Flaming Bess / Fata Morgana
Fata Morgana 96     Fata Morgana 01
Willkommen zur Reise ins Reich der Fantasie. Zur vielbesungenen Göttin des Lichts, Flaming Bess und ihrem Prinzengemahl Arkana.
Am besten, Sie schließen die Augen und lassen sich treiben... ...ins Land der Himmelsburgen und goldenen Städte. Wo Gut noch gut und Böse einfach böse ist, wo "Ja" noch "Ja" heißt und "Nein" "Nein". Ist alles bereit? Ist der Geist offen für Gedankenspiele, haben Sie sich entspannt? Gut! Wohlan, unsere Reise geht los: Musik - richtig verstanden - ist eine Welt für sich, ein gar köstliches Abenteuer: Wir haben Sie nur an die Pforte geleitet, der Rest liegt bei Ihnen ...
Wer jetzt noch weiter liest, ist wohl gemeinhin erstmal offen für vieles, hat eine gewisse Affinität zu Fantasy in unserem oft fantasielosem Alltag und ist resistent gegen eine gewisse Portion Kitsch und Klischees. Fantasy - das war seit je her ein wiederkehrender Faktor im Progrock (aber auch z.B. im Metal-Genre), zählt doch das "Geschichten erzählen" in der fantastischen Literatur zu einer der Kardinalstugenden, eben so, wie es auch vom Anbeginn an in der Musik der Fall gewesen sein dürfte.
Das Ende der 60er Jahre gegründete Düsseldorfer Band-Projekt Flaming Bess steht in einer eben solchen Tradition. Im Gegensatz zu vielen "Story-Teller Bands" wird auf epische "In-Kaninchenfelle-gehüllter-Krieger- knüppelt-Ork-zu-Klump"-Texte verzichtet, dem Hörer nach ein paar einleitenden Worten der Platz gelassen, seinen eigenen "Gedankenfilm" zur instrumentalen Musik abzuspielen. Mal geht dieses Konzept auf, mal weniger.
Das "Intro" ist ein eben solches - Pianoklänge und Dieter Joswig spricht oben zitierte Einleitung und schafft es, dabei ruhig und nicht pathetisch zu klingen, auch wenn er sicher kein professioneller Sprecher ist. Danach geht es dann los.
Das Instrumental "Arkana" dürfte Flaming Bess Kenner in Zeiten von "Tanz der Götter" zurückversetzen: Pumpender, relaxter Bass, darüber fließende Elektro-Synthies, später nette Akustikgitarren, hier und da Klangspielereien. Vielleicht nicht spannend, aber ein gutes, fließendes Intro.
Dann beginnt mit "Veligandu" der erste Song mit Gesang. Bernd Hammes Stimme ist sehr gefällig. Das Stück bietet erneut pumpenden Bass, eine nette Melodie und interessante Gitarrensounds. Leider sind die Chöre meiner Ansicht nach ziemlich misslungen - klingen mehr nach einer Parodie. Dieser Eindruck wird von den hektischen und sehr nach Plastik klingenden Synthie-Bläsern noch verstärkt. An sich kein schlechter Song, bis auf das Arrangement. Die Gitarre ist mir zu weit hinten und der Sound macht leider einiges kaputt. Für einen Powersong klingt das ganze zu drucklos.
"Die Reise" klingt da schon wesentlich überzeugender - sphärische Synthies leiten ein, nette Ambient- und Ethnoklänge, etwa eine originale ägyptische Dau und Choral-artige Gesänge. Gefällt!
Mit "Hoffnung" findet sich einer der ersten Kleinode der Platte: Geschmackvolles Piano und Akustikgitarre, dazu leicht psychedelische Elektrogitarren - Achim Wierschem darf sich hier mal etwas austoben. Ab 3.20 steigert sich das Ganze dann und der Gesang von Bernd Hammes setzt ein - hier ist das Arrangement insgesamt wesentlich besser gelungen als bei "Veligandu". Einer der besten, vielleicht sogar der beste Flaming Bess Song bis 2001.
"Afrikanische Träume" ist dann wieder eine ruhige Nummer im Stil von "Die Reise", aber etwas mehr Melodie- und weniger Atmosphäre orientiert. Auch hier wieder ein schönes Gitarrensolo, gefolgt von einem Pianosolo - nicht übel!
