Zunächst möchte ich dort anfangen, wo vor knapp vier(!) Jahren Joachim Domrath im 'Home Of Rock' aufhörte: "Klang und Produktion sind sehr gut."
Nanu, vier Jahre her und um was geht es überhaupt?
Wenn sich noch jemand an die Black Crowes erinnern kann, die 1990 mit ihrem Debütalbum "Shake Your Moneymaker" unter Freunden klassischer Rockmusik vom Schlage der Stones zu Mick Taylor-Zeiten und Faces für Furore sorgten, dem wird der Name Marc Ford vielleicht schon mal begegnet sein. Dieser spielte nämlich ab dem zweiten Album ("The Southern Harmony and Musical Companion", 1992) bei den schwarzen Krähen und sorgte dort unüberhörbar für einen auffallend guten Gitarrenton. Dieser erklang leider nur bis zu ihrem vierten Album ("Three Snakes And One Charm", 1996), dann erdrückte ihn endgültig das ausgeprägte Ego von Co-Bandleader Rich Robinson und er ging fortan eigene Wege.
Diese führten bis dato aber lediglich zu einem Tonträger, der lange nur über seine eigene Webseite vertrieben wurde: "It's About Time" (2002)
Und genau dieser Tonträger klingt leider alles andere als sehr gut.
Die Aufnahmen entstanden ab 1999 in einem Zeitfenster von ca. 3 Jahren in vier verschiedenen Studios und unter Mitwirkung diverser KollegInnen. Musikalisch und produktionstechnisch zeitigt das Endprodukt eine erstaunliche Homogenität, klanglich ist dagegen nicht wirklich eine Einheitlichkeit gegeben. Die Aufnahmen kranken meist in unterschiedlich starker Ausprägung an einer fehlenden Räumlichkeit, das Soundbild erscheint häufig sehr gepresst mit fehlender Tiefenabbildung und mangelnder Transparenz.
Das sind allerdings auch die einzigen Kritikpunkte, die diesem Werk anheim fallen können.
Denn ansonsten glänzt Herr Ford als ausgezeichneter Songwriter, Komponist und Gitarrist, wobei er mich persönlich nur ein einziges Mal wirklich an seine Ex-Band erinnert ("Idle Time").
Vielmehr bewegt er sich in rootsigen Gefilden zwischen Country-Rock/Americana, Rock 'n' Roll, etwas Blues und sogar Jam-Rock-Anleihen a la Gov't Mule.
Ha, das ist auch kein Wunder, denn auf zwei Stücken wird er genau von selbigen begleitet, sogar noch mit Ur-Basser Allan Woody (RIP)! Dabei entpuppt sich "Two Mules And A Rainbow" als (für mich) überraschend stark Neil Young-orientiert, während das neunminütige "Just Let Go" auch gut auf eine Mule-Scheibe gepasst hätte. Ersteres wartet übrigens mit genialen Duellen auf den sechs Saiten auf, letzteres glänzt mit einem George Harrison-Gitarrenton, groovt ansonsten typisch schwermütig dahin, um sich dann in eine wahre Ekstase zu steigern, in der Warren Haynes eines seiner besten Soli ever zum Besten gibt.
Apropos George Harrison, dieser Bezugspunkt taucht in diesem Album noch häufiger auf. Nicht nur Neil Young scheint ein großer gitarristischer Einfluss für Marc Ford zu sein, nein, auch der vermeintlich stille Ex- Beatle (RIP) hat hörbar seine Spuren hinterlassen, vor allem bei "Long Way Down" ( Traveling Wilburys, wer erinnert sich noch?) und "Elijah".
Darüber hinaus ist vermutlich als dritter Haupteinfluss Roger McGuinn zu nennen, denn vieles erinnert hier nicht nur an dessen Solosachen, sondern auch die Byrds oder der McGuinn-Bewunderer Tom Petty schimmern häufig durch. Letzterer besonders deutlich bei "Wake Up And Walk Away".
Den größten Einfluss scheinen mir aber, insbesondere musikalisch, The Band auszuüben, besonders prägnant bei Stücken wie "Shining Again" und "Giving". Letzteres offenbart sogar noch eine weitere gitarristische Bezugsgröße, nämlich Robbie Robertson höchstpersönlich.
