Gemälde aus dem Inneren Ich. So übersetze ich den Albumtitel, und das passt auch, kuckt man sich die Werke des Designers Helmut Wenske an. Kenn ich nicht, mag mancher nun sagen.
Doch, kennt ihr. Zumindest dann, wenn ihr einen vernünftigen musikalischen Background habt. Helmuts Werke finden sich z.B. als Cover auf Nektar's "Remember The Future", "Sound's Like This", "A Tab In The Ocean" und "Recycled". Steel Mill, Orange Peel, Dzyan sind weitere Bands, deren Cover Helmut Wenske's Bilder zieren.
Wenskes Gemälde sind nicht von der Art Bilder, die man anschaut und das war es dann. Man kann darin versinken, entdeckt immer wieder Neues und driftet beim Betrachten ab. So ist das auch mit der Musik, denn Fantasyy Factoryy sind, nicht nur nach eigener Aussage, tief in der 60er und 70er psychedelischen Untergrundszene verwurzelt. 1994 von Gitarrist, Songwriter und Sänger Alan Teppe gegründet, besteht die Factoryy weiterhin aus Gene Dean (b) und W.Sweeren aka Dr. Cosmos (d).
Nicht zum ersten Mal wird das Dreier-Line-Up durch Rainer Opiela (flute) ergänzt. Rainers Flötenspiel, welches an längst vergangene Zeiten erinnert, können wir auf "Leaving" und dem 14 Minuten Hammer "News From The Sun " genießen. Bei dieser Übernummer hat es einen weiteren Gastmusiker, der eine Orgel ins Geschehen bringt (wie auch bei "Carnival Of Memories") und Markus Dassmann heißt.
Mit minimalistischem Gitarreneinsatz startet die mittlerweile fünfte reguläre Veröffentlichung der Band. Ruhige Stimmung verbreitet sich und die zerbrechlich wirkenden Vocals tun ein übriges. Die Lyrics natürlich auch, denn dieses Konzeptalbum 'vertont' Bilder. Bilder, die in ihrer Tiefe weit über das hinausgehen, was man gewöhnlich in Gemälden sieht:
...The melody of sorrow fills your mind
a bridge to tomorrow leading to the other side
...Gliding into the unknown spheres you fear
Shapes of nightmares, voices you will...
Diese Zeilen stammen aus "Escape". Der erwähnte 'minimalistische' Gitarrenstart steigert sich im Verlauf des Tracks in herrlich melodiöse Hooks, die aber immer eine Art 'Seelenfernweh' spüren lassen; Wah-Wah Einlagen lassen die kleinen Härchen an den Armen und im Nacken nach oben sprießen. Es ist Musik, die sich auf einer anderen Ebene bewegt. Die Entstehung dieses Werkes ist eigentlich reiner Zufall. Alan schreibt im Booklet, dass sich die Band bei Vorbereitungen zu einem neuen Album befand, als ein gemeinsamer Freund (der deutsche SF-Papst Werner Fuchs) ihm Helmut Wenske vorstellte. Die Beiden wurden Freunde und der Grundstein für "Paintings From Inner Space" war gelegt.
Traveller verbreitet eine ähnliche Stimmung, und wenn ich mir den Text anschaue, dann muss ich unwillkürlich das Frontcover betrachten, auf welchem die 'LSD Astronauten' zu sehen sind. Ist normal, denn die Intension der CD ist ja gerade die Symbiose aus Bild und Ton. Wie sagt Alan doch so trefflich: "Ich hab nie verstanden, warum Unterschiede zwischen den einzelnen Kunstformen gemacht werden - letztendlich basieren sie alle auf dem inneren Drang und der Notwendigkeit sich auszudrücken".
Drums und Bass stampfen den Songbeginn des 11-minütigen "Demon Lover" aus den Membranen. Die Gitarre bricht dazu und rockt wie der Teufel, wah-waht mal aus dem linken, dann aus dem rechten Lautsprecher. Und die 11 Minuten haben gerade mal begonnen. Vorfreude macht sich breit beim Rezensenten. Kurzer Break und dann brodelt die Gitarre wieder, die Vocals stoßen dazu. Wer auf Wah-Wah Orgien steht, wird hier voll bedient.
