Wir haben es mit einem Debütalbum zu tun - Grund genug, das einmal näher unter die Lupe zu nehmen. Kein Vergleich mit vorhergehenden Produktionen soll gezogen, also die jungfräuliche Betrachtungsweise auf ein 'neues Stückchen Jazz' ermöglicht werden. Filippa Goja ist Österreicherin aus Bregenz und vierundzwanzig Jahre alt. Sie und ihre Mitmusiker spielen seit dem Jahr 2008 zusammen.
Der erste Song startet luftig leicht und beschwingt mit dem Einsatz von Perkussion und Piano, um dann zusammen mit Bass und Schlagzeug Fahrt aufzunehmen. Ein wenig Hauch der siebziger Jahre schallt mir entgegen, als Airto Moreira gemeinsam mit Flora Purim diese unwiderstehliche Musik mit brasilianischem Flair spielte. Dazu passt natürlich, dass Filippa Gojo hier ebenfalls in Portugiesisch singt. Ein feiner und lockerer Auftakt, inklusive eines kurzen und geschmeidigen Basssolos. Offener und verspielter agiert die Band im zweiten Titel. Lange Zeit fließt die Musik einfach dahin und auch hier scheint uns die Perkussion in einen südamerikanischen Urwald entführen zu wollen. Das Gesangsstudium hat sich wohl ausgezahlt, denn die Sängerin trägt hier mit sicherer Intonation und einwandfreiem Timing vor - dieses Mal in englischer Sprache. Der längste Titel der Platte entwickelt sich ständig, die Sprache geht in wortlose Klänge über, fast schon an Scat gemahnend, aber auch sich plötzlich sehr frei in eine entwickelnde Improvisation ausdehnend. Ein sehr ungewöhnliches und den Hörer forderndes Stück.
Der nächste Song in portugiesischer Sprache, "Confusão", gefällt mir im Ansatz, doch im Gegensatz zum ersten Titel fehlt mir nun die gewisse Abgeklärtheit und Verträumtheit. Wenn es brasilianisch klingen soll, dann wird diese Anforderung nicht erfüllt - also bleibt es ein Element. Dem Line-up ist zu entnehmen, das Gojo ein Megafon benutzt. Das ist hier der Fall und ich mag das nicht. Es könnte ein interessanter Aspekt sein, für mich stört es aber die Atmosphäre an dieser Stelle, bei diesem Titel dann doch.
Wunderbar hingegen der schleichende "Samba Em Prelúdio", mit magischer Ausstrahlung für Ruhe bringende Lounge Bars wie auch zur Entspannung geeignet, auch wenn es durch den späteren Scat-Einsatz dann doch ein wenig lebhafter wird. Eine weitere Besonderheit ergibt sich aus der Komposition von Steve Kuhn, "Saga". Hören wir Englisch und Portugiesisch im Wechsel, so werden wir nun mit dem Dialekt der Vorarlberger Heimat der Sängerin überrascht, dem ansonsten im Original instrumentalen Titel hat sie entsprechende Worte hinzugefügt: »Märchenwälder nua ringsum, versperren oam jede Sicht, zawüalat vom Wind, doch ruhig, zoagt sich sin Gsicht.« Ein sehr lyrisch anmutendes und schwebendes Stück Musik - der Plattentitel ist hier Programm. Es wirkt nah, jedenfalls spüre ich das bei der Interpretation.
Fast immer benutzt Gojo die Möglichkeit des Scat-Gesangs, ganz anders als man es von der mit viel mehr hoher und brillierender Intensität agierenden Ella Fitzgerald kennt, eher differenzierter im Verbund mit der Band und deren Instrumenten. Gerade wenn das E-Piano zum Einsatz kommt, gleitet die Musik in Richtung Fusion der Siebziger, aber ohne reine Imitation darzustellen, sondern aus eigenen Ideen heraus entwickelt sich das. In der "Rush Hour" nehmen hierzu sowohl Tempo als auch Druck Fahrt auf und der abgehackte Gesang vermittelt mit der Musik genau diese Hektik, wie sie in einer Rush Hour vorkommen kann. Dazwischen jedoch ganz skurril angedeutete Walzerklänge, die vielleicht den Ausweg aus dem Stress weisen sollen?
Nach einem mit gestrichenem Bass untermalten und sehr ruhigen Stück, mit dem ein Flashback beschrieben wird und das schon fast Elemente der E-Musik aufweist, werden wir zum Schluss dann so verabschiedet, wie wir begrüßt wurden. Leicht und luftig, zunächst mit Mehrfachaufnahme der Stimme, mit der sich Filippa Gojo selbst begleitet, bis dann die Band einsetzt und diese ungewöhnliche Platte beendet.
Sicher lebt die Musik vorwiegend von der stimmlichen Präsenz der Frontfrau, lässt die Band jedoch nicht zu Statisten verkommen, sondern zusammen haben die Vier überwiegend eine traumwandlerische Einheit geschaffen.
Line-up:
Filippa Gojo (vocals, megaphone)
Sebastian Scobel (piano, Fender Rhodes)
David Andres (double bass, electric bass)
Lukas Meile (percussion)
Tracklist |
01:O Pássaro Amarelo [Scobel/Sabino] (6:42)
02:Elm [Beirach/Gojo] (9:20)
03:Confusão [Gojo] (6:40)
04:Samba Em Prelúdio [Powell/de Moraes] (6:23)
05:The Curtain [Gojo] (2:55)
06:Saga [Kuhn/Gojo] (8:09)
07:Rush Hour [Gojo] (5:46)
08:Lost In A Flashback [Gojo] (6:42)
09:Train Of Thought [Gojo, Scobel/Gojo] (6:07)
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