Joy Frempong & Philippe Ehinger
Le voisins ne parlent pas tous la même langue
Le voisins ne parlent pas tous la mâme langue Spielzeit: 44:48
Medium: CD
Label: Unit Records, 2012
Stil: Avantgarde

Review vom 05.01.2013


Wolfgang Giese
Allein auf weiter Flur eine Bassklarinette. Doch nur gut dreißig Sekunden ist sie allein, denn eine Stimme, jene von Joy Frempong, gesellt sich dazu. Nach gut drei Minuten Einleitung formiert sich der Song, beginnt verhalten zu swingen und der Gesang geht in jene Richtung früherer Worksongs oder Spirituals - ein wenig an das erinnernd, was ich von Odetta Holmes kenne. Ein verheißungsvoller Auftakt dieses Ausschnitts eines etwa zweistündigen improvisierten Konzerts der beiden Musiker. Es war am 4. Februar 2012, als sie sich hierzu in Genf trafen, das erste Mal gemeinsam auf einer Bühne standen.
Improvisation, das ist dann auch das Stichwort, denn bereits beim zweiten Titel gewinnt diese die Überhand. Frempong nutzt verschiedene Ausdruckselemente, einiges erinnert gar an Geräusche von Schluckauf. Die Bassklarinette ist ein Instrument mit einem dominierenden Ausdruck und vieles, was Ehinger spielt, geht genau in jene Richtung, die ich von John Surman kenne. Schwierig ist die Musik sicher einzuordnen, Jazz ist es eigentlich nicht. Avantgarde sollte passen. Wenn gurgelnde Geräusche auf "The Fly & The Bee" hinzustoßen, spätestens dann mag sich der eine oder andere Hörer abmelden und eine gewisse Ernsthaftigkeit anzweifeln. Aber so ist es eben mit Kunst, immer im Zentrum der Polarisation. Auch ich halte diese besondere Art des stimmlichen Ausdrucks auf diesem Titel nicht unbedingt für ansprechend, weil ich nicht folgen kann und möchte. (»The fly was very very old and tired and that's the end of the story «) Nach diesem bösen Ende fallen gar Worte wie 'Motherfucker' im nachfolgenden Titel, mit gedoppelter und leicht verfremdeter Stimme über dumpfen Keyboardsounds und der Klarinette als Begleiter. Doch das ist einer jener Songs, die mich mitnehmen und mit ihrem fließenden Ausdruck ansprechen. Schön wäre gewesen, dieses etwas länger zu gestalten und vielleicht noch ein Solo auf der Klarinette einzustreuen. Doch letztlich bleiben es relativ kurze Stücke, die bei "You May Go" sogar einen relativ strukturierten Songcharakter aufweisen. Das könnte der 'Hit' der Platte sein.
Minimalismus, mit spontanen Ideen gewürzt - Musik, der man sich zwingend öffnen muss, ansonsten wird man auf verlorenem Posten bleiben. Nun, bis auf die eine oder andere Verschrobenheit sind ja auch viele harmonische Parts enthalten. Auch Liebhaber elektronischer Musik dürften gelegentlich ihren Zugang finden. In über dreizehn Minuten auf dem letzten Titel - so dacht ich - dürfen sich die Beiden dann noch ausgiebig austoben, doch nach knapp zwei Minuten ist es schon vorbei. Wie auch an anderen Stellen fällt mir nun die Musik von Laurie Anderson ein, die ich als Vergleich heranziehen möchte, denn ungefähr diese Atmosphäre wird oft verbreitet. Und nun warte ich noch, in der Hoffnung auf den 'Hidden Track', und warte, und warte. 9:36 - sphärisch schräge Keyboardklänge mit Gesangsfetzen vermischt, scheinen die Gehörgänge bedrohen zu wollen. Aber eigentlich fließen die Klänge relativ belanglos vor sich hin bis zum ausgeblendeten Ende…
Line-up:
Joy Frempong (vocals, samples, loops)
Philippe Ehinger (bass clarinet, keyboards, loops)
Tracklist
01:The Stone & The Lord (4:28)
02:He Calls Me Down To My Man (3:36)
03:Interlude #1 (2:25)
04:The Fly & The Bee (3:09)
05:Les voisins ne parlent pas tous la même langue (3:46)
06:You May Go (2:09)
07:Interlude #2 (4:58)
08:Rest At Last D'après "A Death Song" (4:29)
09:L'autre continent (2:31)
10:Wedding & Funeral The Same Day (13:13)
(all music by Joy Frempong & Philippe Ehinger)
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