»Wir füttern unsern Bundestag, mit Flüssigei und Sahnequark. Wir legen Herz und Kreislauf lahm, damit wir 'was zu lachen ham. Wir erhöhen die Diäten und streichen die Diät und füttern sie mit Schinkenbrot bis garnix mehr geht. Wir brauchen dicke Dicktatoren - nette, fette Männer die man platzen lassen kann« - herrlich, oder? Es wäre zu schön, wenn man sich so einfach der ungeliebten Politikerband(e) entledigen könnte und Flatsch! trafen 1986 mit diesen Zeilen tief ins Mark des Zeitgeistes. Auch wenn - oder gerade weil - es diese Frankfurter Band schon lange nicht mehr gibt: Flatsch! sind seit langem Kult... und das nicht nur im Rhein-Main-Gebiet.
Rückblende: Es war - glaube ich - im März 1982 als ich Flatsch! erstmals in der Neu-Isenburger Szenekneipe 'Treffpunkt' sah. Auf Verdacht war ich dort, denn vom Line-up war mir eigentlich nur Seppl Niemeyer, Ex-Drummer von Octopus, bekannt. Der Ruf einer anarchistisch-wilden Rockklamauk-Truppe lief ihnen allerdings bereits voraus. Nachdem ich nach dem Auftritt - eimerweise um Lachtränen erleichtert - in den Besitz der ersten Scheibe "Was mer hat des hat mer" gekommen war, hatte die Band einen hartgesottenen Fan mehr. Gut, das Album klang noch etwas amateurhaft, aber spätestens seit sich das Offenbacher Label Rockport Records um die Band kümmerte, wurde ein überaus ansprechendes Niveau erreicht. "Flatsch! Zwo" und vor allem "Net Stumbe" - Album Nummero drei - bezeugen dies eindrucksvoll.
Flatsch! lagen musikalisch genau zwischen dem Fun-Punk der Wiesbadener Anarchotruppe Die Crackers und dem 'bissigen' Rock der Rodgau Monotones; alle drei Bands waren übrigens bestens befreundet. Allerdings legten sie sehr viel mehr Wert auf lustige Sketche zwischen den Songs als die beiden letztgenannten Bands. Hier taten sich vor allem Gerd Knebel und Olaf Mill aber auch Seppl Niemeyer hervor. Da auch der Monotones-Sänger Henni Nachtsheim bei seiner Band den Theaterambitionen nicht in vollen Zügen nachkommen konnte, gründeten er und Gerd Mitte der 80er das Badesalz Theater. Aber das wäre eine eigene, lange Geschichte...
Der Name Flatsch! beschreibt - nebenbei bemerkt - genau das Geräusch, das eine Torte von sich gibt, wenn sie im Gesicht des Adressaten landet.
Warum ich allerdings die "Begnadigte Körper" und nicht die vielleicht 'bessere' "Net Stumbe" bespreche, muss ich schon etwas genauer erklären. Letztere war für mich - und für viele andere - der Höhepunkt des kreativen Schaffens der Frankfurter. Songs wie die "Tannenbaum Peepshow", "Badekapp", die "Bockworschd" oder der Hard Rockfeger "Der Gast" waren eigentlich kaum noch zu 'toppen'. "Begnadigte Körper" ist das 'tragischste' Album des Sextetts, und verdient es genau deshalb besprochen zu werden. Um das zu erklären, muss ich leider ein wenig ausholen - was ich zu entschuldigen bitte.
Die Rodgau Monotones legten 1984 mit "Volle Lotte" ein Album auf, das bundesweit für mächtig Furore sorgte und das hessische Idiom salonfähig machte. "Erbarme zu spät, die Hesse komme" gilt seitdem als Hessens heimliche Nationalhymne. Die Vorläufer waren zwar nicht weniger genial, aber "Volle Lotte" war mit Bläsersätzen und allerlei Schnick-Schnack auf internationalem Topstandard produziert worden. Management und Plattenfirma - man war zu Intercord gewechselt - Flatsch!s hofften wohl, im Sog des Monotones-Erfolges bundesweit in die Erfolgs-Topliga gespült zu werden. "Begnadigte Körper" war Ausdruck dieses Bestrebens. Produktionstechnisch keinen Millimeter hinter "Volle Lotte" zurückbleibend war es tragisch, dass dieser Plan nicht aufging und dies die letzte Studioplatte von Flatsch! werden sollte. "Die Hesse komme..." blieb mehr oder weniger eine Eintagsfliege und auch die Monotones mussten nach Erfolgen bei hochkarätig besetzten Festivals und einer Rockpalastnacht wieder kleinere Brötchen backen.