Während des Hörens fällt mein Blick immer wieder ins wunderschön aufbereitete Klappcover des Digipacks und ich betrachte die Bilder 'Dalis Himmelfahrt', 'Metamorpheus' und 'Zeit'. Bis mich der Uptempo-Track "Carnival Of Memories" wieder 'nur' der Musik zuwenden läßt. Es gibt wieder einen schönen Rhythmusbreak und die Orgel teilt sich die Dominanz mit der Gitarre.
"Leaving" startet mit Flöte und verbreitet gleich mit den ersten Tönen eine Art 'unendliche Traurigkeit'. Beginnt dann Alan zu singen, schweift das geistige Auge in astrale Fernen. Auch wenn Drums und Bass mit Power ab und an eingreifen, verbreitet "Leaving" eine sehr angenehme Harmonie. Das liegt unzweifelhaft an den Flötenklängen, die an eine Sommerwiese erinnern. Schmetterlingen flirren umher. Denke ich, aber die Schmetterlinge sind die Gitarrenlicks und Akkorde, welche Alan einstreut.
Ähnlich "Leaving" beginnt auch "News From The Sun" mit Flöte und Gitarre. Dezent erst, dann 'harmoniet' sich die Orgel dazu und Alan's Pedalfuß leistet Giganisches, um seiner Gitarre Effekte zu spendieren. Ich flippe gleich aus, so enorm zieht mich bereits der Anfang der Nummer in den Bann. Ein Break in Form von Gitarrenläufen leitet einen Orgelpart mit sphärischen Vocals ein, der vom Bass powervoll begleitet wird. Die Schießbude sogt für den strammen Rhythmus, fast Santana-like mischt sich die Gitarre ein. Neuer Break: Wah-Wah all over, dann 'darf' die Orgel 'richtig' für Gänsehaut sorgen. Markus Dassmann und Rainer Opiela an der Flute spielen sich die Bälle zu, Alan Tepper liefert sehr emotionale Gitarrensoli, Gene Dean und Dr. Cosmos zementieren doppelt und dreifach ein starkes Fundament. "News From The Sun" ist eine dieser Nummern, die mir bestätigen, dass ich ohne Musik nur sehr unvollkommen leben könnte.
"Paintings From Inner Space" kommt in einem repräsentativen Digipack daher, aber das Album ist auch in einer 180-g Vinyl Fassung erhältlich. Der LP-Version liegt außerdem ein 60x90 Poster des Frontcover-Motivs bei. Vinyl ist dem Digipack aus meiner Sicht vorzuziehen, denn diese Musik gehört auf Vinyl.
Und ich hoffe auf einen 'Teil 2', denn Alan kündigt dies wie folgt an:
Dieses Album war als ein einmaliges Projekt geplant, doch am Ende der Aufnahmen muss ich feststellen, dass die Faszination, die Wenskes Bilder auf mich ausüben, ungebrochen ist. Normalerweise mag ich keine Fortsetzungen, aber ich denke, dass die künstlerische Herausforderung siegen wird. Und so besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es noch ein Album geben wird, auf dem wir weitere Gemälde vertonen werden.
Ich wünsch es mir und vergebe 9 RockTimes Uhren.
Die schwarze 180g-Rillenausgabe hätte volle Uhrenzahl bekommen, denn (ich wiederhole mich) dies ist Musik, die auf einen Plattenspieler gehört.
Spielzeit: 48:32, Medium: CD, Ohrwaschl Records, 2005
1:Escaoe (8:40) 2:Traveller (4:43) 3:Demon Lover /The Absyss Of Your Mind)(11:00) 4:Carnival Of Memories (3:52) 5:Leaving (6:28) 6:News From The Sun (13:49)
Ulli Heiser, 07.12.2005
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