Mit Wasserrauschen beginnt dann "Dau" , das zunächst düster anmutet, durch den Einsatz von Akustik und weinender Elektro-Gitarre dann aber eher traurig wirkt. Braucht sich von den dezenteren Gitarren-Rock Balladen von Steve Vai oder Joe Satriani nicht zu verstecken. Nur haben die produktionstechnisch weitaus größere Möglichkeiten.
"Visionen" ist wieder ein Sprachinterludium von Dieter Joswig, im Hintergrund weint ein Baby, ertönt ferner Donner und Regengeplätscher. So beginnt dann auch "Regenkind", eine poppige "gute Laune-Nummer", mit melodischer Percussion, Xylophon, Glockenspiel und Gesang von Bernd Hammes. Gefällt vor allem im Dialog zwischen den Synthie-Bläsern und der Gitarre. Sicher ein weiterer hervorstechender Song des Albums.
Danach folgt der, ziemlich unglücklich gewählte, Titel "Erbarmen". Reichlich kitschiges Pianogeklimper, Sprachsamples aus dem Film "Sinuhe der Ägypter". Ob es an der Produktion oder am Stück liegt - auf mich wirkt es reichlich aufgesetzt und unglücklich, obwohl die Botschaft an sich lobenswert ist. Trotzdem, spätestens bei ... im nackten Kampf ums Überleben kennt niemand Gnade und dem gleichzeitigem, durchaus gelungenen Einsatz der Soul-Stimme von Lucy Wende ist es dann aus, und das Ganze wirkt seltsam belustigend. Ich verzichte jetzt einfach mal auf böse Wortspiele mit dem Titel. Fairerweise muss ich allerdings anmerken, dass ein geschätzter Freund von mir den Song richtig gut fand.
"Gedankenspiele" ist dann wieder richtig gut, sehr atmosphärisch, zauberhaft, entspannend-schön. Der meditative Anfang - mit Vogelgezwitscher, Walgesängen, Wasserrauschen - gleitet hinüber in einen weiteren relaxten Mid-Tempo Ethno-Rocker bei dem vor allem Gitarre und Melodieführung erneut überzeugen. Ein weiteres Glanzlicht.
"Fata Morgana" hat einen ähnlichen Aufbau, wirkt aber insgesamt nicht so stimmig - denkt man zuerst, bis dann ab etwa 3.20 min. ein neuer Melodie-Part einsetzt und den Song mit toller Gitarren-Hookline und Solo vor der Belanglosigkeit rettet. Ein echter, kleiner Ohrwurm.
Bei "Für Mau-Ri-Tse" singt dann erneut Lucy Wende und liefert sich zu schleppendem Rhythmus ein emotionales Duett mit der weinenden Gitarre. Schon kitschig, aber irgendwie auch ironisch, wenn man weiß, wem dieser Song gewidmet ist...
Als Bonustrack kommt dann "Rain Child" dazu, eine leicht abgeänderte Version des "Regenkinds", diesmal mit echtem Refrain und erneut sehr "cooler" Gitarre. Dann folgen etwa 40 Sekunden Stille, auf die eine völlig anders daherkommende Version von "Hoffnung" erklingt. Sphärisch, wie in Trance zuerst, begleitet von einem (leider unechtem) Saxophon und späterer Elektropercussion. Die Gitarre steht hier noch mehr im Vordergrund als beim Original bis schließlich noch mal Bernd Hammes einsetzt und einen überzeugenden Schlusspunkt setzt.
Im Gegensatz zu "Tanz der Götter" und "Verlorene Welt" erzählt "Fata Morgana" keine durchgehende Geschichte. Reminiszenzen an vergangene Zeiten sind zwar noch vorhanden, so dass die Musik immer noch ein gewisses Flair von klassischem Prog à la Camel verströmt, gleichzeitig ist allerdings eine Vielzahl neuer Einflüsse hinzugekommen.
