John Henry Deighton, aka Chris Farlowe, ist auch nach über 60 Lenzen nicht aus dem Blues, R&B und Soul weg zu denken.
Und auch mit diesem "Hungary For The Blues"-Konzert aus 2000 in Ungarn (ergänzt durch zwei Songs aus 2004 in Deutschland aufgenommen) gibt es kein Deuteln: Chris Farlowe hat in den Jahren seiner langen Karriere nichts an Ausstrahlung und Stimme verloren. Ein Entertainer, der hinten und vorne lebt.
Gerade Live ist er wohl immer ein Garant für gute Musik und gute Laune, sowohl auf der Bühne als auch im Publikum, eben auch zu spüren auf der vorliegenden CD.
Die jüngere Farlowe-Laufbahn war auch durch die Zusammenarbeit mit der britischen Norman Beaker Band geprägt.
So zieht sich dieses Teamwork wie ein roter Faden durch die Zeit der letzten 10 Jahre: Von "Lonesome Road" (1995), "The Voice" (1998) über "Farlowe That" (2003), "Rock 'n' Roll Soldier" (Compilation, 2003) bis hin zu "Hungary For The Blues" (schönes Wortspiel, wie ich finde).
Andererseits hat Chris Farlow auch auf der einen oder anderen Norman Beaker-CD gesungen. Man kann durchaus sagen, dass hier ein gewisses Netzwerk der Kollaboration entstanden ist.
Alleine schon aus der Tatsache heraus, dass zwischen den Ungarnaufnahmen und den letzten beiden Tracks 1.572 Tage liegen, hat man den Nachweis seiner ungezügelten Ausstrahlung durch diese CD auf der Hand.
Selbst wenn ich einen Vergleich mit einem meiner Farlowe-CD-Schätzchen "Live In Berlin" mit der Roy Herrington Band aus 1991 heranziehe, komme ich zu einem identischen Ergebnis: Chris Farlowe ist Chris Farlowe und wird es hoffentlich noch lange bleiben.
Feste Größen in der Norman Beaker Band sind John Price (Bass) und Paul Burgess (Drums). 2000 bediente Lenni die Klappen am Saxophon und 2004 Damian Hand.
So gab es auch an den Keyboards eine Umbesetzung in der Beaker Band: Dave Baldwin wurde durch Andy Kingslow ersetzt.
Zum ersten mal auf Silberling zu hören ist Farlowes "I Don't Want To Sing The Blues No More". Ich bin mir fast sicher das stimmt.
Trotz intensiver Recherche habe ich den Song auf keinem anderen Album
gefunden. Keine Bange, macht er doch, zumindest mit "Stormy Monday" u.a.
Nicht erst hier kommt Lenni ins Spiel. Was er am Saxophon zelebriert hat einfach nur Klasse. Er hat in einigen Songs die Freiheit, die er braucht, um sein Können unter Beweis zu stellen. Mal mit geradezu schon jazzigen Solo-Improvisationen oder als Kompressor für den Bandsound ist Lenni eine Hausnummer auf der CD.
Bereits auf Beakers Rundling "Who's He Calling Me Him?" singt Chris Farlowe den Tony Joe White Track "The Guitar Don't Lie".
Live aromatisiert Farlowe es mit feinen Vokaleinlagen. Norman Beaker lässt seine Gitarre vom Feinsten singen. Die Begeisterung der Zuschauer ist spür- und hörbar.
Mit dem Randy Newman Coversong "I Think It's Gonna Rain Today" wird das eher rockige "Easy As That" eingeleitet.
Richtig uptempo mit viel Groove wird "Who's Been Sleeping In My Bed" Farlowe/Beaker gerecht dargeboten.
Ganz tief in die Klamottenkiste wird auch gegriffen. Mit viel Gefühl entstauben die Band und Chris Farlowe gemeinsam mit dem Publikum (backing vocals im Refrain) "All Or Nothing".
Reichlich Zeit zum Luft holen und träumen bietet Lonnie Macks Bluesballade "Tough On My, Tough On You".
Auch auf "Hungary For The Blues" dürfen selbstredend die Chris Farlowe Markenzeichen "Out Of Time" ( Jagger/Richards) und "Rock And Roll Soldier" nicht fehlen. Ok, zählen wir "Handbags & Gladrags" auch mal dazu.
Seinen Bekannten, Roy Herrington, den Gitarristen auf "Live In Berlin", würdigt Farlowe mit dem Blueser "Lonesome Road" von Herringtons Album "Free Time".
Lenni am Saxophon, hatte ich den schon auf der Liste?
In Verbindung mit "Lonesome Road" muss ich ihn nochmals anklingen lassen. Perfekte Performance. Im Übrigen ergeben sich für mich keine einschneidenden Unterschiede zwischen Lenni und Damian Hand im Umgang mit dem Holzblasinstrument. Identisches Level wie auch bei den beiden Keyboardern.
Mit einer sensiblen Songauswahl, einer Band in Top-Form und einem sehr gut aufgelegten Chris Farlowe hat man einen es geschafft uns einen ganz feinen Tropfen zu kredenzen.
Bisher war die "Live In Berlin" ein Kernstück meiner Farlowe-Sammlung.
"Hungary For The Blues" zerrt mit aller Kraft an dieser Pole-Position. Möglich ist aber auch, dass es keinen Sieger geben muss. Wo finden wir nicht überall diese 1a und 1b-Lösungen…
Spielzeit: 78:57, Medium: CD, United Producers Records, 2005
1:I Don't Want The Sing The Blues No More (4:03) 2:Lonesome Road (6:26) 3:Stormy Monday (8:09) 4:All Or Nothing (3:45) 5:Tough On Me, Tough On You (6:23) 6:Shaky Ground (6:44) 7:The Guitar Don't Lie (7:27) 8:I Think It's Gonna Rain Today (1:48) 9:Easy As That (4:39) 10:Out Of Time (4:39) 11:Who's Been Sleeping In My Bed (3:40) 12:Miss You Fever (6:40) 13:Handbags And Gladrags (6:47) 14:Rock And Roll Soldier (6:58)
Joachim P. Brookes, 09.04.2006
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