So ärgerlich und unnötig manche Solo-Alben und Nebenprojekte von
gelangweilten, oder bezüglich ihrer Songwriter-Qualitäten nicht
beachteten Musikern bekannter Bands manchmal sind, so genial und schier
unverzichtbar sind sie in anderen Fällen aber manchmal auch. Und ich kann
eines vorweg nehmen: Bei Fat Mattress haben wir es mit einem dieser
kurzlebigen Nebenprojekte zu tun, bei dem es rückblickend einfach nur
unglaublich schade ist, dass die ganze Chose fast so schnell wieder vorbei
war, wie sie begonnen hatte. Aber erst mal zum Anfang dieser Geschichte:
Fat Mattress war das 'Baby' von Noel Redding, eigentlich gelernter
Gitarrist, weltweit aber wohl als Bassist der Jimi Hendrix Experience bekannt. Frustriert darüber, nur ganz selten einen seiner Songs auf den
Experience-Alben unterbringen zu können, startete er mit seinen alten
Freunden und ex-Bandmates Neil Landon (Gesang) und 'Uncle' Jim Leverton
(Bass/Gesang, später bei Savoy Brown auf deren starkem "Boogie
Brothers"-Album, der Keef Hartley Band und Steve Marriotts Packet Of Three)
ein eigenes Projekt. Außerdem dabei war ein blutjunger Schlagzeuger namens
Eric Dillon (ebenfalls später auf "Boogie Brothers").
Das erste Album, schlicht "Fat Mattress" betitelt, besticht durch
erstklassiges Songwriting. Sämtliche zehn Songs befinden sich, auch in der
Umsetzung, auf einem absoluten Spitzenniveau und man kann mindestens acht
davon als Ohrwürmer bezeichnen, die einem einfach nicht mehr aus dem Kopf
wollen. Egal, ob "All Night Drinker", "Mr. Moonshine", "Magic Forest" und
und und....das sind allesamt Songs, die man bedenkenlos als Singles hätte
veröffentlichen können, so stark sind die Grooves und Melodien.
Der Bandsound ist zugegebernermassen stark von der Zeit beeinflusst, in der das Album entstand, sodass beim Anhören sehr schnell deutlich wird, dass die Aufnahmen eigentlich nur in den späten 60ern entstanden sein
konnten. Stilistisch gesehen ist es Rock der Endsechziger Jahre mit vielen
psychedelischen Einflüssen. Aber auch eine gewisse Dosis Pop wurde den
Songs verabreicht.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Bands der damaligen Psychedelic Rock-Szene haben die Mannen um Noel Redding jedoch keinen einzigen Song mit
Überlänge auf ihrem Debüt am Start. Vielmehr bewegen sich alle Tracks im
knackigen Drei- bis Vier-Minuten-Format. Außerdem fällt auf, dass es so
gut wie keine Gitarren-Soli gibt und dieser Raum oft dem Gastflötisten
Chris Wood (R.I.P., ex-Traffic) zur Verfügung gestellt wurde.
Ob Redding da einem Vergleich zu dem damals über allem stehenden Hendrix von vornherein aus dem Wege gehen wollte? Auf jeden Fall dennoch ein superstarkes Debüt.
Fat Mattress gingen dann mit Jimi Hendrix auf US-Tour und da Noel Redding immer noch Mitglied der JHE war, fuhr er sozusagen Doppelschichten.
Zunächst als Gitarrist mit seiner Band, danach als Bassist mit Hendrix. Vom
ersten Album konnten darauf in den USA 500 000 Exemplare abgesetzt werden
und in Holland hatten die Briten mit "Magic Forest" eine Nr. 1 Single zu
verzeichnen. Nur in ihrer Heimat England konnte man, trotz
überschwänglicher Kritiken in der Presse, nicht viel reißen.
Noel Redding verließ darauf die Experience und da es in den USA so gut
lief, wurde dort nur wenige Monate nach der Tour mit Jimi Hendrix eine
eigene Headliner-Tour mit 30 Konzerten gebucht. Diese Tour im Winter 1969
(das Album wurde 1968 aufgenommen, jedoch im August '69
veröffentlicht) fand aber nach nur sechs Konzerten ein abruptes Ende, da
es zu ernsthaften Streitigkeiten zwischen Redding und Jim Leverton gekommen war und Redding einfach alles hinwarf und zurück nach England flüchtete.
