Eine Widmung an Billie Holiday kann eine schwierige Übung bedeuten. Denn einerseits verfügte Billie über eine unnachahmliche Stimme, mit der sie eine Stimmung verbreiten konnte, die bis heute für mich unübertroffen und einzigartig ist. Andererseits muss jeder Künstler/jede Künstlerin angesichts dessen versuchen, erst gar nicht den Versuch zu starten, dieses imitieren zu wollen. Die persönliche Interpretation, die wahre Widmung liegt darin, die Songs und das Leben des/der Geehrten in guter Erinnerung zu halten oder wieder in solche zu bringen.
Einige Ehrungen für 'Lady Day' hat es schon gegeben, nicht alle waren gut. Für gelungen halte ich die Beispiele von Dee Dee Bridgewater oder Abbey Lincoln, die bereits 1987 ihren Tribut zollte und ihrem Vorbild sogar recht nah kam, ohne sie zu kopieren. Ich habe bewusst jene Widmungen ausgelassen, die ohne Gesang präsentiert wurden, davon gibt es ebenfalls einige.
Mit "Blueprint Of A Lady (Sketches Of Billie Holiday)" liegen nun Aufnahmen aus dem Jahre 2005 von der als Jazzsängerin titulierten Nnenna Freelon vor, die ich weniger in die reine Schublade Jazz packen würde, denn die 1954 geborene Sängerin liebäugelte auch schon mit den Bereichen Fusion und soulinspirierter Musik. Doch überwiegend beackerte sie das Jazz-Feld und hat bereits einige sehr gute Platten veröffentlicht, unter anderem auch bereits eine Widmung, und zwar an Stevie Wonder.
»Nnenna Freelon has the best voice in Jazz«, so las ich über diese Künstlerin, eine Aussage aus dem Jahre 2006 - darüber ließe sich sicher trefflich, ausführlich und lange diskutieren. Meine Meinung dazu gipfelt in einem einzigen Wort, und das heißt 'Nein'. Denn davor stehen unter anderem noch Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan und eben Billie Holiday, die drei ungekrönten Häupter auf meinen persönlichen ersten Plätzen.
Aber nun zur Musik dieser Platte. Auffällig ist zuallererst, dass man, wüsste man nicht, dass es sich um Titel handelt, die 'Lady Day' einst aufnahm, nicht unbedingt mit der Nase darauf gestoßen wird. Das fällt positiv auf, registrierend, dass keine Gefahr besteht, einfache Kopien abzuliefern, sondern losgelöst von der speziellen und einzigartigen Art einer Billie Holliday, zollt hier Nnenna Freelon einen Tribut, der eine eigene Handschrift trägt. Und genau das kann ich attestieren, ein klarer Pluspunkt!
Manchmal wird dadurch die oft tieftraurige und tiefsitzende Melancholie eines Vortrages fast ins Gegenteil gekehrt, wie gleich beim Eröffnungssong. Ein Nachteil aus meiner subjektiven Sicht ist es dann aber, dass solche schon fest zementierten Songs wie "Don't Explain" nicht mehr die Tiefe und den Ausdruck inne haben, wie ich es dem Lied ganz einfach zuschreibe.
Und "Strange Fruit", das Stück, das Bridgewater mit einer eigenen und besonderen Art ausstattete, erscheint mir persönlich zu oberflächlich und erreicht nicht die Dramatik, die mit der Thematik eng verbunden ist, wenngleich es musikalisch interessant aufgebaut ist - ich meine nur den gesanglichen Vortrag.
So bleibt mir am Schluss von "Blueprint Of A Lady" die nachbetrachtende Feststellung, dass Freelon sicher eine gute Jazzsängerin ist, die einen relativ eigenen Ausdruck aufweist, der mir persönlich aber die Tiefe und die Persönlichkeit für solche Stücke fehlt, wie sie auf dieser Platte enthalten sind. Besser gefallen mir da einfach jene Stücke, die sie auf anderen Aufnahmen geboten hat, jene eben, die auf die Künstlerin selbst zugeschnitten sind. Das trifft natürlich auch auf eine Eigenkomposition dieser Platte zu, "Only You Will Know". Zusammen mit einem exzellenten Newcomer an der Gitarre, Julian Lage, präsentiert die Künstlerin meinen Lieblingstitel dieser Platte. Genau hier sehe ich den klaren Unterschied zwischen dem vielleicht unbewussten Zwang der Huldigung einer großen Sängerin und der Entwicklung eines eigenen Profils, denn genau das wirkt hier viel natürlicher und lockerer!
Die Musiker bringen ihren Beitrag aus meiner Sicht gut, wenngleich nicht in der ersten Liga angesiedelt. Insgesamt halte ich aber den Vortrag auf diesem Tribut-Album für manchmal leicht überzogen. Die Stimmung, die versucht wird, zu überzeugen, scheint bei Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan besser aufgehoben zu sein.
Das Schlusswort jedoch auch bei dieser Rezension kommt von der geehrten Dame selbst:
»No two people are alike, and it's got to be that way with music, or it isn't music« Und so kann man die Widmung dann auch verstehen, Billie ist und bleibt Billie - Nnenna ist halt Nnenna. Beide waren/sind hervorragend auf ihre Art.
Line-up:
Nnenna Freelon (vocals)
Brandon McCune (piano, Hammond B-3 organ, Fender Rhodes, trumpet)
Wayne Batchelor (acoustic bass)
Kinah Boto (drums)
Beverly Botsford (percussion)
Julian Lage (guitar)
Christian Scott (trumpet)
Mary Fettig (alto saxophone, baritone saxophone, alto flute)
Dave Ellis (tenor saxophone)
Jessica Ivry (cello)
Doug Lawrence (tenor saxophone)
Tracklist |
01:I Didn't Know What Time It Was [Rodgers/Hart] (4:18)
02:What A Little Moonlight Can Do [Woods] (5:13)
03:Don't Explain [Holiday/Herzog, Jr.] (4:03)
04:God Bless The Child [Holiday/Herzog, Jr.] (5:21)
05:Strange Fruit [Lewis] (2:20)
06:Willow Weep For Me [Ronell (2:52)
07:Balm In Gilead [public domain, arr. by Freelon] (4:49)
08:Them There Eyes [Pinkard/Tracey/Tauber] (5:09)
09:Only You Will Know [Freelon/McCune] (3:41)
10:You've Changed [Carey/Fischer] (5:24)
11:Now Or Never [Holiday/Lewis] (2:55)
12:Lover Man [Davis/Ramirez/Sherman] (4:14)
13:Left Alone [Holiday/Waldron] (5:02)
14:Interlude - Little Brown Bird [McCune/Freelon] (1:32)
15:All Of Me [Simons/Marks] (5:53)
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Externe Links:
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