Die CD Uprooted war die Alt. Country Überraschungen der letzten Monate und Grund, mit dem Künstler via Email mal ein paar Worte zu wechseln:
Manni: Welches sind deine musikalischen Einflüsse?
Andy Gorwell: Es gibt ein oder zwei Songs auf dem Album, die das ziemlich klarmachen und die Tatsache, dass ich eine Version von "No Expectations" eingespielt habe, macht es noch klarer. Ich nehme an, ich hab mich dem ergeben. Es war aber bewusst gemacht, ich hab versucht etwas von dem, ja so lange verschollenem, tieferen Geist ihrer Musik zurückzubringen, ohne ein Plagiat abzuliefern. Es gibt ein oder zwei Songs die schon etwas "stonesy" klingen, natürlich nicht so gut wie die echten. Wie man so schön sagt: Nichts kommt an ein Original heran.
Die Stones haben ein großen Einfluss auf mich gehabt seit ich das erste mal "Can't you hear me knocking" vom 71er Album "Sticky Fingers" gehört habe. Das hatte einen solch großen Eindruck auf mich gemacht, dass ich innerhalb von zwei Monaten den kompletten Stones-Katalog besessen habe. Ich glaube sie haben in der Zeit, in der Mick Taylor dabei war, ihre besten Sachen produziert. Er ist ein unheimlich guter Gitarrist. Es war wirklich schade, dass er ging.
Jackson Browne, dieser Inbegriff eines Songwriters war ein weiterer hauptsächlicher Einfluss. Er schreibt wirklich schöne Balladen, ist ein großartiger Texter sowie ein exzellenter Komponist.
Dann natürlich auch die Sachen von No Depression oder Alt-Country der jüngeren Zeit, die haben mich inspiriert und meinen musikalischen Geschmack geschärft und das wird auch so bleiben. Steve Earle, Kasey Chambers, Whiskeytown, Uncle Tupelo, Wilco und so weiter und so fort. Das sind alle großartige Interpreten und Bands.
Manni: Gibt es in Australien eine Alt-Country Szene?
Andy Gorwell: Ja, dieses Alt-Country Ding blüht in Australien auch, wenn auch in kleinerem Rahmen. Wir haben den Aufstieg einer Reihe von Bands und Interpreten erlebt. Eine größere Anzahl von Independent Labels wie z.B. "Laughing Outlaw", "Half a Cow", "Corduroy" usw. haben sich hinter diese Art Musik gestellt. Es gibt definitiv einen Nischenmarkt dafür. Es gibt zwei Alt-Country Festivals die die aufsteigenden Interpreten und Bands bekannt machen. Es ist interessant darüber zu spekulieren wie viel länger diese Alt-Country Sache wächst oder ob die Blase platzen wird. Vielleicht kommt das in Intervallen.
Manni: Bist du regelmäßig mit einer Band auf Tour?
Andy Gorwell: Ja, ich trete regelmäßig in Australien auf. Abgesehen von der offensichtlichen Notwendigkeit macht es mir auch durch und durch Spaß. Es ist die ultimative Befriedigung. Momentan bestreite ich die meisten Auftritte als Duo mit einem anderem Musiker. Ich spiele aber auch in zwei verschiedenen Bands und bin somit recht beschäftigt.
In Melbourne gibt es zur Zeit ein aufblühendes Klima für Live-Musik, es ist nicht allzu schwer, einen Auftritt zu bekommen.
Manni: Einiges auf Deinem Album "Uprooted" klingt ziemlich amerikanisch. Warst du je in den USA? Wenn ja, bist du dort auch aufgetreten?
Andy Gorwell: Ich denke, es ist für jeden nicht-amerikanischen Country Interpreten sehr schwer, nicht in die Falle zu tappen "amerikanisch" zu klingen und damit auch noch glaubwürdig zu sein. Es ist durchaus möglich, ein Album mit Banjos, Fiddle, Dobro, Pedal Steel usw. aufzunehmen ohne dass es amerikanisch klingt. Falls es nicht amerikanisch klingt, ist es dann noch Country Musik?
Kasey Chambers hat es verstanden, dieser Falle zu entgehen. Obwohl ihr Sound sehr amerikanisch ist, hat sie damit großen Erfolg.
Ich sehe mich selbst nicht als Country Interpreten, ich mach mit Alt-Country rum. Da gibt es einen Unterschied. Country Musik ist für mich ein Genre per se während Alt-Country sich eines irgendeines anderen Genres bedient, sei es akustischer Pop, Blues, Rock, selbst Punk und dies dann "countryfiziert", man nimmt einige Country-Instrumentierungen dazu, etwa Pedal Steel, Banjo, Dobro usw. um dem Ganzen einen "Twang" zu geben. Ich denke also nicht, dass Alt-Country ein eigenes Genre darstellt.
Ich bin nie in den USA aufgetreten noch war ich je zu Besuch dort, aber ich würde es gerne tun, es ist ein großartiges Land. Hoffentlich wird sich der Kurs unserer Währung gegenüber dem Dollar verbessern um die finanzielle Last etwas zu reduzieren.
