"Was ich noch erzählen wollte:" Eddy Czesnick
Eddy Czesnick Die Kolumne in RockTimes
von unseren Rockmusik-'Machern'
in ihrer eigenen Schreibe

Tourbuch der Erinnerung
Voodoo Chile: Eric Gales / TM Stevens / Keith LeBlanc (USA)
Jimi Hendrix-Tribute!


Artikel vom 31.01.2011
Fotos ©: Willem Kuijpers


Eddy Czesnick
Musik-Promotor
Nun ist sie durch, die Tour "Voodoo Chile" zum 40. Todestag des Gitarristen Jimi Hendrix. Die Band um Eric Gales / TM Stevens / Keith LeBlanc wurde quasi über Nacht geboren und noch ins Jahr 2010 geschickt, um unserem Hero zu huldigen.
Ich habe im Auftrag der Booking Agentur Directbooking Berlin einige Gigs beigesteuert, die ich anschließend betreut und gemeinsam mit meiner Frau besucht habe. Hier meine/unsere Eindrücke von einer Tour, die wie ich finde, mehr war, als nur eine Erinnerungstour für Jimi.
Der Tourplan wurde zur Genüge im Netz veröffentlicht, die von mir gebuchten Gigs waren der Startschuss der Tour in Neuss, die Konzerte in Magdeburg, Dresden, Halle, Hannover und Gotha.
Es ist schon ein wunderbares Gefühl, mit so namhaften, gestandenen und sympathischen Musikern unterwegs zu sein, oder sie sogar näher zu kennen. In der Tour-Crew bekannte Gesichter, zuverlässige Leute, die ihr Handwerk verstehen und ein Ray Freeman (Manager von Eric Gales), der immer die Stimmung hochhält, egal wie intensiv es schneit oder andere Probleme auftauchen.
Andreas aus Berlin, ein treuer Konzertbesucher und mittlerweile ein guter Freund, ermöglichte es mir und meiner Frau die genannten Konzerte aufzusuchen, indem er uns bei diesen katastrophalen Witterungsbedingungen, wie selbstverständlich sein wunderbares Auto (SAAB - ich bin nun ein absoluter Fan dieser Marke!!) borgte - gilt hier zunächst ein erstes Riesen-Danke schön!
Leider war es uns zeitlich und terminlich nicht möglich den Gig in Neuss aufzusuchen. Eigentlich sehr, sehr schade, war es doch das erste 'Gewitter' der Band. Ungezügelt und gewaltig kam die Band daher - die wohl improvisierteste und Energie-geladenste Show der gesamten Tour.
Voodoo ChileUnsere erste Reise ging nach Magdeburg, für Berliner ein kulturelles Niemandsland. Für mich, als 1. FC Magdeburg- und Joachim Streich-Fan zu DDR Zeiten, eine ehrhafte Neugier-Reise. Niedliche Pension, keine 600 Meter vom Venue Alte Feuerwache entfernt; im Übrigen ein Tipp des Engerling-Managers Gert Leiser, mit dessen Empfehlung wir im Klub spielen konnten. Halberstädter Str.140, kleine Kirche, niedlicher Weihnachtsmarkt davor, ein heißer Punsch mit dem Namen 'Glühfick', Live-Bundesliga im gegenüberliegenden Pub der gepflegten Art und natürlich ein sehr interessanter Klub in einem Kulturprojekt, das in dieser Gegend wohl als einzigartig zu gelten hat.