»Hör doch uff zu babbeln« mag jetzt der eine oder andere Leser denken und so will ich mich nun dem eigentlichen 'Corpus Delicti' zuwenden...
Flatsch! hatte sich kurz zuvor umformiert. Das Gründungsmitglied Andreas Scheinhütte (Gitarre) war durch 'Hello' Unverzagt (Keyboards) und Bobby Sattler (Sax) ersetzt worden, was die musikalische Bandbreite der Band hörbar erweiterte. Die Texte sind wieder gespickt mit zum Teil feinsinnigen Bosheiten, die eine wunderbare Grundlage für die Sketche der Live-Shows bildeten. Der Titel "Begnadigte Körper" ist eine augenzwinkernde Selbstironie, mit der Olaf und Gerd ihre 'wohlgeformten' Bodys durch den sprichwörtlichen Kakao zogen. Es ist einfach erfrischend, wenn man über sich selbst lachen kann... Herrlich auch die eingangs zitierten "Dicke Dicktatoren", die live in Fascho-Uniformen dargeboten wurden. Assoziationen zu dem damaligen König von Deutschland, Kelmut Hohl, sollten selbstredend niemals aufkommen! Auch die "Panzerknacker" (»...wir werden dicker von Jahr zu Jahr...«) zitiert diesen Flatsch!'schen Running Gag.
"Rambo", die verdächtig nach Hob Goblin (einer weiteren Frankfurter Szeneband) klingende Single, fiel leider in den Charts völlig zu Unrecht durch. Besser kam da die "Gute alte Zeit" an, die zu einer wahren Hymne der Band wurde. Der Banker Franz trifft nach vielen Jahren den Berufsdemonstranten und Gesangsvereinskollegen Wilhelm Becker. Wer sich live bei dieser Nummer nicht vor Lachen bepinkelte, hat wohl kaum gelebt.
»Raus aus den Federn, verdammt noch mal! Wir sind ein Krankenhaus und kein Hotel... Herrrr Knebel, Ihnen mache ich gleich einen Einlauf aus Honig und Senf!« - die "Schwester" wurde von Seppl gespielt - wurde ebenso ein Live-Knaller wie "Hallo Frollein (Sprecken Sie doitsch?)". Die Anmache eines blonden 'German-Schwarzwaldmädchens' durch einen Ami wurde später Grundlage eines TV-Sketches von Badesalz. "Laß die Wolke einfach weiterziehen" thematisiert die damalige Aufregung in der deutschen Gesellschaft - kurz zuvor war der Schrott-Reaktor in Tschernobyl 'hochgegangen' und erstmals geisterten Begriffe wie 'Halbwertzeit' oder 'Cäsium 137' durch die verunsicherte Öffentlichkeit.
"Schweinerei"... die Samenspender von Flatsch! wollen gefälligst mit Boris Becker, Helmut Kohl, Arnold Schwarzenegger, Klaus Kinski und Norbert Blüm (»...alle tropfen sich da aus - nur MICH hält man dabei 'raus...«) in ein Reagenzglas. Die Schaffung eines Wunderkindes ohne Flatsch! - schließlich undenkbar! Nach diesem Meisterwerk, "Begnadigte Körper", schon gar nicht...
Irgendwie war es bezeichnend für die Kurzlebigkeit von Musiktrends, dass dieses Album nicht die verdiente Beachtung fand. Man tourte zwar danach nicht mehr nur durch die Rhein-Main-Region und die angrenzenden Gebiete, sondern durch die gesamte Republik, aber letztendlich waren Flatsch! einen Tick zu spät dran. Der 'Todesstoß' für die Band war allerdings der unglaubliche Erfolg den sich das Badesalz Theater - später namentlich verkürzt auf Badesalz - erspielte.
Ich hoffe mit diesem Appetithäppchen aus unserem diesjährigen Adventskalender Lust auf diese irre Truppe gemacht zu haben. Vielleicht macht Ihr Eurem Schatz eine ganz besondere Freude und legt ihm ein Flatsch!-Album unter den Weihnachtsbaum?!
Line-up:
Gerd Knebel (Gesang)
Olaf Mill (Gesang, Gitarre)
Seppl Niemeyer (Schlagzeug)
Hans Riffer (Bass, Gesang)
Helmut 'Hello' Unverzagt (Keyboards)
Bobby Sattler (Saxophon)
Tracklist |
01:Rambo (3:47)
02:Gute alte Zeit (4:13)
03:Panzerknacker (3:26)
04:Büro (4:42)
05:Dicke Dicktatoren (3:26)
06:Schwester (4:08)
07:Schweinerei (3:59)
08:Wir tun es immer wieder (3:52)
09:Hallo Frollein (4:14)
10:Laß die Wolke einfach weiterziehen (5:33)
11:Tänz With Me (3:35)
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