Fleetwood Mac, 19.10.2009
Live in Concert, O2 World, Berlin
Fleetwood Mac
Live in Concert, O2 World, Berlin
19. Oktober 2009
Konzertbericht
Stil: Rock/Pop



Artikel vom 29.10.2009


Grit-Marina Müller
Fleetwood Mac»Wear red and you never go wrong!« empfahl einst Miles Davis in weltmännischer Weisheit seinen farblich bevorzugten Dresscode für jegliche Anlässe. Lindsey Buckingham respektiert diesen Ratschlag des Öfteren auf der aktuellen Welttournee von Fleetwood Mac, vermutlich um den breit gefächerten Höchstansprüchen seiner eigenen Performance in angemessener Form gerecht zu werden.
So startet "Monday Morning" am Montagabend des 19. Oktober 2009 in Berlin ein absolut phänomenales Hitfeuerwerk des schillernden britisch-amerikanischen Blues-Rock-Pop-Quartetts, das Stevie Nicks mit einem charmanten Kompliment an die Hauptstadt, die sie in bester Erinnerung habe, und den lässig viel versprechenden Worten »So I suggest, let's get the party started!« anzündet.
Fleetwood MacMan sei zum ersten Mal ohne neuem Album auf Live-Tour und dies sei eine völlig neue Erfahrung für die Band, erklärt Nicks' Partner in Crime seit vielen Jahren, Krisen und Hochzeiten, Lindsey Buckingham, aber nie hätten sie soviel Spaß beim zwanglosen Miteinander auf der Bühne erlebt und die Gelegenheit gehabt, einfach nur die Songs zu spielen, die man am meisten mag und dieses reine Vergnügen mit den Fans weltweit zu teilen. Kaum ein Rock-Gebilde ist Phönix' Asche der schicksalhaften Lebensirrungen und -wirrungen so oft entstiegen, wie Fleetwood Mac, die ihr sehr persönliches Tal der Tränen, Trennungen, Versöhnungen, Liebes- und Hassbekundungen immer wieder auf magische Art in musikalisch kreativste und nicht selten erfolgsträchtigste Glanzleistungen verwandeln konnten.
Fleetwood MacIm Ergebnis veranstalten die eigenwilligen Akteure gegenwärtig eine wahre Trickshow ihres langjährigen, facettenreichen Vaudeville-Abenteuers - den in schlau durchdachter Dramaturgie entfesselten Best-Of-Countdown der Unleashed Tour 2009 - einem brillanten Smart-Act, der die unheimliche Bandbreite leiser, feiner Töne bis hin zu den zartesten Nuancen darbietet und auf der anderen Seite die lautesten, wildesten Smasher der Rock-Dinosaurier in den imposanten Klangraum entlädt. Von Anfang an begeistert der druckvolle, kristallklar transportierte Sound in der Weltstandard garantierenden High-Tech-Arena O2-World, Berlins noch jungem, in aller Munde bewunderten Prestige-Objekt. Gerade recht, um vom famosen Bühnen-Vierer mit dem ruhmreichen Namen nach Herzenslust ausprobiert zu werden.
Fleetwood MacIn der zweiten Reihe fungieren dabei die Urheber und Namensgeber des Unternehmens: John McVie, am Bass solidierend, traditionsgemäß mit nobler, weißer Kopfbedeckung und dennoch in äußerster, förmlicher Zurückhaltung präsent. Hinter einem funkelnden Goldberg aus Trommeln und Becken residiert der Hofnarr des großen Schauspiels, Mick Fleetwood, der sich, bekanntermaßen schwarz-weiß gekleidet, in Sachen Schuhfarbe jedoch ebenfalls der Meinung von Miles Davis anschließt.
Die Geschäftsführung von Fleetwood Mac aber liegt an der Frontlinie eindeutig in den Händen von Managing Director Lindsey Buckingham. Der erstaunlich frisch und jugendlich wirkende Fast-Sechziger erweist sich über die knapp 3-stündige Distanz des fulminanten Mac-Marathons als kraftstrotzender, energetischer Shouter und überaus versierter, universeller, wohl meist unterschätzter Spitzengitarrist im Rock-Zirkus.
Fleetwood MacEinen nicht minder verblüffenden Eindruck hinterlässt die zeitlose, ewig traumhafte Feen-Gestalt von Stevie Nicks. Schöner denn je in ihren weit schwingenden, schimmernd zierenden, kleidhaften Gewändern, umrahmt vom goldblonden Haarschweif und vor allem natürlich betörend im Gesang ihrer unvergleichlichen, eindringlichen, durchdringenden Stimme. - Ein Spinechiller par excellence von scheinbar unvergänglicher Konstanz.
Perfekt kreiert die Lightshow das märchenhafte Szenario in den Leuchtfarben fantastischer Fabelwelten. Das Fleetwood-Hitrepertoire - eine exklusive Sonderausgabe der Rockgeschichte - reiht Evergreens, Ohrwürmer und Charthymnen aneinander. "Rhiannon", der erste Zauberstreich aus "Rumours", in 'die Welt gesetzt' nach The Mac's Reinkarnation als Pop-Wunder der Siebziger, strömt durch die berauschte Atmosphäre. "Gypsy" folgt, das Stevie in wehmütiger, sehr romantischer Reminiszenz an ihre Jugend in frühen Highschooltagen vorstellt... »...so I'm back to the velvet underground...«...