Sicher hätte dieser Abend noch besser besucht sein können. Trotzdem, bei diesem Wetter und der Kürze an Zeit der Vorbereitung kamen sympathische Magdeburger in erstaunlicher Zahl, in der Altersstruktur bunt gemischt, freundlich, wissbegierig und neugierig, mit großen Augen und nicht minder großen Herzen für Live-Musik vor die Bühne der Alten Feuerwache und ließen sich von der Qualität überraschen und begeistern. Leuchtende Augen, zuckende Körper und stürmischer Beifall, wie man es noch aus den ersten Tagen nach der Wende kennt. Ein großes Kompliment an die Betreiber, allen voran Nadja Gröschner - ihr habt da etwas ganz Besonderes geschaffen und werdet eurer Aufgabe in diesem, für unser Einer eher kulturell unbekannten Terrain, absolut gerecht! Eine kurze aber feine Stadtbesichtigung - Magdeburger Dom und Hundertwasserhaus ließen uns restlos überzeugen, diese Stadt in jedem Fall wieder aufzusuchen, ihre abgefahrene Geschichte zu erforschen und vor allem mit dieser Band im September zurückzukehren!
Voodoo ChileMontags nach Dresden zu reisen, gab es für mich noch nie, und ich war schon hunderte Male dort angereist, ist es doch eine Stadt, die in meiner Biographie eine große Rolle spielte und hat sie doch eine 'Neustadt', die nicht nur 1x im Jahr 'BUNT' ist und die einem das Herz leuchten lässt, ganz zu schweigen von diesen aufgeschlossenen, herzlichen Menschen. Zugegeben, die Anfahrt auf den restlos zugeschneiten Hügel des Puschkin-Clubs erschreckte zunächst, auch die Kälte im noch unbeheizten Venue ließ uns das Blut gefrieren. Umso erstaunlicher, wie sich dieser angesagte Dresdener Klub des Abends präsentierte: wohlig, beheizt, farbig. Der Schneeberg verwandelte sich in einen äußerst gefüllten Parkplatz (eigentlich eine gruselige Vorstellung). Beim Betreten des Klubs erfüllt sich die Gewissheit, warum sich die Dresdener Rock- und Party-Gemeinde hier wirklich wohlfühlen kann. Zahlreiches Publikum, sympathisch und offen, aber auch äußerst kritisch (in Dresden muss man erstmal überzeugen …), strömte dann vor Konzertbeginn, an einem Sturm-Schnee-Attack-Montag herein. Der Gig, wie immer von Gunter Rehling, dem Chef der TanteJu super vorbereitet, hinterlässt auch in meinen Augen Freude - wie schon in Magdeburg zuvor, wieder Zufriedenheit und Begeisterung in so vielen Gesichtern.
Halle, diese Stadt war einst meine große Liebe auf den ersten Blick - verbrachte ich dort im Jahr 1982 einige Wochen zu meiner Armeezeit … und anschließend als Fan des 'Turms' zahlreiche dufte Konzertabende. Damals noch von merkwürdigen Düften umrahmt (Buna-Schkopau), glänzt nun Halle, von der Chemie befreit, von seiner schönsten Seite.
Leider war die Zeit zu knapp, um diese Liebe aufzufrischen. Aber mit dem sehr erstaunlichen Venue Objekt5, das ich nun endlich das erste Mal erlebte, war der Frieden hergestellt. Ein Kultur-Highlight, das seines Gleichen sucht, konzipiert in einer Ausführung grenzenloser Fantasie des gehobenen Geschmacks und unbegrenzter Möglichkeiten. Schlichtweg umwerfend sind die Eindrücke des Moments und der Erinnerung zugleich. Das Team - absolut fit und souverän - hatte den Gig mustergültig vorbereitet und der Zuspruch vom Publikum an einem Dienstagabend war wohl sehr zufriedenstellend. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass die brachiale Kraft dieser Band, dieses kleine Kunst-Theater und auch die äußerst kritische und bemerkenswerte Fan-Gemeinde auf eine harte Probe stellte. Letztlich aber zählte die Klasse der Band und die Begeisterung des Publikums.
Der am nächsten Tag folgende Besuch der Altstadt und des Weihnachtsmarktes rundeten die tollen Eindrücke ab. Im übrigen habt ihr Hallenser einen Klamottenladen, der im nächsten Jahr nicht nur TM Stevens absolut begeistern wird. Zu finden, unweit des alten Marktes mit Namen Libelle - einfach nur grandios für Frauen … und für Männer, die ihre Frauen glücklich machen wollen.