Genug Name-Dropping?
Nee, nee, es gibt noch mehr Referenzen herauszuhören. So kommt mir "When You Go" wie eine inspirierte Kreuzung aus Clapton's "Wonderful Tonight" und "Let It Grow" vor, wie überhaupt einiges dieses Albums an die Sachen gemahnt, die E.C. zwischen 1974 und 1978 abgeliefert hatte, allerdings ohne dessen Reggae-Plattitüden. Und "California" ist gar "Tulsa Time"-Revisited, absolut frech geklaut aber mitreißend gespielt, und damit der claptonischen Version von 1978 ("Backless) durchaus vorzuziehen.
Dieser hatte immerhin zwei Jahre später auf "Just One Night" gezeigt, wo der "Tulsa Time"-Hammer hängt.
Es darf natürlich auch nicht verwundern, dass hier 70er Dave Mason-Anklänge auszumachen sind, genauso wie die Stones der "Sticky Fingers" und "Exile On Main St."-Ära lächelnd um die Ecke schauen, womit auch niemand geringeres als Gram Parsons mit im Boot sitzt. Über allem thront selbstredend Bob Dylan und lacht sich eins ins Fäustchen.
Auffallend ist das Talent Fords, ausgesprochen melodische Songs zu schreiben, wobei er in der Lage ist, diese mit seinem genauso melodischen Gitarrenspiel kongenial veredeln zu können. Paradebeispiel dafür ist das leicht angefunkte und -gesoulte "A Change Of Mind", was mir mit seinem unwiderstehlichen Refrain und punktgenau eingebetteten weiblichen Harmony-Vocals (Soulsister C.C. White) gar nicht mehr aus dem Kopf geht. Und als Sahnehäubchen obendrauf gibt es gleich beim Opener ("Hell Or Highwater") schmissiges Gebläse und exzellente Slidegitarrenläufe.
Obendrein weiß Marc Ford durchgehend auch als Sänger zu gefallen, natürlich überhaupt nicht mit solchen Kalibern wie Chris Robinson oder Rod Stewart (von wegen Faces!) zu vergleichen, auch nicht mit Charaktergenöle a la Bob Dylan oder Tom Petty, aber er begleitet die Songs stimmlich sehr angenehm, ohne dabei negativ aufzufallen.
Neben den bereits erwähnten Gov't Mule sind eine ganze Latte hochkarätiger MusikerInnen an diesem Album beteiligt, stellvertretend seien mal Barry Oakley Jr. (Ex- Bloodline), Craig Ross ( Lenny Kravitz), Chris Stills (ach ja, die Crosby, Stills & Nash -Tunes hatte ich ganz vergessen, das sei hiermit nachgeholt), wobei Chris natürlich der Junior ist, Ben Harper, Ethan Johns (u.a. Ryan Adams, Kings of Leon, The Jayhawks) und Jimmy Z (u.a. Dr. Dre, Rod Stewart) genannt.
Fazit:
Wem das ganze Name-Dropping etwas sagt, wobei ich sicherlich noch viele Referenzen aus Unkenntnis unterschlagen habe, und wer sich davon musikalisch angesprochen fühlt, wird mit dieser Scheibe seine helle Freude haben und sollte jetzt, wo die Scheibe besser erhältlich ist, unbedingt zuschlagen.
Es lohnt sich!
PS: Inzwischen ist Marc Ford übrigens bei den schwarzen Krähen wieder an Bord, einem neuen Album und Live-Terminen in good old Germany würde ich außerordentlich wohlwollend gegenüberstehen!
Spielzeit: 64:14, Medium: CD, Eigenvertrieb, 2002/2005
1:Hell Or Highwater (4:30) 2:Long Way Down (3:09) 3:A Change Of Mind (4:39) 4:When You Go (3:32) 5:Giving (3:52) 6:Idle Time (4:25) 7:Two Mules And A Rainbow (4:22) 8:Cry, Moan And Wail (4:22) 9:Shining Again (4:40) 10:Elijah (3:09) 11:Wake Up And Walk Away (4:27) 12:Feels Like Doin' Time (3:51) 13:California (3:27) 14:Darlin' I've Been Dreamin' (2:29) 15:Just Let Go (9:08)
Olaf "Olli" Oetken, 03.03.2006
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