"Was ich noch erzählen wollte:" Mandy Schneider
Mandy Schneider Die Kolumne in RockTimes
von unseren Rockmusik-'Machern'
in ihrer eigenen Schreibe

Veranstaltung Rock und Pop Preis vom 17.12.2011
Oder: Die vergebenen Preise sind wie Worte - nur Schall und Rauch


Artikel vom 17.01.2012


Mandy Schneider
Bereits zum 29. Mal wurde am 17. Dezember in den Rhein-Main-Hallen in Wiesbaden der Deutsche Rock & Pop Preis verliehen. Ausgerichtet wird dieser Preis vom DRMV (Deutscher Rock und Pop Musikerverband), dessen Mitglieder hauptsächlich aus Berufsmusikern und Musikschaffenden bestehen.
Bevor ich zu meinen persönlichen Eindrücken der Veranstaltung komme, hier vorab ein paar Infos zum DRMV:
Dieser repräsentiert über die ihm angeschlossenen 1.685 Musikgruppen, 195 Musikfirmen (Labels, Verlage, Agenturen, Tonstudios, etc.), 120 Musiker-Initiativen/Vereine, 1.800 Einzelmusiker(innen), Komponisten, Texter mit ca. 20.000 Kulturschaffenden aus dem Gesamtbereich der Popularmusik. Damit haben sich über 3.800 Musikgruppen, Musiker(innen), Musikurheber, Musikerinitiativen/Vereine sowie Musikfirmen in den letzten 25 Jahren im Deutschen Rock & Pop Musikerverband e.V. organisiert, weil...
- Rock- und Popmusik im Alltag von Millionen Menschen eine herausragende Rolle spielt und von hunderttausenden jungen und älteren Musikern in der Bundesrepublik begeistert gespielt wird. Für diese Menschen soll gesprochen werden!
- sie gemeinsam für die kulturelle Anerkennung der Rock- und Popmusik kämpfen und eine gleichwertige Behandlung von populärer und klassischer Musik fordern (von den kulturellen Trägern dieses Landes in Bund, Ländern, Kommunen und den Urheberrechtsorganisationen).
- sie für die Chancengleichheit deutscher Rock- und Popmusiker, Komponisten und Texter in den Veröffentlichungen der Tonträgerindustrie und Musikverlagen in der Bundesrepublik Deutschland eintreten.
- sie für die Chancengleichheit deutscher Rock- und Popmusiker, Komponisten und Texter in den Musiksendungen der Rundfunk- und TV-Anstalten in der Bundesrepublik Deutschland eintreten.
- sie für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für alle Rock- und Popmusiker, Komponisten und Texter im Allgemeinen kämpfen.
Deshalb rief der Verband alle Musikgruppen, Musiker, Musik-Urheber, Musiker-Initiativen und Musikinteressierte in der Bundesrepublik Deutschland auf, sich für die gemeinsamen Ziele zu solidarisieren.
An und für sich klingt das ganz gut und macht auch Sinn. Deshalb entschloss ich mich spontan, der Veranstaltung beizuwohnen, um mir selbst ein Urteil über die Bands und Veranstaltung zu machen. Also fuhr ich gut gelaunt zu den Rhein-Main-Hallen und war gespannt, welche musikalischen Juwelen es zu entdecken gab. Die gab es in der Tat, doch was ich als langjährige Musikkennerin und seit einem Jahr eigenständige und freie Musikpromoterin und PR-Tante beim Juryentscheid erlebte, hat mir nicht nur den Abend versaut, sondern ließ meine Galle regelrecht überkochen!
