Eric Gales / Crystal Vision
Crystal Vision
"Crystal Vision" hat's, genauso wie die Vorgänger. Eric Gales' Art, sich zwischen die Stühle zweier Musikrichtungen (Rock/Blues) zu setzen, verdient höchste Anerkennung.
Auf fast jeder CD gibt es einen Coversong, der zeigt, wo er seinen musikalischen Schwerpunkt hat.
Sei es "Foxy Lady" (Hendrix), "Just Got Paid" (ZZ Top) vom Album "That's What I Am", "I Want You (She's So Heavy)" (The Beatles) oder seine Beiträge auf den Samplern "Whole Lotta Blues: Songs Of Led Zeppelin" und "Blues Power: Songs Of Eric Clapton". Zusammen mit Derek Trucks zelebriert er "Layla".
Als er "Layla" zum erstenmal hörte war er 12, spielte zu dem Zeitpunkt schon acht Jahre Gitarre und gewann mit 11 einen Blues Wettbewerb.
Er ist in einer musikalischen Familie groß geworden, lernte den Blues durch seine beiden Brüder Eugene und Manuel (aka Little Jimmy King) kennen und lieben. Zusammen mit Eugene Gales veröffentlichte er unter dem Namen The Eric Gales Band zwei CDs.
Dann folgten weitere als Solist. Wie seine Brüder spielt er die Gitarre als Linkshänder.
Gitarre satt, sehr differenziert, zum Teil locker vorgetragen und emanzipiertes Songwriting zeichnen Eric Gales aus.
Wo Eric Gales drauf steht, ist auch Eric Gales drin… Rock und Blues.
Das kann mir keiner erzählen: "Crystal Vision" als ein Bluesrock-Album zu kategorisieren. Mit drei Blues-Anteilen auf der Disc hat Eric Gales sein Soll erfüllt.
"I Got Me A Woman", "Freedom From My Demons" und "Trouble". Das war's mit dem Blues.
Aber das Song-Trio hat es in sich. "Freedom From…" ist eine perfekte Blues-Ballade mit emotionaler Gitarre, so wie es sich für einen Slowblueser gehört. Mark Robertsons Keys peppen, Thomas Pridgen (drums) und Steve Evans (bass) 'begleiten' auf den Punkt.
Riffige Midtempo-Blueser sind "I Got Me A Woman" (toller Basssound von Pridgen) und das schleppend, hypnotische "Trouble". Gales beweist einmal mehr, dass er den Blues wie einen trockener Schwamm von Kindesbeinen an aufgesogen hat.
So, damit kann ich ja mit meiner Rezension Schluss machen, viel Spaß mit den drei Bluesern und ab dafür.
Wie das bei Hybriden so ist komme ich zur anderen, rockigen Seite von "Crystal Vision".
Fettes Schlagzeug, Stakkatogitarre, Solo-Schübe, ausdruckstarke Gale'sche Stimme, unablässig pumpender Bass. So empfängt uns Eric mit "Retribution": Rockig bis dort hinaus.
Was hat "Crystal Vision" denn zum Thema Fremdkomposition zu sagen?
Diesmal ist klassischer Rock dran: Deep Purples "Hush". Gales hat die Gasflamme auf höchster Stufe und brät uns eine richtig schön knusprige Version in die Gehörgänge.
Pridgen legt das volle Schlagzeugprogramm auf.
Divergent halt, wie einem der schon längst aus den Kinderschuhen raus gewachsenen Eric Gales daher kommt.
Ihr Bonamassas und Eric Johnsons seid auf der Hut, Eric Gales ist euch ganz dicht auf den Fersen.
Keineswegs künstlich hört sich das "Plastic Girl" an. Das "Retribution"-Thema wird variantenreich verziert und glänzt in anderem Outfit genauso wie der Opener.
Steve Evans hatte songwriting-technisch seine Finger mit im Spiel, als "Old School" geschrieben wurde. Kein Wunder, dass Evans auch hier sein Können aufblitzen lässt. Gales wandelt, wie des Öfteren auf Jimis Pfaden. Waren die ersten Angänge vor 13 Jahren gut gemeint, erleben wir einen erwachsen gewordenen Gales, was dieses Thema angeht.
Womit ich mich nun gar nicht anfreunden kann ist das speedige "Me And My Guitar". Der einzige Durchhänger, den der Rezensent gerne überhört.
Eine weitere Ballade erklingt mit "That's Just How It Is". Und die läuft unter der Kategorie: 'warum gibt es in der Rockmusik so herrliche Balladen'? Immer wieder gerne gehört.
War auf vorherigen Alben u.a. Jim Gaines für die Produktion zuständig, sitzt nun Mike Varney an den Reglern und wird bei 10 Tracks in den Songcredits genannt. Als Produzent taucht sein Name ansonsten bei Bands aus dem Rock- und Heavy Metal-Bereich auf.
So mag es nicht verwundern, wenn man seine rockorientierte Handschrift auch auf "Crystal Vision" spürt.
Kristallklare Gitarre, meisterhaft gespielt, die Rhythmusfraktion stets songdienlich, ab und an Keyboards, da wo sie hingehören, ist die Disc auch soundmäßig ein Genuss.
Der Titelsong ist wohl das prägnanteste Beispiel für die rockige Seite eines Eric Gales. Viel besser kann ein Rocksong nicht ausfallen.
Beleuchtet man dieses Album aus den beiden genannten Perspektiven hat Eric Gales einen weiteren, wichtigen Schritt nach vorne gemacht.
Es ist klar wie Kloßbrühe, dass "Crystal Vision" auch für Hörer aus anderen Lagern höchst interessant sein wird. Die Grenzen der einzelnen Tracks sind klangvoll mit einer ausdrucksstarken Trennschärfe versehen, sodass unter dem Strich ein starkes Album steht und somit der Disc-Titel sehr passend ist.


Spielzeit: 55:20, Medium: CD, Provogue, 2006
1:Retribution 2:Are You My Friend? 3:I Got Me A Woman 4:I Don't Want You Hangin' Around 5:Freedom From My Demons 6:Trouble 7:Crystal Vision 8:Hush 9:Me And My Guitar 10:Plastic Girl 11:Old School 12:That's Just How It Is
Joachim P. Brookes, 29.04.2006