Love (4:40)
08:Harder To Find (6:40)
09:That's My Story (6:41)
10:Kiss Of Death (7:05)
|
|
Externe Links:
|