Preise für die Individualisten (Beste/r Sänger/in, beste/r Gitarrist/in, usw.) standen bereits im Vorfeld fest. Vermutlich wurden diese anhand ihres Spieles auf den eingereichten CDs bewertet. Das allerdings spiegelt weder das wirkliche Können, noch die Liebe zum Spiel wieder. Das erkennt man dann, wenn der Instrumentalist live spielt. Die Jury (welche dieses Mal im Publikum saß) war teilweise bei den Live-Präsentationen NICHT anwesend, die Stühle waren leer, d.h., wer in dieser Zeitspanne seinen Song zum Besten gab, hatte eh keine Chance! Es wurde in der Hauptkategorie 'Beste/r Sänger/in' eine 12-jährige ausgezeichnet, die 'on Top' nach 22:00 Uhr (Preisverleihung war gegen 23:00 Uhr) noch auf der Bühne stand. Ich hoffe mal, dass wenigstens die Erziehungsberechtigten des Mädels (die konnte ich leider nicht ausfindig machen!) anwesend waren und selbst dann haben Kinder ab 22 Uhr nichts mehr auf der Veranstaltung zu suchen. Es empfiehlt sich das Jugendschutzgesetz §5 Abs. 2 ganz genau durchzulesen.
Des Weiteren wurden Plätze doppelt und dreifach belegt, die Moderatorinnen konnten einen Bass nicht von einer Gitarre unterscheiden und lesen konnten sie offensichtlich auch nicht. Klar, dass man sich bei über hundert Bands nicht jeden Namen und Herkunftsort merken kann, aber all das steht fein säuberlich auf den Moderationskärtchen und wer lesen kann ist immer ganz klar im Vorteil. Alles in allem spiegelte der Samstag nur das wider, was in der gesamten Branche zum Stillstand führt. Man will junges Blut ohne Erfahrung (Schülerbands), ohne ordentliche Bewertung der Live Präsentationen - denn junges Blut ist leichter zu manipulieren. Ich erinnere an Julia Neigel - was hat diese Frau nicht für ihre Anerkennung als Komponistin und Berufsmusikerin kämpfen müssen, was groß und breit in gleich zwei Ausgaben des DRMV-Musiker-Magazins publiziert wurde!
Auf den Punkt gebracht entstand bei genauerer Betrachtung der einzelnen Bands innerhalb der Kategorien auch der Eindruck, der DRMV könne nicht zwischen den Genres unterscheiden. Das was da in die Kategorie 'Rock' geladen wurde, war zum Teil doch sehr Alternative oder Hard Rock. Der Fokus schien auch beim DRMV auf jungem Blut zu liegen und nicht auf dem tatsächlichen Können der Musiker - er liegt wohl auch nicht auf dem Schaffen von Songs, deren Instrumentierung und deren Live-Performance. All diese Dinge sind wichtig für einen Musiker, der damit seine Existenz sichern möchte und all das ging offensichtlich nicht in die Bewertungen ein. Er unterliegt, wie fast überall in der Branche, dem schnöden Mammon.
Die vergebenen Preise sind wie Worte nur Schall und Rauch - denn außer dem Titel, einem zweiten und dritten Platz, bescheinigt in DIN A4-Papierform, gab es für die Erstplatzierten lediglich eine Oskarstatue, die man für 2,50 Euro in jedem Geschenkeladen bekommt. Dafür wurden Aufnahmegebühren von allen Nominierten bezahlt und das nicht nur einmal pauschal, sondern pro Kategorie. Je mehr Kategorien (von über 100!!) man möchte, desto mehr musste man entsprechend auch dafür bezahlen. Somit kann man durchaus behaupten, dass die Mammutpreisträgerin (ganze neun Titel) ihren Sieg möglicherweise erkauft hat und das mag ihr in dieser Form wahrscheinlich gar nicht bewusst sein. Für die Mathefreaks zum Hochrechnen die Kosten für Teilnehmer: Teilnahmegebühr 20 Euro für DRMV-Mitglieder und 30 Euro für Nichtmitglieder. Kosten pro Hauptkategorie 100 Euro, Nebenkategorie 75 Euro.
Es ist fraglich, ob der Titel überhaupt etwas bringt für die Ausgezeichneten. Denn diejenigen, die den Preis in der Vergangenheit erhalten haben, sind oftmals nicht mehr existent (als Band oder Einzelkünstler) und diejenigen, die es in der Branche dann mal geschafft haben, haben dies mit Sicherheit nicht dem Titel zu verdanken. Ich denke da vor allem an Bands wie Pur, Juli oder Luxuslärm. Außer Spesen nix gewesen, um es mit einem Satz zu sagen.