Die anschließende Fahrt bei Schneesturm, Verwehungen und Glätte nach Hannover war eine Belastungsprobe, ein echter Härtetest und eine Herausforderung des entspannten Karmas. Brutal, rücksichtslos, gewalttätig sind die Attribute an diesem Tag auf der Autobahn zu bezeichnen. Ich habe in meinem bisherigen Leben noch nie so viele LKW und Schwerlaster gesehen. Nicht nur die Größe der Maschinen macht sie zur Bedrohung: die beispiellose arrogante Fahrweise dieser Idioten, die sich Trucker nennen, ruinieren das Image dieser Ami-Kopie vollends.
Abdrängen, schneiden, blockieren und das alles bei knappen Sicht- und äußerst gefährlichen Straßenverhältnissen. Leute, Leute, habt ihr denn völlig den Verstand verloren??? Eine Kennzeichen-Nummer habe ich mir notiert und ich werde prüfen, ob ich Anzeige wegen Freiheitsberaubung auf der Autobahn stellen werde.
Was uns an diesem Abend blieb, war diesem Wahnsinn den Rücken zu kehren und die Autobahn vor Magdeburg bis Hettstedt zu verlassen, um uns lebensbejahend, gemütlich und entspannt unseren Weg durch die Winterlandschaft zu bahnen. Mein Respekt für die Automarke SAAB wuchs nach diesem Erlebnis ins Unermessliche!
Die Blues Garage Hannover, längst einer der angesagten Blues-Klubs Deutschlands, mit liebevoller Hand eines Ex-Zwickauers gestaltet, gehört zum dringenden Tourtermin jeder Band des Rock & Blues.
Weihnachtsmarkt - natürliche Weine … und was für welche … schon mal was von heißem Bratapfel-Wein gehört? Der eigentlich als Kurzauftritt auf dem Weihnachtsmarkt Hannover geplante Besuch, verlängerte sich zu einem gemütlichen, anregenden und spannenden Ereignis. Dank der Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit der Verkäuferinnen am Weinstand der
Weinschänke zum guten Fass kosteten wir gierig und mit zunehmender Literzahl diese mit liebender Hand geschaffen Natur-Produkte. Also wenn überhaupt Werbung: dann hier! Ich kann euch flüstern und meine kleine Weihnachtsgemeinschaft zu Hause wird dies uneingeschränkt bestätigen: Dieser Bratapfel-Wein ist eine Ode an die Freude!!
Und so bekam dieser Hannoveraner Auftritt gleich von Beginn an einen guten Schliff und die reichhaltigen Vorbestellungen an Eintrittskarten sollten uns optimistisch stimmen. Noch ein Wort zum unglaublichen 'Motel California': Dort bekam ich eine Gratis-Führung von TM Stevens, der mir mit Stolz sein Zimmer zeigte; mit allem, was sich ein Fan oder Musiker wünscht. Die Schlaf-Utensilien liebevoll eingebettet in Gitarren, Keyboards, Verstärker und Fotos. Alles funktionsbereit, versicherte man mir. Hier hätte des Nachts nach dem Konzert Bernie Worrell an der Orgel neben seinem Gemach ein kleines Schlafzimmer-Konzert gegeben.
Kurzum, egal wo man sich in 'Henrys Reich' tummelt - überall grüßt die Liebe zur Musik und zum Detail! Das Konzert wieder ein unglaubliches Ereignis vor würdiger Kulisse. Jeden Abend dieselbe Band, und nach fünf Tagen die gleiche Spannung - und der Stolz wächst! Mit dabei im Publikum ein Freund, mit dem ich vor rund 30 Jahren angeln war. Eine Kinderfreundschaft, die nun in Hannover nach sehr langer Zeit seine Fortsetzung fand. Mario, ein Drittel der 'Drei Musketiere' aus vergangener Zeit, beherbergte uns in seinem Heim und rundete den Hannoveraner Auftritt vollends ab.