Nachdem "Sara", eine weitere Perle aus Ms. Stephanies Feder verklingt, versinken 17000 Seelen im Meer der Emotionen, als sich Stevie Nicks und Lindsey Buckingham einer innigen Umarmung hingeben. Man schluchzt... und schluckt... und man schluckt noch einmal... Beste, große amerikanische Unterhaltung? Oder doch die herzerweichende Geste unabänderlicher, aufrichtiger Zuneigung?...
Fleetwood MacBreak! Wer glaubt, hier im Great-Romance-Programmkino gelandet zu sein, der irrt gewaltig. This is Rock! Und "The Chain" macht klar, warum. "Oh Well" erläutert unmissverständlich die Grundlagen der 1967 geborenen Blues-Kult-Formation. - Red Shirt Lindsey spielt sich bei diesem Klassiker in ekstatisch wahnwitzige Sphären. Fassungslose Mienen... Er zelebriert manisch-exzessive Soloausflüge mit der Begründung »I Know I'm Not Wrong« oder »I'm Not Afraid«, bis der riesige Buckingham-Palace kocht. Dazu entlässt der Maniac ein ums andere Mal markerschütternde Urschreie. Eine Art Rückkopplungseffekt? Unbeschreiblich...
"Big Love" - zweifellos der Höhepunkt dieses Ausnahmekonzerts für mich. Von Buckingham offenbart als eines seiner persönlichsten Stücke, aufgenommen in einer Zeit großer Umbrüche und Veränderungen. Vorgetragen überraschend schlicht und akustisch, von einer Glaubwürdigkeit und packenden Intensität, die regelrecht erstarren lässt. Von einer Virtuosität, die eindrucksvoller nicht überzeugen könnte.
Fleetwood Mac"Stand Back", "Go Your Own Way" - Da geht's schon wieder los! Zwei Hände, zehn Finger zerfetzen das Griffbrett dieser violinenförmigen Turner-Gitarrenschönheit, dass die Funken fliegen. Es ist nicht zu glauben! Die Massen toben... Bestuhlung des Innenraums? Eine Maßnahme, die sich vollkommen erübrigt hatte. Ovations... Standing Ovations... - eine Reihe nach der anderen...
Lindsey Buckingham führt sich auf wie ein erklärter Rock-Gott. Nun, das mag daran liegen, dass der Mann in Rot den verdammten Teufel saitlich aus der Hölle peitscht!
First Lady Stevie Nicks ist wieder dran. "Gold Dust Woman" mystifiziert sie sich selbst im farbgleichen Schleier, durch den Bühnennebel schwebend. "Landslide" haucht sie die niederschmetternde Ballade vom unergründlichen Wesen der Liebe zerbrechlich ins Mikrofon. Dann zerbricht Lindsey in "Never Going Back Again"... Heiß-kalte Wechselbäder der Gefühle durchlebt man in mittlerweile Kräfte zehrender Frequenz, einschließlich der bekannten punktförmigen Hautirritationen körperweiten Ausmaßes.
Fleetwood Mac"Don't Stop", "World Turning" - mit obligatorischen, höllisch-humoresken Drum-Salven von Mick "Big Eyes" Fleetwood - und "Silver Springs" heißen mindestens einige der grandios performten, frenetisch gefeierten Zugaben. Die 5 Namen dreier fast gänzlich im Schatten der Ereignisse agierender Background-Ladies und zweier langjähriger Tasten-und Saitenassistenten im komplettierten Mac-Ensemble überfordern leider mein in Impressionen ertrinkendes Erinnerungsvermögen, wie plötzlich auch die lange, außergewöhnlich wechselvolle Geschichte dieser einzigartigen Band.
Vergesst Peter Greens Blues-Schul-Meisterwerk, vergesst seelige "Albatross"-Zeiten, vergesst die glorreichen Sechziger, den Stardust der Siebziger! Fleetwood Mac ist als gigantisches Flaggschiff im neuen Jahrtausend des Show-Entertainments angekommen, mit einem Festakt der Superlative, in Besinnung auf eine große Vergangenheit und eben großer Erwartung einer spannenden Zukunft.
Fleetwood MacShake hands der umjubelten, lebensgeprüften Hochseilartisten in der Manege des Rockuniversums mit denen, die ihnen zu Füßen liegen... - » No fans, no band!« dankt der Hofnarr. »You been rockin' great!« schmeichelt Stevie. »See you next time!« stellt Lindsey klar. »Yes, we miss Chris too...« antwortet Mick Fleetwood den Christine McVie-Grüßen aus dem Publikum und verabschiedet sich mit »Two things I want to say to you...« in wunderbarer, denkwürdiger und allzu wünschenswerter Weise von seinen 17000 glücklichen Anhängern in Berlin: »First: Take care of yourself. And second: Take care of one another...« ...
Danke sehr an meinen geschätzten Kollegen Ingolf für die kurzfristige, wenn auch etwas unfreiwillig überlassene Akkreditierung, die uns ebenso dankenswerterweise ermöglicht wurde durch das Concertbüro Zahlmann.
Line-up:
Mick Fleetwood (drums)
John McVie (bass)
Lindsey Buckingham (guitar, vocals)
Stevie Nicks (vocals)
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