Deutschland hat den zweitgrößten Musikmarkt nach den USA. Warum ist das so? Weil wir in Deutschland die Töchter der Majors aus den USA sitzen haben und weit und breit kein eigenes Majorlabel in Sicht ist. Der klägliche Versuch der EMG das zu ändern ist gescheitert. Kein Wunder also, dass wir zu 80% mit Musikern aus dem Ausland beschallt werden, die hier fleißig ihre Platten verkaufen und die es sich so auch leisten können, mal kurz eine PR- Kampagne im Wert von knapp 1 Million (die Zahl mit den 6 Nullen) quasi aus dem Nichts heraus zu zaubern, während die deutschen Berufsmusiker mit einem Durchschnittsjahresgehalt von 20.000 Euro rumdümpeln und obendrein auch noch Hartz-IV anmelden müssen, um überhaupt lebensfähig zu sein. Darüber hinaus wundert man sich dann auch noch, warum in der Branche nichts vorwärts geht.
Die Marke »Made in Germany« steht hier schon lange nicht mehr für Qualität, sondern für Quantität, die jeglichen Versuch von Kreativität bereits im Keim erstickt. HALLO Welt, der Job eines Musikers lebt ausschließlich von der Kreativität - alles andere fährt zwangsläufig an die Wand und das ist eine Tatsache, die man tagtäglich in Deutschland erlebt. Ja selbst etablierte Musiker müssen immer wieder von Null anfangen, weil es die Branche zum Großteil nicht schafft, ordentlich zu arbeiten. Man sollte mal ganz genau auf die Musiker hören, die derzeit ihre neuen Chancen in Formaten wie "The Voice of Germany" suchen. Am Beispiel von Kim Sanders kann man das hervorragend erläutern. Sie hatte den Erfolg bereits mit der Formation Culture Beat. Als es daran ging, ihre erste Solosingle auf den Markt zu bringen, scheiterte der Erfolg nicht etwa an der Künstlerin selbst oder deren Fähigkeiten, nein, sie scheiterte, weil der falsche Code auf die Single gepresst wurde und man sie auf diesem Schaden allein sitzen ließ, obwohl sie nichts dafür konnte. In einem anderen Fall geht es um die Sängerin der Formation Captain Jack. Auch hier war der Erfolg riesig. Dass man seitens des Managements die Sängerin nach außen hin anders darstellte, als sie tatsächlich ist (sie wurde größer gemacht, ebenso in ihren weiblichen Attributen), führt dazu, dass sie vom Publikum nicht mehr ernst bzw. für wahr genommen wird. Das ist systematische Zerstörung eines Künstlers und das zum Teil vollkommen bewusst.
Alles in allem hat der DRMV mit der diesjährigen Preisverleihung seinen öffentlich dargestellten Anspruch nicht erfüllt und somit ging auch die Professionalität verloren.
Auch wenn ich ein, zwei Bands entdeckte, die richtig gut waren und es verdient gehabt hätten, einen Preis abzugreifen, empfehlen kann man hier nichts mehr, allenfalls den musikalischen Nachwuchs warnen, die Finger davon zu lassen. Hier werden sie nicht geholfen, hier werden sie nackig gemacht, ausgenutzt und nur das Ego einiger Weniger beweihräuchert. '6, Setzen' und nochmal von vorne anfangen!!
Es ist mir persönlich ein Anliegen, eine Lanze für alle Berufsmusiker in Deutschland zu brechen, egal wie schwer dieser Weg auch werden mag. Es ist meiner und er ist FÜR eine gerechtere Berufsgrundlage aller Musiker. Und das meine Lieben, ist der Schlüssel zum Erfolg und eine Kampfansage an alle, die ihren Job in der Musikbranche nicht verstanden haben!
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