Da sitze ich nun friedlich in einer netten Ferienwohnung unweit des netten Örtchens Schöppingen, unweit der niederländischen Grenze und unweit der Studentenstadt Münster.
Am Tag zuvor war der erste Tag des 19. Grolsch Bluesfestivals über die Bühne gegangen und hatte bei mir und meinen Mitstreitern in Verbindung mit Unmengen Gerstensaft des namengebenden Hauptsponsors für einen gigantischen Ausstoß von Endorphinen gesorgt. Am Tag danach waren zwar einige Glückshormone noch anwesend, gleichsam aber auch eine riesengroße Miezekatze, so dass fast zwangsläufig als erprobtes Gegenmittel ein Konterbier aus dem Friesischen und die Musikdatenbank tausender Festplatten und eines Datenzäpfchens ein- und angeschmissen werden musste.
Während also bluesrockige Saitenquäler die Böxchen qualmen und AOR-/Melodic-Rocker bedeutungsschwangere Bombastchöre durch die Räumlichkeiten wabern lassen, die ersten Schlucke aus der grünen Flasche wahrhaftig fast im Halse stecken bleiben, donnert plötzlich eine Riffurgewalt aus den Hightechcomputermembranen, die Gitarre jault höher und energischer als jede Miezekatze auf Erden und ein Gesang setzt ein, den ich irgendwo schon einmal gehört habe. Aber wo?
Plötzlich scheinen die Riffs einem aus allen Winkeln der betulichen Fewo um die Ohren zu fliegen, dazu verdrischt irgendjemand gewaltig sein Drumkit, ein Bassist versucht verzweifelt, alles irgendwie nicht implodieren zu lassen, die Sologitarre(n) bratzen zwischen jubilierender Feinjustierung, hardrockiger Gewalt und fusionsartigem Gequengel. Der Gesang klingt plötzlich fremd. Was ist das nur?
Unvermittelt erklingen auch noch Jeff Lynne-meets- George Harrison-auf-Speed-Töne, dass einem angst und bange wird. Wie von Geisterhand stolpert ein Rhythmus durch die Gegend, der wie eine Kreuzung aus spätem Eric Clapton
und bedrohlichem John Cale rüberkommt, inklusive einer Knopflergitarre. Wahrlich abgefahren!
Dann donnert das Erbe John Bonhams
in gezügelter Schlagzahl in die Gehörgänge, der Gesang kommt einem schon wieder so verdammt bekannt vor, die Gitarre brilliert in einer Schnittmenge aus Rock'n'Roll und Fusion, dann erklingen psychedelische Gitarreneffekte, der Bass groovt wie Hölle, die Drums poltern bedrohlich, die Sologitarre schwingt sich zu unfassbaren Läufen auf. Plötzlich ist das Jamrock der Gov't Mule-Güteklasse A! Ich schüttele den Kopf und starre argwöhnisch auf die grüne Flasche.
Wie zur Erholung zupft nun eine sehr angenehme, melodische wie virtuose Akustikgitarre, kein Gesang, meine Nerven beruhigen sich, wenn nur die entscheidende Frage nicht wäre - wer zum Teufel erklingt hier?
Völlig unvermittelt kommt ein Break im Instrumentalstück, jetzt wird es bluesig, aber mit was für einer Leadgitarre?! Das ist nicht weniger als Weltklasse! Denn es wird nicht tausendfach gehörte Saitenartistik geschreddert, sondern irrsinnige Läufe vom Stapel gelassen, wie sie gerne von Fusionskoryphäen prahlerisch demonstriert werden, nur hier bleibt alles auf wundersame Weise auf dem Teppich.
Zur Krönung kommt nun auch noch ein 90er Revival-Riffmonster aus den Löchern gekrochen, gewürzt durch eine herrlich sägende Leadgitarre und unterstützenden Slideeinsprengseln, geniales I'm The Walrus-Zitat inklusive. Was für ein Wall of Sound, die grüne Flasche ist jetzt endlich leer. Und nun groovt wie aus heiterem Himmel eine funky Tanzgranate mit leichtem Steve Winwood-Einschlag durchs Gemäuer, die Miezekatze ist vergessen, wer jetzt nicht tanzt, ist mausetot! Die Gitarreneffekte erinnern entfernt an "Papa Was A Rolling Stone" und die Temptations, ich bin völlig außer Atem, trotzdem viel zu kurz das Stück!
Zum Schluss kommt eine rein akustisch gehaltene Intensivnummer, schließlich soll der Puls sich ja wieder beruhigen. »Kann mir mal bitte jemand sagen, wer das jetzt gewesen sein soll?«
»Kein Problem, Peter Frampton mit brandneuem Output, "Thank You Mr. Churchill", kommt hierzulande erst im Juni/Juli raus. «
Aha, gerade erst 60 Jahre alt geworden und nun mal kurz der gesamten (Classic) Rock-Konkurrenz gezeigt, wo der definitive (Qualitäts)-Hammer hängt, mit freundlicher Unterstützung des eigenen Nachwuchses namens Julian Frampton, den wenigen noch lebenden Funk Brothers (Motown-Sound-Legende!) und beispielsweise Pearl Jam- Schlagwerker Matt Cameron. Produziert wurde gemeinsam mit Chris Kimsey, der bereits Framptons Solodebüt "Wind Of Change" (1972) betreute.
Tja Leute, vergesst das 'Face of the year 1968', vergesst den 'Weichspül'- Frampton (Solo) der 70er, vergesst vor allem "Frampton Comes Alive", hier kommt nicht weniger als die Standortbestimmung des (Classic) Rock im Jahre 2010.
Das sind nicht weniger als volle 10 RockTimes-Uhren und der definitive Anwärter auf den Titel 'Platte des Jahres' (gibt es auch auf Doppel-Vinyl!)
Tracklist |
01:Thank You Mr. Churchill
02:Solution
03:Road To The Sun (With Smoking Gun featuring Julian Frampton)
04:I'm Due A You
05:Vaudeville Nanna And The Banjolele
06:Asleep At The Wheel
07:Suite: Liberte
a:Megumi
b:Huria Watu
08:Restraint
09:I Want It Back
10:Invisible Man
11:Black Ice
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