Zum einen ist dies eine ziemlich dicke Portion Ethno, zum anderen die Songs, die im Gegensatz zu den Vorgängeralben wesentlich kompakter und griffiger wirken. Hier werden vielfach eingängige, aber nicht ausgelutschte Melodien geboten, gleichzeitig passiert viel mehr als noch zu Zeiten von "Verlorene Welt". Zum großen Teil geht diese Rechnung auf, hin und wieder ("Erbarmen", "Für Mau-Ri-Tse") ist der Kitsch für mich dann aber doch zu präsent, zu aufdringlich, um sich noch auf ein Gedankenspiel im Treiben der Musik einzulassen. Manchmal würde ich mir etwas mehr Tempo wünschen, aber das ist bei den Vorgängern auch nicht anders.
Zwei weitere dicke Pluspunkte bietet zum einen die Vielfalt der Instrumente (wobei diese zum Teil aus dem Synthesizer kommen dürften), zum anderen das tolle, einem klassischen Rockstil verpflichtete Gitarrenspiel - genau dort, wo mein Ohr hin will. Bass und Keyboards fließen ebenfalls sehr schön mit ein, auch ein großer Teil der Percussion gefällt, im Gegensatz zu ...
...und damit wären wir aber auch bei den zwei Mankos von "Fata Morgana":
1. Das Schlagzeug ist programmiert und klingt auch so. Meistens kann man diesen Umstand noch ignorieren, aber hier und da ist es dann doch zu auffällig. Besonders ärgerlich ist das etwa in "Veligandu" - zu klinisch, zu pappig, zu wenig organisch tackelt's aus den Boxen. Was hätte ein echter Drummer hier ausrichten können!
2. Die Produktion ist allgemein recht "bescheiden" ausgefallen. Der Sound ist durchaus transparent, klingt aber etwas dünn. Es scheint manchmal "nebeneinander her" zu laufen, aber nicht miteinander. Im Gegensatz zu der Gesamtheit der Songs bilden die Instrumente nicht immer eine homogene Einheit. Auch hätte es durchaus fetter sein dürfen - vor allem die Gitarren.
Letzterer Punkt ist allerdings dem Umstand zuzuschreiben, dass das Album nur auf 8 Spuren eingespielt wurde, da die Band sich zum damaligen Zeitpunkt nun mal keine High-End Produktion leisten konnte. Statt dessen wurde alles in Eigenregie mit sehr bescheidenen technischen Mitteln abgemischt. Dafür klingt das Album nicht mal schlecht, aber eine hochklassige Produktion ist eben doch für audiophile Ohren ein nicht zu unterschätzender Faktor.
Insgesamt bis zu diesem Zeitpunkt das wohl beste Flaming Bess - Album. Großteils in sich stimmig wie die alten Werke, bietet es die wesentlich besseren Songs.
Für Ende 2004 steht jetzt das neue Album "Finstere Sonne" an, dass laut erster Info neue Wege beschreiten soll - die Produktion für dieses Album erfolgt nun mit moderner 24 Spur Analog/Digitaltechnik - man darf also auch klanglich gespannt sein, was sich die Düsseldorfer einfallen lassen.
Anspieltips: "Hoffnung", "Gedankenspiele"
Besetzung:
Peter Figge - Keyboards, Percussion
Hans Wende - Bass, Gitarre, Keyboards
Dieter Joswig - Keyboards, Percussion, Erzähler
Achim Wierschem - Gitarren, Keyboards, Schlagzeug-Programmierung
Gastmusiker:
Rudy Kronenberger - Akustik-Gitarre (bei 10)
Bernd Hammes - Gesang (bei 3,5,9,11)
Lucy Wende - Gesang (bei 10,13)
Spielzeit: 65:00, Medium: CD, Arkana Multimedia , 1996 (2001)
1:Intro 2:Arkana (Kapitel III) 3:Veligandu (Power Song) 4:Die Reise 5:Hoffnung (Hope Song) 6:Afrikanische Träume 7.Dau 8:Visionen 9:Regenkind 10:Erbarmen 11:Gedankenspiele 12:Fata Morgana 13:Für Mau-Ri-Tse 14:Rainchild (Hopeful Radio Edit) (nach einer alternativen Regenkind-Version "Stille" und schließlich eine "modernere" Version von "Hoffnung")
Markus Wierschem, 21.01.2005