Der 10. Oktober des letzten Jahres ist mir noch in allzu guter Erinnerung. Denn es war der Tag, als wir, Holger und ich, Eric Gales zu einem Interview baten und er anschließend zusammen mit Eric Szar und TC Tolliver mit extrem energiegeladenem Blues Rock die Grundmauern des Berliner Kultclubs Quasimodo mächtig ins Wanken brachte. Und nicht nur das, für mich stand fest: Sobald dieser amerikanische Ausnahmegitarrist erneut in Berlin die Saiten schwingt, bin ich wieder dabei. Dass es bereits knapp vier Monate später schon wieder so weit sein sollte, konnte ich damals nicht ahnen. Doch Geschenke nehme ich so wie sie kommen!
Was hat sich in der Zeit seit dem letzten Berlin-Gig verändert? Der gravierendste Unterschied liegt schon mal bei seinen Begleitmusikern: Diesmal hat Mister Gales seine eigene Band dabei, mit der er 2013 sein letztes Album "Ghost Notes" einspielte. Von diesem Album präsentiert er heute "EG Shuffle", "Grandaddy Blues" und "Caution". Ansonsten stelle ich noch fest, dass er sein Haar etwas länger trägt als bei seiner letzten Berlin-Veranstaltung. Während die Band nach einem Intro mit "Make It There" ihren erwartungsfrohen Fans gleich mal ihre große Spielfreude, die der Anhang heute zu erwarten hat, demonstriert, frage ich mich, ob Eric heute Abend auch seine Frau LaDonna auf die Bühne bitten wird? Kaum zu Ende gedacht, betritt diese zum leicht Reggae-angelehnten Teil "Chant" die Bühne. Ihr Auftritt beinhaltet noch, so wie auch im letzten Herbst, "Block The Sun", und nach gut zehn Minuten ist ihr Intermezzo bereits wieder Geschichte. Auch wenn sie für eine willkommene Abwechslung sorgte, von dem einen oder anderen Fan auch als optischer Leckerbissen empfunden wird, ist es ihr natürlich fast unmöglich, ihrem Mann die Show zu stehlen. Kein Wunder, denn nicht umsonst wurde der US-Saitenakrobat in der Vergangenheit mehrfach von diversen Magazinen zum besten Blues Rock-Gitarristen gewählt.
Dass er, um sich diesen Status dauerhaft ans Revers zu heften, erwartungsgemäß auf Top-Nebenleute setzt, ist absolut nachvollziehbar, denn Durchschnittsmusiker dürften mit seiner außergewöhnlichen Qualität kaum mithalten können. Der in Memphis geborene Gales versprüht von Anfang an eine unglaubliche Dynamik und besticht mit einer Top-Kondition, die es ihm erlaubt, eine gut zweieinhalbstündige Blues Rock-Show der Extraklasse - garniert mit ein paar Spritzern Fusion, Reggae und Jazz - abzuziehen. Dabei agiert er mal als Gitarrenflitzer mit Schallgeschwindigkeit, mal als gefühlvoller Saitenstreichler oder verschwindet auch mal komplett von der Bühne, um dem Tieftonexperten Thompson sowie dem Drummer Hayes die Gelegenheit zu geben, den Anhang auch ohne ihn mit eindrucksvollen Soli zu erfreuen. Dabei ist es Schwergewichtler Thompson, den ich immer wieder beäuge, weil er trotz seines gewaltigen Erscheinungsbilds in der Lage ist, seinen fünfsaitigen Bass so zu bespielen, wie es vergleichsweise Geigen-Ass André Rieu mit seiner Violine einem Millionenpublikum präsentiert. In der Tat ist es mir ein Rätsel, wie er mit seinen 'Bratpfannenhänden' sein Spielgerät so toll in Szene setzen kann. Respekt, Mister Thompson!
Spätestens als Eric Gales mit den Hendrix-Klassikern "Purple Haze" (1967) und "Voodoo Chile" (1968) sich selbst in einen Trancezustand spielt, wissen alle, wer an diesem Abend absoluter Chef im Ring ist. Um dem Ganzen noch das Sahnehäubchen aufzusetzen, hat er in ein zwischenzeitliches Medley "Back In Black" von AC/DC eingebaut und mir als absolutem Hardliner der glorreichen Australier eine besondere Freude beschert! Nun gut, wer ein AC/DC-Leckerli in so toller eigener Interpretation vorlegt, hat sich bei mir automatisch einen Sympathiebonus erspielt.
Trotz insgesamt toller Vorstellung auf Weltklasse-Niveau, kommt der Meister an einer Passage des Konzerts nicht ganz ohne Malheur aus. So geschehen, als er sich seiner roten Akustikklampfe bedient, diese ihm aber zeitweise den Dienst verweigert. Sogar soweit, dass selbst sein Roadie, trotz
nimmermüden Einsatzes auf der Suche nach der Fehlerquelle, sich keinen Rat mehr weiß. Aber Mister Gales ist Profi genug, lässt sich in keinster Weise aus der Ruhe bringen, legt sich stattdessen seine Magneto Sonnet Raw Dawg-Gitarre um und lässt den geplanten Song eben von dieser glänzend in Szene setzen. Ich finde es klasse, sind es doch genau die kleinen Geschichten, die das Berichten erst interessant machen.
Auch wenn es für manchen Zeitzeugen hier und da etwas zu heftig zu Werke geht, mich hat das Konzert zu einhundert Prozent zufriedengestellt und die Band hat für ein weiteres großes Kapitel der Berliner Rockgeschichte gesorgt. Wenn selbst der Clubchef, obwohl dieser - schon aus Zeitmangel sich dauerhaft nur ums Geschäftliche kümmernd - nur selten an vorderster Front anzutreffen ist, urplötzlich neben mir Platz nimmt, um sich diesen Kracher nicht entgehen zu lassen, dann will das schon was heißen! Zum Ende zupft Eric an einer Saite seiner Gitarre, legt diese behutsam auf den Boden, verlassen alle Musiker die Bühne, während seine Klampfe mit letztem Ton das Konzerts endgültig beschließt. Eric Gales ist und bleibt fett unterstrichen in meinem Notizbuch und ich hoffe sehr auf ein Wiedersehen in Berlin 2015! Oder vielleicht doch noch in diesem Jahr? Ich hätte weiß Gott nichts, aber auch rein gar nichts, dagegen.
Line-up:
Eric Gales (vocals, guitar)
Orlando Thompson (bass)
Nick Hayes (drums)
LaDonna Gales (backing vocals)
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