Frogg Cafe / The Safenzee Diaries
The Safenzee Diaries Spielzeit: 70:20 (CD 1), 66:05 (CD 2)
Medium: Doppel-CD
Label: 10t records
Stil: Fusion

Review vom 21.07.2007


Ingolf Schmock
Zunächst drängt sich hier der Verdacht auf, dass sich diese ominösen Musikanten mit einer großen Einkaufstour im Kaufhaus für exotische Geschmacksrichtungen interessant machen wollen.
Tatsächlich wissen sie schon seit längerem was sie tun, und verstehen es daher auch, ihr rockunkonformes Instrumentarium gut in die Stücke einzufügen.
So wird etwa das Blechbläser-Ensemble nicht willkürlich aus irgendeiner Laune heraus als ein plattitütes Element eingesetzt, sondern als ein Stilmittel, das die einzelnen Arrangements noch unterstreicht.
Von musikalischer Abenteuerlust getrieben, bereitet das zur Jahrhundertwende gegründete New Yorker Sextett glänzend seine Melange aus jazziger Fusion, Latin Musik, melodiösem Rock und sogenanntem Kunstrock.
Eine gewisse Affinität zum surrealen Musikkosmos Frank Zappas lässt sich dabei auch nicht von der Hand weisen, wobei Steve Uhs filigrane Gitarrenarbeit eine nicht unwesentliche Rolle spielt.
Nick Lieto (Gesang, Tasten, Trompete, Flügelhorn), Steve Uh (Gitarre, Violine, Gesang), Bill Ayasse (Violine, Mandoline, Perkussion, Gesang), Andrew Sussman (Bass, Cello, Gesang), James Guarnieri (Schlagzeug) und John Lieto (Trompete) feuern auf ihrer aktuellen Liveveröffentlichung ein musikalisch grandioses Jam-Feuerwerk ab, das Ihre gemeinsamen Vorlieben bzw. Reminizensen für Künstler wie Miles Davis, Maurice Ravel, Aaron Copland, Earth, Wind and Fire,
Yes und Gentle Giant klar erkennen lässt.
Erektile Gitarrenparts treten in den Kampf mit einer gepflegten Violine, untermalt von unaufgeregten Pianoläufen, dezenten Keyboards und der soliden Rhythmusarbeit, die zwar musikalische Akzente setzt, aber doch bei manchen Passagen etwas unmotiviert wirkt oder gar einige Längen aufweist.
Das Ganze wird immer wieder aufgebrochen von Lietos leicht anarchisch dargebotenem Trompetenspiel, es gibt eben kaum etwas, was diese Truppe im musikexperimentellen Bereich ausgrenzt.
So ist "Abyss Of Dissension" vom letzten Studioalbum, ein witziges, schräges Musical mit Posaunen-Chor, Cool-Bar-Jazzgesang, Chorgesänge à la Rachmaninow und allerlei Einlagen von irrationalen bis exzessiven Tönen aus Blas-und Saiteninstrumenten.
Zwei Violinisten bzw. Cellisten lassen dabei auch tatsächlich gern einen kammermusikalischen Konzertcharakter erblühen.
Trotz so mancher dissonanten Ausrichtung findet man immer wieder den musikalischen Geist des symphonischen Prog der Siebziger, wobei die Combo genug Schneid besitzt, diesen mit ausreichend Modernität zu veredeln, um nicht völlig verstaubt zu klingen.
Live gehen die Herren Musiker etwas herber bzw. rotziger zur Sache als bei ihren Studioergüssen. Hier wird der Zuhörer dementsprechend mit einer differenziert kontrastierten, technisch brillanten, rhythmisch präzisen und ungemein klangvollen Darbietung der kompositorisch so unterschiedlichen Tracks belohnt.
Ein klarer Schwachpunkt ist der etwas zu knödelige Leadgesang, welcher aber bei seiner Minderheit noch zu ertragen ist.
Komplexe lebhafte Bläsersätze von den Lieto-Brüdern und das wahrlich extravagante Violinenspiel, das oftmals Assoziationen an den Paganini des Rock, Jerry 'The Flock' Goodman erwecken vermag, lassen überwiegend die Anhänger progressiver Klänge in einen Glückstaumel verfallen.
Der aufmerksame Konsument stellt sich hier die Frage: Kann eine Improvisation auch eine Komposition sein?
Mit den Klangexperimenten werden die Demarkationslinien zwischen den einzelnen Genres verschoben, ohne gleich die gefürchteten Geister experimenteller Rockmusik anzurufen, welche in der Technik längst schon zum Selbstzweck verkommen sind.
Klar ist, selbiges tröpfelt stellenweise irgendwie zäh aus den Boxen, oder die Formation schaufelt sich oftmals aus überladen wirkenden Arrangements frei und hinterlässt dabei per se ein ungeordntes Intonationsgerüst.
Es vermögen die wohlig strömenden Violinenklänge und die Bläser, allen voran die wunderbar geschlossen auftrumpfenden Trompeten und Hörner, den Raum zu füllen, um den toleranten Hörer wieder für sich einzunehmen.
So ist es trotz aller Sperrigkeit, vor allem die Homogenität, mit der dieser Klangkörper instrumental große, spannungsgeladene Phrasen entwickelt und gestaltet.
Dieses Doppelpack, der leider kein zusammenhängendes Konzert, ja sogar sieben bisher unveröffentlichte Stücke beinhaltet, lässt einen irritierten aber emotional geladenen Konsumenten zurück.
Frogg Cafe beeindrucken mit einem gläsernen Sound und der herausragenden Beherrschung ihrer Instrumente und lassen dieses musikalische Monstrum zum Erlebnis werden.
Leider gibt es bereits genug anderen Jam-Stoff, der thematisch meist schnell wieder verblasst, ja oft sogar die nötige Griffigkeit vermissen lässt.
Ob seiner Innovation sollte man als umsichtiger Liebhaber anspruchsvoller Rockmusik das Universum dieser wirklich extraordinären Band unbedingt einmal antesten.
Beim Hören sollte man den Kopf einfach ausschalten und sich dieser reichen Klangerfahrung völlig hingeben. Kurzum, wer den alltäglichem Mainstream entfliehen möchte, dem sei dieses Livealbum unbedingt ans Herz gelegt.
Tracklist
CD 1:
01:Leave Of Absinthe
02:Space Dust
03:Gagutz
04:Candy Korn
05:Il Gioco
06:Creatures
07:Youre Still Sleeping
CD 2:
01:Small Chuwawa
02:Fat Guys In Shorts
03:Abyss Of Dissension
04:Tagliarini
05:The Gold Ambler
06:Asleep On The Rim
07:Cut and Run
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