Fromuz / Quartus Artifactus
Quartus Artifactus Spielzeit: 149:32 (DVD), 54:39 (CD1), 45:42 (CD2)
Medium: DVD, CD
Technik DVD:
Format: NTSC
FSK: ohne Altersbeschränkung
Ton: Stereo
Label: 10trecords, 2011
Stil: Art Rock, Fusion

Review vom 16.02.2012


Ingolf Schmock
Längst sind die Vorstellungen vom goldglänzenden Orient und den prachtvoll gewandeten Nomaden-Zügen entlang der Seidenstraße zu einer illusionierten Kulisse aus Tausend-und-Einer-Nacht verkommen, ist die einstige vom Roten Stern beherrschte Wüsten-Republik von marktwirtschaftlichen Sehnsüchten wegmodernisiert.
Mag Usbekistans einstiges Flair mittlerweile auch mit Flüchen des Okzidents belegt sein, so wurden seine traditionellen Musikgüter jedoch vom angepappten Treibsand demagogischer Folklore zugunsten universeller Musikgeister befreit.
Es scheint, als würde eine vom Forscherdrang beflügelte Generation nach der Perestroika das elektrische Instrumentarium neu entdecken und zwischen Wodka-Posten, Koran und den abgegriffenen Beatles-Platten ihrer Väter einer ermunternden Ära kunstvoller Rock-Eskapaden neues Leben einhauchen.
Die Instrumental-Progger Fromuz bieten seit einigen Jahren und bis zu jenem Zeitpunkt auf zwei Silberlingen gedampften Professuren eine jener musikalischen Konstanten, welche die allesfressende Kreatur internationaler Marktstürmer wohl schon längst beim Schwanz gepackt haben dürfte.
Wiederholte Lobhudeleien auf ihre bisherige Werkschau brächten die Gebetsmühlen mancher Kritiker und Freunde exotischer Genre-Exemplare nur noch zum Überrotieren.
An einem Juniabend 2009 erkundeten die Taschkenter Klangtüftler, bei einer audiovisuellen Rückschau nebst Premieren, konsequent heimisches Terrain und dokumentierten ihr kompetentes Ausloten bastelfreudiger Musikgrenzen mit der geheiligten Dreifaltigkeit akustischer Handwerkzeuge und halb gezogenem Stecker.
Beseelt vom umtriebigen Geist einer bündnisanstrebenden Musikergemeinschaft überbrücken die ausufernden und im teils ausgestöpselten Gewand dargebotenen Kompositionen scheinbar mühelos die Kluft zwischen Crimsonesken Fingerfertigkeiten und der Klassik geschuldeter Sensibilität.
So schlüssig und mitreißend wie diese fünf musikalischen Revoluzzer haben wohl bisher nur wenige vermocht, sich den ansonsten stilistischen Schubkästchen elektrisierter Jazz- und Rock-Dogmen zu entziehen und ihre semiakustisch aufgeweichte, solistische Prachtentfaltung - wenngleich technisch untermauert und enorm verdichtet - unter Beweis zu stellen.
Mit einem Höchstmaß an Integrität zaubern die Protagonisten ihren instrumentalen Striptease auf die Bretter des sagenumwobenen Ilkom-Theaters und veredeln die meist überlangen, kunstvoll strukturierten und mit überraschenden Wendungen versehenen Exkursionen durch mehr Transparenz und frische Blüte.
Die Gabe, Gitarrenläufe nach bildungsbürgerlichen Gepflogenheiten zu verstricken, naturelle Tasten-Trakte nebst grobkörnigem Schlagwerk und Fretless-Metren zu präzisieren, scheint den Akteuren förmlich als dickflüssiges Erbblut klassikaffiner Klangarchitekten durch die Venen zu fließen.
Deren kaum greifbares Lavieren durch zuckrig-glatte Harmonieverläufe sowie geometrisch zerklüftete Attacken auf das Pantheon des Fusion Jazz ergießen sich gleichsam als fettäugiges Labsal in eine fernöstliche Shurpa, ohne jedoch gar sensiblere Verdauungstrakte gaumenverwöhnter 'Progisten' zu übersäuern.
Die fünf Burschen wirken während ihrer recht unaufgeregten und hölzernen Pflichtübung - sieht man beim Betrachten einmal von den Fingerfertigkeiten ab - recht nüchtern in der farblosen und musealen Bühnen-Deko, obgleich das Valium-kontaminierte Publikum dem kaum etwas entgegenzusetzen vermag.
Nichtsdestotrotz starten Fromuz längst keine musikalischen Feldversuche mehr, sondern skelettieren eine über jeden Zweifel erhabene und feierliche Form elaborierter Art Rock-Unterhaltung, entfrachten die überwiegend üppigen bzw. ornamentalen Studio-Oeuvres zugunsten ihrer puristischen und dennoch dichten Musikalität.
Längst haben die Konservatorium-genährten Usbeken das glühende Schwert der künstlerischen Selbstermächtigung fest im Griff und beweisen mit ihrer instrumental-ästhetisierten Retrospektive, dass die klugscheißerischen Lernstoffe orchestraler Hohepriester und all die strikt durchorganisierten kantigen Gegenentwürfe die Kollaboration von Wohlklang und verkopftem Gedaddel keinesfalls ad absurdum führen.
Das durchaus ansprechend gestaltete Dreier-Paket (DVD plus zwei CDs) glänzt mit einem druckvollen sowie porenreinen Sound, dass hierbei selbst reichlich zugefügtes technisches Glutamat seine hörbare Absolution erfährt.
Eine zum Gähnen animierende Kameraführung, vom überflüssigen Bonusfilmchen gar nicht erst zu sprechen, und eine etwas verwaschene Bildqualität mindern nur unwesentlich den audiovisuellen Gesamteindruck, zumal die Protagonisten letztendlich mit ihrer rhythmischen Akrobatik und einem eigenen, von üblichen Plagegeistern Kunstrock-Klischees plündernder Adepten befreiten Musikuniversum versöhnlich stimmen.
Line-up:
Igor Elizov (keyboards, grand piano)
Al Khalmurzaev (keyboards, synths, 12-string guitar, flute)
Vitaly Popeloff (acoustic steel & nylon guitars, voc)
Ali Izmailov (drums, percussion)
Surat Kasimov (fretless bass)
Tracklist
CD 1:
01:Stone Salad
02:Familiarization Results
03:Harry Heller Theater
04:Perfect Place
05:Parallels
CD 2:
01:Influence Of Time
02:Crashmind
03:Desert Circle
04:Babylon Dreams
DVD:
01:Stone Salad
02:Familiarization Results
03:Harry Heller Theater
04:Perfect Place
05:Parallels
06:Influence Of Time
07:Crashmind
08:Desert Circle
09:Babylon Dreams
 
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