Da war guter Rat teuer und diese Situation wäre für so manch andere Band
ein guter Grund gewesen, sich aufzulösen. Aber Leverton, Landon und Dillon
beschlossen weiterzumachen. Als Ersatz für Redding konnten Steve Hammond (Gitarre) und Mick Weaver (alias Wynder K. Frog) an den Keyboards gewonnen werden. Man zog sich ins Studio zurück um 'Fat Mattress II' aufzunehmen.
Und wieder wurden extrem starke Songs der Marke "The Storm", "Leafy Lanes"
(zum Abheben schön), "Naturally" oder "Happy My Love" produziert. Der Sound enthält immer noch viele Elemente des Debüts, aber der Psychedelic-Anteil ist nicht mehr ganz so stark vertreten. Es geht mehr rockiger, mehr geradeaus zu, als auf "Fat Mattress I". Trotzdem nach wie vor mit atmosphärischer Flöte, erstklassigen Melodien und der richtigen Harke, die ein gutes Rock-Album ausmacht. Außerdem auch hier wieder sehr eigenständig, mit Ausnahme des stark an die Beatles erinnernden "She". Und am Rande: Der als Single B-Seite veröffentlichte Song "Black Sheep Of The Family", geschrieben von Steve Hammond, wurde später von Ritchie Blackmores Rainbow auf deren Erstlingswerk gecovert.
"Fat Mattress II" fand jedoch nicht den gewünschten Zuspruch der kaufenden
Rock-Gemeinde und im Vorfeld zum dritten Album machte Wunsch-Produzent Chas
Chandler gleich deutlich, dass er nur dann einen Sinn für das Projekt
sieht, wenn Noel Redding zur Band zurückkehren würde. Und Redding kam
zurück. Sämtliche Songs für dieses geplante dritte Werk wurden als
Vorproduktion eingespielt, aber danach kam es zu Kompetenz- und
Machtspielchen zwischen der Band und Chas Chandler, die Fat Mattress dann
dazu veranlassten, endgültig die Segel zu streichen. Die Band löste sich
auf und Album Nr. drei wurde erst gar nicht mehr veröffentlicht.
Wir haben es hier immer noch mit einem Klassewerk zu tun, aber die Aufnahmen
lassen die Frische, die Unbekümmertheit, Ungestümheit und die
Treffsicherheit der ersten beiden Alben etwas vermissen. Erwähnenswert
auch, das hier der einzige überlange Song der Band ("The River", 17:26
Minuten) vertreten ist. Ob es nun am Produzenten Chandler oder dem Versuch
lag, an den Verkaufserfolg des ersten Albums in den USA anzuknüpfen, spielt
letzten Endes keine Rolle mehr.
Eine wirklich großartige Band war nach nur drei Jahren schon wieder
Geschichte. Sämtliche existierenden Aufnahmen von Fat Mattress sind auf
dieser Doppel-CD vertreten und es ist einfach unfassbar, wie stark selbst
die Single B-Seiten und Outtakes (Herausstechend: "Which Way To Go", welches
später als Jim Leverton Solo-Single veröffentlicht wurde) der ersten
beiden Alben sind.
Für jeden, der den Sound der späten 60er und frühen 70er mag, sollte
diese Veröffentlichung, die mit stark verbessertem Sound daherkommt, ein
Pflichtkauf sein. Und so was sage ich nicht oft. Ganz, ganz starkes
Material!!!
Spielzeit: 77:14 (CD 1), 77:09 (CD 2) Medium: Do-CD, Sanctuary/Castle, 2006, Rock
CD 1:
1:All Night Drinker 2:I Don't Mind 3:Bright New Way 4:Petrol Pump
Assistant 5:Mr.Moonshine 6:Magic Forest (Album Version) 7:She Came In The
Morning 8:Everything's Blue 9:Walking Through A Garden 10:How Can I Live?
11:Little Girl In White 12:Eric The Red 13:Naturally (Mono 45-Mix)
14:Iridescent Butterfly (Stereo Version) 15:Magic Forest (Mono 45-Mix)
16:Happy My Love (Radio 1 Session) 17:Mr.Moonshine (Radio 1 Session)
18:Naturally (Radio 1 Session) 19:Black Sheep Of The Familiy 20:Which Way To
Go 21:Hall Of Kings
CD 2:
1:The Storm 2:Anyway You Want 3:Leafy Lanes 4:Naturally (Album
Version) 5:Roamin' 6:Happy My Love 7:Childhood Dream 8:She 9:Highway 10:At
The Ball 11:People 12:Margarita 13:Cold Wall Of Stone 14:Long Red 15:Words
16:The River 17:Future Days
Markus Kerren, 08.06.2006
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