Musik aus dem Bunker

Äußert angenehme Temperaturen herrschten an diesem schönen Frühlingsabend in Aachen, als wir durch das angesagte Frankenberger Viertel zum Konzert der Fehlfarben unterwegs waren. Doch das Wetter war egal, denn es hieß ab in den Bunker. Das knapp 70 Jahre alte Gebäude war ursprünglich ein Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg, der dann später zu kulturellen Zwecken umgebaut wurde. Zwischendurch war der Komplex immer mal wieder von der Schließung bedroht, da die Bausubstanz nicht die allerbeste war. Trotz aller Widrigkeiten finden dort aber immer noch Konzerte statt und die etwas andere Atmosphäre 'unter Tage' macht auch sicher den Reiz der Konzerte dort aus. Ist man erst einmal unten im Bunkerbau, so wird es dann mal richtig dunkel. Bis auf ein paar vereinzelte Strahler ist es insgesamt sehr düster und wird jedem Gothic-Klischee gerecht. Gothic gab es aber heute nicht, sondern mit den Düsseldorfer Fehlfarben und den Radierern aus Frankfurt gab es eine Geschichtsstunde in Sachen Deutschpunk bzw. NDW.
Das böse Wort: NDW

Natürlich will keine ernstzunehmende Band im Jahre 2011 noch das Prädikat 'Band der Neuen Deutschen Welle' hören und bei den Fehlfarben ist das auch durchaus nachvollziehbar. Bis auf ihren Hit "Es geht voran", der zufällig in diese Phase fiel, hat man auch nichts damit am Hut, sondern gilt vor allem mit ihrem ersten Album "Monarchie und Alltag" als Gründer der deutschen Punkbewegung, die den Weg für Bands wie die Toten Hosen, Die Ärzte oder auch später Die Sterne sowie Tocotronic bereiteten.
Anders dagegen waren die Vorzeichen beim Support Die Radierer, von denen ich, zugegeben, vorher noch nie etwas gehört hatte. Trotzdem gibt es sie bereits seit über 30 Jahren und auch im Jahre 2011 bekommt man hier einen Hauch Nostalgie mit ihrer Musik in der Tradition von Bands wie Trio oder Palais Schaumburg.
Lego und Wackel-Panda

Gegen 20.30 Uhr begann der lustige Retro-Abend dann mit den besagte Radierern. Auffallend war sofort die hübsche weibliche Verstärkung, Lilith Winter, die wahlweise an Bass oder Keyboard agierte und locker die Tochter einer der anderen Musiker hätte sein können. Mit sehr schrägen Texten wie "Sextourist", "Dein verpfuschtes Leben" oder auch "Pommesbudenmädchen", bot man neben alten NDW-Songs auch neue Lieder der aktuellen CD "Der andalusische Bär". Nicht nur die Texte waren schräg, sondern sogar die Instrumente, die Sänger Christian Bodenstein nebenbei bediente, denn neben Kazoo und Mundharmonika kam dazu das uralte Stylophone (eine Art Miniatur-Keyboard mit Effekten) zum Einsatz. Was das genau ist kann man hier nachlesen. Zusätzlich hatte man am Bühnenrand noch einen Wackel-Panda platziert, der bei den Songs seinen Kopf und Hals immer in die Höhe streckte und mitwackelte. Wem das alles jetzt noch nicht schräg genug war, der bekam dann mit ihrem Mini-Hit "Lego" den Rest ("Ich ess Lego mit Spinat...!). Sicherlich nicht jedermanns Sache und schon mit sehr dadaistischem Flair, aber dennoch für eine halbe Stunde ganz unterhaltsam.
Der große Sound

Nach einer erträglichen Umbaupause wurde es dann Zeit für den Headliner. Nach dem minimalistischen Sound der Vorband kamen die zwei Keyboards hier noch bombastischer rüber und mit einer mächtigen "Wall Of Sound" legte das Sextett sofort los. Der Opener "Glücksmaschinen" und Titeltrack der aktuellen CD aus dem Jahre 2010, machte sofort klar, wer hier Herr im Haus bzw. Bunker ist. Glasklar und mit einer sehr präzisen Rhythmusfraktion ausgestattet, spielte sich die Band locker durch die kommenden 90 Minuten. Eine Fehlfarben-Show kann noch so gute Musiker an den Instrumenten haben, aber Dreh- und Angelpunkt ist und bleibt Frontmann Peter Hein. Wenn er gut drauf ist, wird auch das Konzert gut und Hein war in diesem Abend bestens drauf. Er tänzelte sogar zwischendurch, 
was nicht nur seine Bandkollegen das eine oder andere Mal schmunzeln ließ. Außerdem waren seine Ansagen, wie immer, wunderbar zynisch sowie auch sein Hohn für den Gitarristen Uwe Jahnke, der während der Show mit seinem Monitorsound Probleme hatte, war amüsant ( »immer diese unfähigen studentischen Hilfskräfte«) und kam beim Aachener Publikum bestens an. Musikalisch gab es den erwarteten bunten Querschnitt aus allen Phasen der Bandgeschichte, wobei das besagte Debüt immerhin mit vier Titeln gewürdigt wurde. Auch das lange verschmähte "Es geht voran" wurde gespielt und genau so frenetisch abgefeiert wie ihre Comeback-Single "Club der schönen Mütter" aus dem Jahre 2002.

Als erste Zugabe wurde das während der Show immer wieder lautstark geforderte "Paul ist tot" gespielt. Die Endzeithymne ist das Referenzstück der Band und in diesen knapp sieben Minuten ist einfach alles drin, was die Fehlfarben ausmacht. Danach das ebenfalls lauthals bejubelte "Grauschleier" und als Ausklang dann noch eine Überraschung. Man hatte nämlich vor ein paar Tagen erst ein neues Stück geschrieben und nach dem gestrigen Auftritt in Bonn war dies erst das zweite Mal, dass man diese, noch namenlose Nummer, vor Publikum spielte. Der Song ist aber definitiv ein Knaller und der prägnante Refrain »Platz da! Macht den Weg frei!« hörte man noch, als die Band sich unter tosendem Applaus vom Publikum verbeugte.

Einen sehr unterhaltsamen und kurzweiligen Konzertabend hatten die Zuschauer im Musikbunker erlebt. In dieser Form können die Fehlfarben noch locker 10 Jahre weiterspielen und der jungen Generation, die neben Herrschaften des gesetzten Alters ebenfalls anwesend war, einen kleinen Einblick in deutsche Rockgeschichte geben.
Wir danken Nico Spielmann von Bear And Music Concerts für die problemlose Akkreditierung.
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