Voodoo ChileGotha war nun der letzte Abend, der mit mir und meiner Pia zu tun hatte. Und so fanden wir den 'Londoner' mit Hilfe der Navigation, im Schnee versteckt - ein Gebäude aus dem 17. Jahrhundert, mit Geistern, Kellern, Gängen und allem was dazu gehörte.
Willi Woigk sei hier von allen Veranstaltern, der von mir betreuten Gigs hervorgehoben! Nicht nur der wohlsortierte Empfang mit 'Hands' in ausreichender Zahl, Brötchen und heißen Getränken war an ihm bemerkenswert. Dieser Willi brachte es fertig, eine Pressearbeit abzuliefern, die in meiner Live-Musik-Geschichte absolut ihres Gleichen sucht. Der Bassist und Sänger einer der ersten DDR-Beatbands (The Polars), Freund und musikalischer Begleiter solcher DDR-Rock-Legenden wie Renft, Klosterbrüder, Gruppe Magdeburg, Horst-Krüger Band etc., weiß natürlich genauestens, worauf es in seinem 'Heimathafen' Gotha ankommt und was man tun muss, um neben einem der schärfsten Konkurrenten an diesem Abend, Chappos Shortlist, die keine 16 km weit entfernt live auftrat, zu bestehen. Und er tat es mit Bravour. Der Gothaer Saal im Londoner füllte sich zunehmend und war an diesem Abend alles andere als eine 'Fan- & Männer-Gemeinde'. Ein bunt gemischtes Völkchen, jung und alt, attraktiv und frisch, erfahren und neugierig, man könnte denken in Amerika zu sein …, feierte diese Band, genoss jeden Ton und fiel sich nach dem Konzert begeistert in die Arme. So etwas heute, in einem völlig übersättigten Musikgewerbe noch erleben zu dürfen, war neben dem Erfolg, das wohl bedeutendste Ereignis der gesamten Tour. Ein Touch DDR-Nostalgie und Leidenschaft ist hier im Schmuckkästchen Gotha erhalten geblieben und wird wohl auch die Bundesrepublik Deutschland überleben. Lieber Willi Woigk, habe Dank für deine Gastfreundschaft, für deine Leidenschaft und dein riesengroßes Herz für die Musik. Du hast mir wieder bewiesen, dass neben dem Kalkulieren und Zählen von Euros und Cents ein Konzert nur dann erfolgreich sein kann, wenn man mit seiner ganzen Persönlichkeit dahinter steht. Selbst, wenn man nicht immer ein 'Haben' zu erwarten hat.
Wir kommen wieder, egal mit wem, diese Gothaer haben unser Herz erwärmt … und diese kleine hübsche Stadt in Thüringen sowieso!
Die Leistung der Band zu beschreiben würde heißen, die berühmten Eulen ins Griechische zu befördern. Uns, der Agentur, war klar, was passieren würde, wenn man den jungen, mega-talentierten Eric Gales an die Seite solch erfahrener Musiker stellen würde. Die hier am Anfang aufgezeigten Kritiken sprechen für sich und müssen nicht weiter kommentiert werden. Jimi Hendrix' Andenken ist mit dieser Tour entsprechend gewürdigt worden. Das war unser Anliegen - das 'Bildungs- und Erziehungsziel' wurde übererfüllt!
Ein Dankeschön an TM Stevens und Keith LeBlanc ist hier mehr als angebracht! Und Eric hat eine Menge gelernt und wird nun seinen erfolgreichen Weg gehen - endlich!!

Vielen Dank für Eure Geduld,
die besten Grüße und Wünsche für das neue Jahr, 2011.

Eddy & Pia Czesnick

PS.
Habe heute erfahren, dass Eric Gales in den USA von der Fachzeitschrift 'Guitarist - The Guitar Player's Bible' zum "Best Blues Player 2010" gekürt worden ist.
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