Mimi Fox / Perpetually Hip
Perpetually Hip
Die gebürtige New Yorkerin Mimi Fox (Jahrgang 1956) gehört seit Jahren zur Creme in der überwiegend von Männern beherrschten Domäne der Jazzgitarristen.
Nur mit der Sechssaitigen schwelgt diese auf dem neuen Doppelalbum "Perpetually Hip" in wunderbaren Läufen und an manchen Stellen bleibt der Mund, ob Inspiration, Wagemut bzw. Weitblick schon mal länger offen.
Ihre Technik benutzt sie lediglich als Mittel, um Gefühle und Empfindungen musikalisch auszudrücken. Und da sie mit so wahnsinnig viel technischem Vermögen gesegnet zu sein scheint, vermag diese auch das Innerste besser als jeder andere nach außen zu kehren.
Die seit 2003 dreimal hintereinander mit den internationalen Kritikerpreis des etablierten 'Down Beat'-Magazines ausgezeichnete Musikerin, zelebriert den Jazz mit einer unbefleckten Seele harmonischer Spielkunst und der einzig wahren relevanten Kunst, Musik zu leben.
Das neue Doppelpack fungiert sozusagen als musikalische Retrospektive an ihr bisheriges Schaffen, welches einerseits im Quartett, dem Bebop, Swing, Bossanova, Samba und Blues, anderseits solistisch, Jazz Standards bzw. großen amerikanischen Komponisten, wie George Gershwin ("Someone To Watch Over Me"), Hoagy Carmichael ("Skylark") und Cole Porter's "Night And Day" respektvoll huldigt.
Die Ehren-Professorin und Gastdozentin an den anerkanntesten Universitäten und Musikinstituten Amerikas wurde schon in frühester Kindheit durch ihre musikalische Familie mit den verschiedenen Einflüssen wie Klassik, Dixieland, Big-Band und dem Motown-Sound infiziert, die sie nachhaltig in der Jugend mit Pop, Folk und Rhythm&Blues auffüllte.
Auf ihrem neuen Output gibt es weitgehend puristische Instrumentalmusik ohne erkennbare Konzessionen an die Moderne. Nicht das die Lady hier in seliger Nostalgie versinkt, aber allen modischen Balast, wie irgendwelche elektronische Spielereien, wird man vergeblich suchen.
Die Repräsentantin der Jazzgitarre schmeichelt den Konsumenten mit ihrem leichten Spiel, aber heftigen Arrangements, deren Reinheit und Zauber immer dominant bleibt.
Jenseits der makellosen Ästhetik der Töne entwickelt Mimi eine explosive Ausdruckskraft, die nie Grenzen des Geschmacks verletzt.
Mit der Kunstfertigkeit einer Seidenstickerin erzeugt Mimi Fox selten gewordene Feinheiten des Jazzvortrags im geistigen Andenken an die musikalischen Mentoren Joe Pass (1929-94) und John Leslie Montgomery (1925-68).
Sie intoniert endogen, wie entrückt und doch ohne jeglichen Schnickschnack, ist aber dennoch immer darauf bedacht, den innigen Dialog mit ihren Mitspielern zu pflegen. Mit jeder Menge Freigeist kreieren ihre musikalischen Begleiter, der Pianist Xavier Davis, Basser Harvie S.und Schlagzeuger Billy Hart auf der Band-CD, ihre subtilen, weitläufigen Klanglandschaften, die von der Solistin gleichberechtigt behandelt werden.
Es gelingt ihnen dabei, alle Tracks nicht nur intelligent und sophisticated, sondern obendrein auch zugänglich und unterhaltsam zu gestalten.
Schon die Instrumentierung lässt den geneigten Hörer in wilde Swing und Bebop-Phrasen eintauchen, aber auch in samtweiche Melodiekissen fallen.
Davis warmes Pianospiel kollaboriert mit dem dezenten, aber immer präsenten Schlagwerk Harts, reizvoll kontrastierend mit dem leicht schneidenden Klang des virtuosen Kontrabasses.
Das direkt losswingende, kochende Spiel, für das der Bergriff 'soulful', besonders mit Blick auf die vokale Qualität ihrer Linien bzw. der Verbindung von Blues, Jazz und differenzierter moderner Harmonik, geradezu maßgeschneidert erscheint.
Bei der Solo-CD möchte man gar nicht glauben, dass diese Musik in einem Studio aufgenommen wurde. Es scheint eigentlich Teil einer südlichen Landschaft zu sein und man kann sich die Sechsaiten-Virtuosin eher entspannt auf einer sonnenüberfluteten Terrasse, als mit Kopfhörer in einem nüchternen Raum vorstellen.
Obwohl es weitgehend Mainstream bleibt, glänzt sie durchaus mit einer seelenvollen, revolutionären Spielweise, die eine perfekte Ehe von Technik und Schönheit schließt. Mit spielerischer Kreativität erhält ihre Korpus-Gitarre trotz elektrischer Verstärkung immer eine akustische Dimension.
Und sie verfügt über die göttliche Technik, die im riffartigen, ökonomischen Aufbau ihrer Soli von der Wirkung her, genau kalkuliert verwendet wird.
Ihre Single-Note-Linien, die immer wieder durch akkordische Passagen zergliedert werden, fließen in einer optimalen, melodischen Konstruktion und spannender Phrasierungsrhythmik.
Stephane Grappelli formulierte es so: "Alle Jazzmusiker können improvisieren, aber nur die wirklich guten bringen Melodien hervor, die voll origineller, überraschender Wendungen sind und doch dank ihres vollkommen logischen Aufbaus ein einheitliches Ganzes ergeben.".
Die hochdotierte, aber in Europa leider noch unterbewerte Jazzkünstlerin, hat mit Perpetually Hip eine zeitlos schöne Produktion geschaffen, die den Konsumenten nicht nur bei Rotwein-Ambiente entzücken dürfte.
Empfehlenswert für Alle, welche die Tugend der Langsamkeit gerade wieder für sich entdecken und stressgeplagten Klienten, deren Sinnesbatterien dringend eine positive Ladung benötigen.


Spielzeit: 47:15 (CD1), 37:17 (CD2), Medium: Do-CD, Favored Nations, 2006
CD 1 (Band):
1:Perpetually Hip 2:The Song Is You 3:But Beautiful 4:Saluting The Groove 5:Night And Day 6:While Bangkok Sleeps 7:So Many Stars
CD 2: (Solo):
1:Caravan 2:Polkadots And Moonbeams 3:On Green Dolphin Street 4:Alone Together 5:Someone To Watch Over Me/Skylark 5:When The Saints Go Marching In
Ingolf Schmock, 31.03.2006