Manni: Was hältst du vom Musik-Marketing im Internet?
Andy Gorwell: Ich denke, das Internet ist ein großartiges Marketing-Werkzeug für Musiker. Es gibt Interpreten, die bisher entweder ignoriert wurden oder für die die konventionelle Form der Medien nicht zugänglich ist. Für die ist das Internet eine Gelegenheit, künstlerische Aufmerksamkeit zu erregen. Jeder kann eine Website erstellen, seine Musik bewerben und MP3-Beispiele anbieten, damit sich die Leute das anhören können. Du bist nicht mehr so abhängig wie früher, als Radiostationen deine Songs spielen, Magazine deine Platte besprechen oder das Fernsehen dein Video spielen musste, um als Interpret existieren zu können.
Das Internet hat zu einem gewissen Grad die Rolle der konventionellen Medien als Mittler zwischen Interpret und Zuhörer zurückgedrängt. Aber ich glaube, du kannst als Interpret oder Band nicht überleben, wenn du dich nur auf das Internet verlässt. Du brauchst immer noch konventionelle Kanäle aber ich denke, das Internet hat deren Wichtigkeit etwas reduziert.
Manni: Es gibt australische Musiker, (z.B. Rob Tognoni) die öfter in Europa spielen. Hast du irgendwelche Pläne in dieser Richtung? Wie schwer ist es, eine Tour auf einem anderen Kontinent zu finanzieren?
Andy Gorwell: Ja, ich würde sehr gerne Europa besuchen. Es ist so reich an Kultur und Geschichte. Die Möglichkeit zu haben, dort zu spielen wäre fantastisch. Natürlich gibt es da die üblichen finanziellen Beschränkungen, aber ich denke, ich könnte eine Solo-Tour durchziehen. Ich habe aus Europa durch Reviews und Spielen meiner Songs eine Menge Unterstützung erhalten. Europäer waren wirklich großartig.
Manni: Was bedeutet "Uprooted" als Titel der CD? Ist es eine Anspielung auf traditionellen Rock in den verschiedensten Genres, hauptsächlich Country und Blues?
Andy Gorwell: Ja, es handelt prinzipiell von meinem Interesse an Roots Rock, Country Blues und Country Rock, davon, dies wieder auszugraben oder den Geist, der in dieser Art Musik vererbt ist, hervorzuheben. Ich denke, das Album zollt der traditionellen Roots-Musik Tribut. Es vermittelt ein ziemlich starkes Retro-Gefühl.
Manni: Wie ist Dein Interesse an Slide und Dobro erwachsen?
Andy Gorwell: Ich hab das Interesse daran seit ich 18 oder 19 war. Wie ich mich erinnere, war es die Stones-Version von "Love in Vain" (auf "Let it Bleed") als ich damit zum ersten Mal Bekanntschaft machte. Ich hatte vorher noch nie eine Dobro oder Slide gehört und wusste nicht mal, wie sie aussieht. Es war mir total fremd. Ich nehme mal an, das war einer der Gründe, dass ich dem so zugetan war. Nachdem ich mich darüber schlau machte entschied ich mich dafür, selbst eine zu besitzen. Ich habe dann eine zwar billige aber gute australische Dobro gekauft. Es war eine "1940er Wayne". Auf dem Albumcover von "Uprooted" ist ein Bild davon.
Die Spieler, die mich da am meisten beeinflusst haben sind Mick Taylor, David Lindley, Gerry Douglas, Jeff Lang, Johnny Winter und Ron Wood.
Manni: DVD scheint das neue Kind der Industrie und ihrer Kunden zu sein. Da es offensichtlich teuer ist, ein solches Medium zu produzieren, ist es oft für neue Interpreten nicht machbar, denkst Du, dass die es dadurch noch schwerer haben, Aufmerksamkeit zu erlangen?
Andy Gorwell: Ja klar, aber während DVD nur für wenige erhältlich ist, gibt es immer noch eine Menge anderer Möglichkeiten für Interpreten, die grade anfangen. Ich kann nicht sehen, dass die DVD herkömmliche Medien wie CD oder Video langsam abschaffen würde. Diese Medien werden die hauptsächliche Quelle für die meisten Musiker und Bands bleiben.
Die Musikindustrie ist Änderungen in Bezug auf neue Technologien nicht abgeneigt, wie wir aus der Einführung der Compact Disc sehen können, als die erstmals auf den Markt kam, es gibt aber immer Nischen, und zugegebenermaßen schließen deren Kosten die Mehrheit von Interpreten und Bands aus, speziell bei Independents. Ich denke, es ist verfrüht, die Wirkung der DVD abzuschätzen.
Manni: Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Andy Gorwell: Weiterhin live aufzutreten und hoffentlich ein weiteres Album aufnehmen zu können.
Bleibt zu hoffen, dass Beides eintritt. Wir wünschen es Andy und natürlich auch uns
Alt. Country from down under / Ein Gespräch mit Andy Gorwell
Manni Hüther, 05.04.2003
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